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"Mit Jesus an die Front"

"Die Zeit" berichtet über den Zusammenprall zweier christlicher Strömungen in Herrnhut

21.12.07: "Mit Jesus an die Front" ist ein Artikel in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" überschrieben, der sich mit dem Zusammenprall zweier christlicher Strömungen im sächsischen Dorf Herrnhut beschäftigt. Autorin Claudia Keller ist für die Recherche sogar dorthin gereist.

Herrnhut ist ein 2.500-Seelen-Dorf in Sachsen, das vor 285 Jahren von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf gegründet wurde, damit Flüchtlinge aus Böhmen (Tschechien) und Mähren (Slowakei), die in Folge der Gegenreformation wegen ihres Glaubens verfolgt wurden, neue Heimat finden. In der Herrnhuter Brüdergemeine finden sich so unter Zinzendorfs Leitung überzeugte Christen aus verschiedenen Konfessionen zu einer Glaubens- und Lebensgemeinschaft zusammen. Seit 1731 geben sie das Losungsbüchlein heraus.

Die Zeit: JMEM hält sich für die einzig authentischen Nachfolger des Grafen von Zinzendorf

"Die Zeit" berichtet, dass sich vor drei Jahren die "charismatisch" geprägte Organisation "Jugend mit einer Mission" (JMEM) ebenfalls in dem Dorf in der Oberlausitz angesiedelt hat "und einen kleinen Kampf der Kulturen ausgelöst". Denn kaum sei die JMEM in Herrnhut angekommen, habe sie sich im Internet als der einzig authentische Nachfolger des Grafen von Zinzendorf ausgegeben, schreibt "Zeit"-Autorin Keller.

Seit 285 Jahren habe die Herrnhuter Brüdergemeine die Stadt geprägt, 500 Mitglieder habe die Brüdergemeine heute, noch heute betreiben sie hier das Altenpflegeheim, ein Zentrum für Behinderte und die große Werkstatt für Weihnachtsschmuck. Doch christlichen Brunnen hier seien »verschüttet« worden, meint JMEM, und müssten »wieder ausgegraben werden«. Diese "kalkulierte Provokation gegen die Konkurrenz" sei bei der Brüdergemeine nicht gut angekommen. Unterschiedliche Auffassungen von Glaube und Mission hätten ein Übriges getan und einen Konflikt entstehen lassen, "der im Kleinen zeigt, was das Christentum im Großen beschäftigt": Was macht einen guten Christen aus, wie wörtlich ist die Bibel zu nehmen, welcher Weg führt zu Gott und wie vermittelt man diesen Weg Nichtchristen?

Auch die Brüdergemeine hat von Herrnnhut aus immer schon missioniert, hat weltweit inzwischen 825.000 Mitglieder, die meisten sind in Tansania und anderen afrikanischen Staaten zu Hause, aber auch in Südamerika, Alaska und Russland gibt es größere Gruppen. Folglich entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun andere, ganz andere Christen nach Herrnhut gekommen sind, um die Brüdergemeine ausgerechnet hier herauszufordern. Und weiter heißt es wortlich:

»Die charismatische Erneuerung zieht sich durch ganz Deutschland«

»Missionare an der Front, das ist mir total zuwider«, sagt der Bischof und streicht sich über den grauen Bart. »Es wäre verheerend, wenn Herrnhut künftig mit geistigen Kampfeinsätzen und Missionstruppen verbunden würde, die das Feld aufräumen.«
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Einer der Leiter der »Jüngerschaftsschule«, Thomas Huck, ist schließlich doch zum Gespräch bereit. Drei Monate lang würden die jungen Missionare auf ihren Einsatz »im Busch« vorbereitet, sagt er, und hält Erfolgszahlen bereit: In 200 Ländern verfüge die Organisation über 800 Missionszentren und 15000 feste Mitarbeiter. Jährlich würden 100.000 junge Männer und Frauen zum ehrenamtlichen Dienst fortgebildet.

Warum hat man ausgerechnet Herrnhut als Ort für eine »Jüngerschaftsschule« gewählt? »Gott hat es uns ins Herz gelegt«, sagt Huck.

Ein solch direkter Draht zum Herrn ist der Brüdergemeine eher unheimlich. Vor allem macht er sie ratlos. »Ich würde ja gerne mit denen diskutieren«, sagt Bischof Clemens. »Aber dann heißt es nur, der Heilige Geist hat uns dieses geraten und jenes. Das kann man nur hinnehmen.«

Die Brunnen neu ausgraben...?

Als ich dies las, war ich erst einmal sprachlos und dann habe ich selbst im Internet recherchiert. Ganz schnell hatte ich den offiziellen Webauftritt von Jugend mit einer Mission Herrnhut gefunden. Er heißt www.mission-live.de. Gleich auf der Startseite heißt es:

"Wir wissen, dass junge Leute dazu fähig sind, die Welt zu verändern! Mit der Jüngerschaftsschule wollen wir dir helfen, Gottes Vision für ein Leben zu erkennen."

Der Frage "Warum Herrnhut" ist eine eigene Webseite gewidmet. Dort ist ausfürchlich beschrieben, wie man denn Gottes Willen herausgefunden haben will. Und tatsächlich meint man, "die Brunnen neu ausgraben" zu müssen:

"Jetzt stehen wir vor großen Herausforderungen, die wir nicht ohne Hilfe meistern können. Es ist die Gelegenheit mitzubauen, das Erbe Zinzendorfs - die Weltmission - voranzutreiben. Die Brunnen, die vor allem durch die verheerenden Ereignisse der Vergangenheit und durch den Liberalismus der modernen Theologie verschüttet wurden, müssen neu ausgegraben werden. Dieses Wort aus 1. Mose 26 hat uns während des ganzen Prozesses immer begleitet. Wir wollen die Christen in Deutschland bitten, mit uns in dieser Sache zu glauben und zusammenzuarbeiten. Werde auch du ein Teil und baue mit uns nach Nehemia 2,20!"
Quelle: http://www.mission-live.de/warum_herrnhut.html

Am Rande der Großveranstaltung "Calling All Nations" 2006 in Berlin, bei der auch zwei Landeskirchler zum Leitungskreis gehörten, mahnte der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Pfarrer Reinhard Hempelmann (Berlin), eine Klärung an, „wie weit die Koalition zwischen Evangelikalen und Charismatikern reicht“. „Es ist jedoch zu fragen, ob nicht längst die Zeit gekommen ist, auch Unterscheidungen und Abgrenzungen gegenüber charismatischen Extremformen auszusprechen, zum Beispiel falschen Prophetien, unrealistischen Versprechungen und einem problematischen Machtbewusstsein.“ mehr

Uwe Schütz, AREF, 21.12.2007

mehr bei uns:
EZW: Wie weit reicht die Koalition von Evangelikalen und Charismatikern?
2006: "Die Zeit" über die "Faszination" der charismatischen Bewegung
2006: Calling All Nations im Berliner Olympia-Stadion
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf