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Das Kalenderblatt

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KW 20 / 2024

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Die Ungewollten *)

Vor 85 Jahren: St. Louis verlässt mit 937 Juden den Hamburger Hafen

Das Passagierschiff „St. Louis“ umgeben von zahlreichen kleineren Schiffen im Hafen von Havanna, Kuba
Das Passagierschiff „St. Louis“ umgeben von zahlreichen kleineren Schiffen im Hafen von Havanna, Kuba Foto: wikipedia.de, public domain
Gedenktafel zur Erinnerung an die Irrfahrt der St. Louis auf der rechten Seite des Durchgangs zu Brücke 3 der St. Pauli-Landungsbrücken
Gedenktafel zur Erinnerung an die Irrfahrt der St. Louis auf der rechten Seite des Durchgangs zu Brücke 3 der St. Pauli-Landungsbrücken.
Text der Inschrift: "Am 13. Mai 1939 verließen über 900 Flüchtlinge - fast alle waren deutsche Juden - den Hamburger Hafen mit dem deutschen Schiff "St. Louis", das sie nach Kuba bringen sollte, um der national-sozialis5ischen Verfolgung zu entkommen. Ihre Hoffnung zerbrach, als die kubanische Regierung die Einreiseerlaubnis zurückzog. Nach tagelanger Ungewissheit konnten lediglich 23 jüdische Passagiere in Havanna einreisen. Auf der Suche nach einem Aufenthaltsland zur Retttung der auf dem Schiff verbliebenen Flüchtlinge unternahm Kapitän Gustav Schröder eine vieltägige Irrfahrt mit der "St. Louis". Die Weltöffentlichkeit wurde auf das Schicksal der Verzeifelten Passagiere aufmerksam. Die Reise der "St. Louis endete am 17. Juni 1939 im Hafen von Antwerpen, denn die Niederlande, Großbritanien, Frankreich und Belgien gewährten den Passagieren Zuflucht. Später gerieten dennoch zwei Drittel von Ihnen in die Gewalt der Nationalsozialisten, die sie dann zu Hunderten ermordeten."
Dass auch die USA und Kanada die Aufnahme der Flüchtlinge verweigerte, ist nicht erwähnt. Foto: wikipedia.de unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

13.05.1939: Die „St. Louis“, ein Passagierschiff der Hamburg-Amerika-Linie, verlässt den Hamburger Hafen mit Ziel Kuba. An Bord befinden sich 937 Passagiere, nahezu ausnahmslos Juden, die aus Nazi-Deutschland flüchten.

Nach 14 Tagen erreicht das Schiff Havanna. Obwohl die Passagiere Touristenvisa für Kuba haben, verweigern die Behörden die Einreise und das Anlegen am Pier. Nach zähen Verhandlungen des Kapitäns dürfen schließlich 29 Passagiere von Bord. Am 2. Juni muss das Schiff Kuba verlassen und kreuzt vor der Küste Floridas. Doch alle Versuche, die Einreise der Flüchtlinge in die USA zu erwirken, scheitern, auch US-Präsident Roosevelt lehnt sie ab.

Nachdem ihnen vor Kanada das Gleiche passiert, soll die St. Louis auf Anweisung der Reederei nach Hamburg zurückkehren. Schließlich gelingt es dem Kapitän, seine Passagiere nach fünf Wochen Odyssee in Antwerpen an Land zu bringen, von wo sie auf Großbritannien, Frankreich, Holland und Belgien verteilt werden.

Mit der Besetzung Belgiens, der Niederlande und Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht im Sommer 1940 gerät die Mehrzahl der Flüchtlinge wieder in den Herrschaftsbereich des NS-Regimes. So überleben die meisten Flüchtlinge der St. Louis den 2. Weltkrieg nicht.

 

* * *

 

Nach dem Krieg, als immer mehr Juden in das Land ihrer Vorväter flüchteten, war in den gerade gegründeten Vereinten Nationen der Druck groß, dort eine politische Lösung zu finden. Doch nachdem die Briten das größere Ostjordanland, das heutige Jordanien, bereits 1922 einem arabischen Emir überlassen hatten, gab es 1947 beim Teilungsplan in einen jüdischen und einen arabischen Staat nicht mehr viel zu verteilen. Doch die jüdische Bevölkerung akzeptierte den schmalen Küstenstreifen und gründete dort den Staat Israel.

Wenn es heute heißt, „das Existenzrecht Israels“ sei nicht verhandelbar, hört wohl nicht nur der Journalist und Buchautor Henryk M. Broder das Gegenteil heraus. In seiner Dankesrede zum Ludwig-Börne-Preis 2007 stellte er dazu die Frage: „Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Nachbar Ihnen jeden Tag versichern würde, er habe nicht vor, Sie umzubringen, Ihre Frau zu vergewaltigen und hinterher Ihr Haus abzufackeln?“

Autor: Uwe Schütz
Sprecher: Heiko Müller

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*) „Die Ungewollten – Die Irrfahrt der St. Louis“ heißt ein deutscher TV-Film über die Ereignisse, der am 21. Oktober 2019 in der ARD zum 1. Mal ausgestrahlt wurde.

mehr bei uns aus der Zeit: mehr bei uns über Flucht und Vertreibung des jüdischen Volkes:
1934 : Protest gegen national-sozialistische Einheitskirche
1937 : Zeppelin-Katastrophe in New-York
1937 : Einweihung der Golden-Gate-Bridge
1938 : Erste Kunstfaser
1938 : Reichsschulpflichtgesetz
1938 : Abriss der Nürnberger Synagoge
1939 : Die Irrfahrt der St. Louis mit deutschen Juden
1939 : Erstes Düsenflugzeug der Welt
1939 : Deutschlands Überfall auf Polen (1. Weltkrieg)
1941 : Deutscher Überfall auf die Sowjetunion
1941 : Kriegseintritt der USA
1942 : Nazis beschließen das Schicksal der Juden in Europa
1942 : 1. atomare Kettenreakion - Beginn des Atomzeitalters

173 : Das jüdische Volk verliert das letzte Stück Boden
1897 : Gründung des politischen Zionismus
1920 : Aufteilung des Osmanischen Reichs
1929 : Massaker in Hebron
1938 : Abriss der jüdischen Synagoge in Nürnberg
1939 : Die Irrfahrt der St. Louis mit deutschen Juden
1942 : Nazis beschließen das Schicksal der Juden in Europa
1943 : Auflösung des Warschauer Juden-Ghettos
1945 : Gründung der arabischen Liga
1947 : Flüchtlingsschiff Exodus startet ins britische Mandatsgebiet Palästina
1947 : UN-Teilungsplan
1948 : Gründung des Staates Israel

1994 : Autonomie-Abkommen zwischen Israel und PLO

2005 : Abzug der Israelis aus dem Gaza-Streifen

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