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Türkei: Presse- und Meinungsfreiheit?

Schriftsteller und Friedenspreisträger muss sich vor türkischem Gericht verantworten

16.12.05: Orhan Pamuk, der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2005, muss sich ab Freitag, 16.12.2005, vor dem türkischen Gericht in Istanbul verantworten. Ihm wird vorgeworfen, den türkischen Staat verunglimpft zu haben. Der Prozess wurde jedoch vertagt. Das Gericht in Istanbul will eine Entscheidung des Justizministers abwarten. Dies meldet das Medienmagazin pro in seiner Online-Ausgabe kep.de.

In der heutigen Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) erklärt der Angeklagte Orhan Pamuk: "Ich habe im Februar dieses Jahres gegenüber einer Schweizer Zeitung gesagt, in der Türkei seien eine Million Armenier und dreißigtausend Kurden umgebracht worden, und darüber geklagt, dass diese Themen in meinem Land tabu sind."

Anklagen wegen "öffentlicher Herabsetzung des Türkentums"

Dem Schriftsteller Orhan Pamuk drohen nun wegen "öffentlicher Herabsetzung des Türkentums" laut dem türkischen Strafgesetz bis zu vier Jahren Haft. Im Falle eines Schuldspruches beträgt die Mindeststrafe sechs Monate Haft.

Ebenfalls in Verbindung mit der Armenier-Frage habe der Generalstaatsanwalt laut "Internationaler Gesellschaft für Menschenrechte" (IGFM) am 3. Dezember die fünf Kolumnisten Ismet Berkan, Murat Belege, Erol Katircioglu und Haluk Sahin vom Mitte-Links-Blatt "Radikal" sowie Hasan Cemal von der Tageszeitung Milliyet angeklagt. Die ebenfalls von mehrjährigen Gefängnisstrafen bedrohten Journalisten hatten im September das gerichtliche Verbot einer Historiker-Konferenz zum Armenier-Völkermord kritisch kommentiert. Ihnen soll ab Februar 2006 wegen "Herabwürdigung der Gerichtsbarkeit" der Prozess gemacht werden.

Die IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) sieht die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei gefährdet: "Gerade in den letzten Monaten nach Verhandlungsbeginn mit dem EU-Kandidaten Türkei am 3. Oktober 2005 ist ein deutlicher Rückschritt in der Presse- und Meinungsfreiheit erfolgt", so IGFM-Vorstandsprecher Martin Lessenthin.

Die IGFM erinnert aus aktuellem Anlass daran, dass die Türkei den "Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte" nur mit Vorbehalten gegenüber Minderheiten-Rechten unterzeichnet hat. Das EU-Parlament hatte vor wenigen Monaten die Anerkennung des Völkermordes durch den türkischen Staat zur EU-Beitrittsbedingung erklärt.

Laut Aussage der IGFM sind die Verfolgungen armenischer und assyrischer Christen durch Türken gegen Ende des Osmanischen Reiches noch immer ein Tabu-Thema in der Türkei. Türkei - reif für die EU ?

Vorschläge zur Verfassungsänderung unerwünscht

Auch die früheren Regierungsberater Baskin Oran und Ibrahim Kaboglu stehen demnächst vor dem türkischen Gericht. Im Rahmen einer Studie hatten die beiden Professoren eine Anpassung der Minderheiten- und Menschenrechtsgesetzgebung an EU-Standards und eine neue Verfassung gefordert. Bereits den Vorschlag zu machen, den Verfassungs-Artikel 3 zu ändern, ist in der Türkei aber strafbar. In Artikel 3 heißt es: "Der türkische Staat, mit seinem Land und seiner Nation, ist unteilbar und seine Sprache türkisch."

Quelle: www.kepnet.info

AREF, 16.12.2005

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