zur AREF-Startseite
Das Kalenderblatt

Eine Kalenderwoche zurück

KW 16 / 2010

Eine Kalenderwoche weiter

Berg Ararat, Armenien 

Versöhnung ist möglich

Vor 95 Jahren: Beginn der Vertreibung der Armenier aus der heutigen Türkei

24.04.1915: Die jungtürkische Regierung veranlasst die Verhaftung und Deportierung aller armenischen Intellektueller in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. In den Folgejahren treiben türkische Polizisten und Soldaten fast alle Armenier des Osmanischen Reiches in Sammellager oder schicken sie auf Todesmärsche nach Süden Richtung syrische Wüste.

Berg Ararat, im Vordergrund das armenische Kloster Chor Virap

Berg Ararat, im Vordergrund das armenische Kloster Chor Virap. Hier soll der Mönch Krikor Lusavoritsch im Jahre 298 n. Chr. eingekerkert gewesen sein, um ihn vom christlichen Glauben abzubringen. Nach dem er den König Trdat III. von einer als unheilbar geltenden Krankheit heilte, bekehrte er sich zum christlichen Glauben. Im Jahre 301 ließ er sich taufen und verfügte, dass die Armenier (als erstes Volk in der Geschichte) das Christentum als Staatsreligion annahmen. Unweit des Kloster wurde 1920 die Grenze zwischen der Türkei und der Sowjetunion gezogen
Foto: Andrew Behesnilian, veröffentlicht unter Creative Commons unter Namensnennung, Quelle: wikipedia.de

Nach dem 1. Weltkrieg leiten die Siegermächte Kriegsgerichtsprozesse ein, um die Verantwortlichen zu bestrafen. Die Haupttäter können jedoch fliehen und werden später zum Teil von armenischen Attentätern ermordet. Obwohl anders versprochen, teilen die Türkei und Sowjetrussland Armenien 1920 unter sich auf. Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 erlangt Armenien die Unabhängigkeit.

* * *

Der größte Teil ihres damaligen Siedlungsgebiets ist unter türkischer Herrschaft. Und die Türkei bestreitet bis heute den Tod von 1,5 Millionen Armeniern und geht von einer weit niedrigeren Opferzahl aus. Die Verluste an Menschenleben schreibt sie den damaligen Kriegswirren zu.

Obwohl die Greueldtaten vor Gründung der Türkei geschahen, macht sich der, der in der Türkei Licht in die grausame Geschichte bringen will, wegen "Herabsetzung des Türkentums" nach §301 des türkischen Strafgesetzbuches strafbar. Ich meine, damit verpasst die Türkei eine große Chance, sich glaubhaft vom radikalen Islam zu distanzieren.

Politische Kampfbegriffe wie "Völkermord" helfen bei der Aufarbeitung der Geschichte meines Erachtens aber nicht weiter. Zu einer wirklichen Aussöhnung gehören immer zwei: Einer, der Schuld bekennt und einer, der Schuld vergibt.

Was das Vergeben angeht, müssten die Chancen eigentlich gut sein, denn nachdem die Armenische Kirche die älteste christliche (institutionelle) Kirche der Welt ist, dürften die Armenier die mahnenden Worte ihres Meisters zu dem Thema kennen:

Wenn ihr den Menschen nicht vergebt,
so wird euch euer himmlischer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Matthäus 6, 15

Uwe Schütz

mehr bei uns zur Geschichte: Türkei heute:  
1914 : Attentat auf österreichischen Thronfolger löst 1. Weltkrieg aus
1915 : Beginn der Vertreibung der Armenier
1920 : Ende des Osmanischen Reichs
1924 : Trennung zwischen Kirche und Staat in der Türkei
1942 : Nazis beschließen den Völkermord an den Juden
Die Radioversion anhören
Die Radioversion anhören
2:06 s, mp3, 64 kbit/s, 990 KB