Deutsche Einheit?
              Vor 10 Jahren: Der "Tätervolk"-Polit- und Medienskandal
              
                 
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                    Martin 
                      Hohmann 
                      *04.02.1948 in Fulda, verheiratet, 3 Kinder 
                      Wegen seiner umstrittenen Rede am 3. Oktober 
                      2003 wurde er aus der CDU ausgeschlossen 
                      Quelle: www.martinhohmann.de 
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              03.10.2003: Im Bürgerhaus 
                von Neuhof bei Fulda hält der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin 
                Hohmann eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Er spricht 
                über Deutschland und seine "schwierige Beziehung" 
                zu sich selbst. 
              Dies regt niemanden 
                auf, weder die 150 Besucher, noch die Lokalpresse.  Aber 
                vier Wochen später meldet die "Tagesschau "(ARD, 
                30.10.2003), die Äußerungen Hohmanns sorgten für 
                Wirbel. Die Online-Ausgabe der Tagesschau verkürzt die Informationen 
                auf die Schlagzeile: "CDU-Abgeordneter nennt Juden Tätervolk'". 
                In Windeseile wird die Nachricht von allen Agenturen verbreitet. 
                 
              Am Tag darauf (31.10.2003) 
                erklärt Hohmann, dass er weder Deutsche noch Juden als Tätervolk 
                bezeichnet und dass er bedauere, wenn er durch seine Rede Gefühle 
                verletzt habe. Trotzdem äußert die CDU-Chefin Angela 
                Merkel Zweifel an der demokratischen Grundhaltung Hohmanns, und 
                der Zentralrat 
                der Juden in Deutschland stellt gegen den Bundestagsabgeordneten 
                Strafanzeige wegen Volksverhetzung. 
              Was der Abgeordnete 
                in seiner Rede zum 3. Oktober gesagt habe, sei "das Schlimmste 
                an Antisemitismus", was er in den vergangenen Jahren gehört 
                habe, erklärt der Zentralrats-Vorsitzende Paul Spiegel. Nur 
                zwei Wochen vor der Rede Hohmanns hatte er selbst Deutschland 
                als "Land der Täter" bezeichnet. 
              Am 4. November 
                entlässt Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) einen Brigade-General 
                (Reinhard Günzel, Chef der Elite-Einheit KSK = Kommando Spezialkräfte), 
                weil er das Ansehen der Bundeswehr beschädigt habe. Er hatte 
                Hohmann in einem persönlichen Brief "Mut zur Wahrheit 
                und Klarheit" bescheinigt. 
              Am 10. November wird 
                Hohmann aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausgeschlossen. Viele 
                Politiker - auch der eigenen Partei - fordern daraufhin, die CDU 
                müsse sich ganz von Hohmann trennen.  
              Obwohl Tausende in 
                Briefen, E-Mails und Anrufen in der CDU-Zentrale in Berlin seine 
                volle Rehabilitierung fordern - darunter auch viele Juden - und 
                Hohmann immer wieder betont, dass er seine politische Heimat nur 
                in der CDU 
                sieht, wird er zur 
                "Schadensbegrenzung" über Landes- und Bundesparteigericht 
                am 04.11.2004 aus der CDU ausgeschlossen.  
              Laurenz Meyer, 
                ihr Generalsekretär, fasst die Partei-Asuschluss-Entscheidung 
                mit den Worten zusammen: "Herr Hohmann hat mit seiner Rede 
                und seinem Verhalten erheblich gegen die Grundsätze und Ordnung 
                der Partei verstoßen und ihr schweren Schaden zugefügt." 
                Nur einer der fünf Parteirichter (RA 
                Friedrich W. Siebeke, bis dahin stellvertretende Vorsitzende des 
                CDU-Bundesparteigerichts) hatte mit einer "abweichenden Meinung" 
                votiert. 
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              Es steht nicht gut 
                um Meinungsfreiheit, politische Streitkultur und journalistische 
                Arbeit in Deutschland. Die fatale Falschaussage der Medien wurde 
                zwar vom 
                Oberlandesgericht Frankfurt gerügt, nicht aber von der 
                eigenen Partei. Und dass die Staatsanwaltschaft nach eingehender 
                Prüfung der Rede zu dem Ergebnis kommt, dass kein Straftatbestand 
                vorliegt, ist der Presse nur eine kurze Notiz wert. 
              Natürlich war 
                Hohmanns Rede am Tag der deutschen Einheit nicht unproblematisch, 
                aber bei ihrer "Aufarbeitung" wurde mindestens gegen 
                drei Artikel unseres Grundgesetzes 
                verstoßen. Der Fall Hohmann zeigt, meine ich, einmal mehr, 
                dass wir noch sehr daran arbeiten müssen, uns fair mit Sachfragen 
                und Meinungen auseinander zu setzen - ob nun in der Politik, in 
                der Gemeinde oder in der Familie. 
              Uwe Schütz 
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