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Karfreitag

gesendet am 2. April 2010 von Dr. Hans Frisch
 

Die Passionszeit geht heute zu Ende - besser: Sie kommt ans Ziel, denn auf Karfreitag ist sie ausgerichtet. "Sorge", "Kummer" bedeutet "Kar", und voll Kummer und Sorge dürften die damals Betroffenen gewesen sein.

Dabei sah alles so gut aus, voller Hoffnung, Zuversicht und Begeisterung. Wie der verheißene Nachkomme des Königs David war Jesus auf dem Esel in die Stadt eingeritten; "Hosianna, gelobt sei der kommt, der König von Israel" hatten die Pilgerscharen gerufen und ihre Palmwedel vor ihm niedergelegt; die Händler und Geldwechsler hatte er aus dem Tempel gepeitscht, und niemand hatte gewagt, ihn zu hindern; souverän beantwortete er nicht nur die Fragen der Priesterschaft, er erzählte aggressiv provozierende Gleichnisse. Er blamiert die ach so frommen Pharisäer, als sie ihm eine Frage nach dem Zahlen der Steuern an die Römer stellen. "Ihr tragt ja das Bild des römischen Gottkaisers in der Tasche" sagt er, als sie ihm einen Zinsgroschen zeigen.

Da war kein Grund für Angst zu erkennen, eher waren die Jünger angesteckt von der Kampfstimmung ihrer galiläischen Landsleute. Auch die apokalyptischen Reden von der anbrechenden Endzeit beunruhigten nicht allzu sehr, denn so sollte ja die Endzeit kommen - die siegreich enden würde. So vergingen die Tage vom Palmsonntag bis zum Donnerstag.

Die letzte Feier beginnt wie das Passamahl, aber plötzlich ist alles anders

Ein Freund hatte einen großen Raum zur Verfügung gestellt für das festliche Abendessen zum Passah - und da ändert sich plötzlich alles. Mit größtem Ernst beginnt das Mahl. Man kann lange streiten, ob es sich um ein Passamahl handelte, doch wer ein Sedermahl in einer jüdischen Gemeinschaft mitfeiert, der kann meinen, er ist beim Abendmahl. Es wird das Brot gebrochen, gesegnet und herumgereicht, "Dies ist das Elendsbrot, das unsere Väter in Ägypten aßen"; es wird ein Becher mit Wein gefüllt, gesegnet und herumgereicht. Bittere Kräuter sind Symbol für das Leiden des Volkes in Ägypten, und Salzwasser: "Das sind die Tränen, die unsere Väter vergossen."

Doch Jesus gibt dem Brot und Wein eine eigene symbolische Bedeutung: "Dieses Brot ist mein Leib der für euch gebrochen wird" - und der Wein ist Symbol des neuen Bundes, der durch sein Blut geschlossen wird - so wie der Bund Gottes mit seinem Volk durch das Blut von Opfern besiegelt wurde - damals durch Mose.
Und von Verrat sprach er, der ihn ausliefern wird. "Da wurden sie sehr betrübt."

Nachdem sie den Lobgesang gesungen hatten, mit dem ein Passahmahl abgeschlossen wird, da gingen sie hinaus an den Ölberg, in einen Garten unten im Tal. Jesus weiß, dass die Jünger nicht begreifen können, was jetzt kommt, und dass sie sich alle an ihn ärgern werden. Das war ja auch zum sich Ärgern: Der Messias, der König von Israel, lässt sich kampflos verhaften, verurteilen und hinrichten. Selbst der so tapfere Petrus versagt jämmerlich, als es soweit ist. Den schwersten Kampf, den Jesus dort im Garten Gethsemane durchgestanden hat, den hatte er verschlafen.

Es war die letzte Möglichkeit, dem Kreuz zu entgehen:, Flucht über den Ölberg, hinunter ins Jordantal und hinüber nach Peräa, wo ihn die Tempelpolizei nicht verhaften kann. Doch im dreimaligen, angstvollen Gebet nimmt er den Kelch des Leidens an, nach dem Willen des Vaters. Dann kommt das Verhaftungskommando, von Judas geführt, und dann nimmt die Geschichte ihren Verlauf - und hat die Geschichte der Menschheit beeinflusst, wie kaum eine andere Geschichte.

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Dreimal hatte Jesus zum Vater gerufen, blutigen Angstschweiß hatte er vergossen, doch er beugte sich unter Gottes Willen. Was ist das für ein Gott, der einen solchen Willen hat und auf einem solchen Willen besteht?

Die Kreuzigung ist die furchtbarste Hinrichtungsart, die Menschen je erfunden haben

Man braucht nicht die kranke Fantasie eines Mel Gibson, der die Geschichte als Gruselfilm zeigte - auch nüchtern betrachtet ist die Kreuzigung die furchtbarste Hinrichtungsart, die Menschen erfunden haben. Jesus kannte sie, denn es wurde oft gekreuzigt damals. Und gerade in diesen Tod will Gott ihn schicken - schwer zu verstehen, damals, im Laufe der Kirchengeschichte und auch heute. Allenthalben werden Stimmen laut, auch in der Kirche: "Gott braucht keine Sühneopfer. Jesus war ein Opfer der Römer, und allenfalls hat Gott gezeigt, dass er auf Seiten der Opfer steht" - so und ähnlich. Seitenweise kann man die Argumentationen im Internet verfolgen.

Begonnen hat das früh. Augustinus hat wohl die Weichen gestellt, vor 1.600 Jahren, 400 Jahre nach jenem Freitag. "Sündenfall" nannte er die Geschichte vom Schritt des Menschen aus der paradiesischen Unschuld in die verantwortliche Freiheit, und alle Nachkommen Adams bis auf uns haben diese Sünde geerbt, von Geburt an! Erst das Opfer Jesu am Kreuz hat Gott gnädig gestimmt, er hat die Erbsünde gesühnt. Wenn das Kind das Sakrament der Taufe empfängt, ist es von diesem Erbe völlig befreit. Durch Beichte und Absolution kann der Mensch dann immer wieder Zugang zum heiligen Gott finden im Sakrament der Eucharistie, dass ihm Anteil gibt am Sühneopfer Jesu, durch seinen Leib und sein Blut in Brot und Wein.

Es gab in der Kirchengeschichte immer wieder Widerspruch gegen dieses sakrale Gebäude, das auf dem Fundament der Erbsünde gründet, doch war es lange Zeit nicht zu erschüttern. Zu tief war die Höllenangst eingepflanzt und das Angebot des Heils kam einladend, festlich und mit Autorität einher - und war auch erschwinglich. Doch wehe den Zweiflern und den Angreifern! Sie bedrohten nicht nur die Macht der Kirchenhirten sondern den Seelenfrieden der Schafherde. Mit Feuer und Schwert mussten sie ausgerottet werden.

Noch einmal: Fundament des Ganzen ist der Sündenfall und die Erbsünde. Und die Säulen sind die von der Kirche verwalteten Sakramente, vor allem die Eucharistie als Messopfer, in dem das Sühneopfer Jesu präsent ist. Verständlich, dass in einer Zeit, in der die Höllenangst verblasst wo Sündenfall und Erbsünde mehr und mehr zur Legende werden, auch das Sühneopfer seine Bedeutung verliert, ja, zum Ärgernis wird.

Doch, Karfreitag ist ein geschichtliches Datum mit ungeheuren Auswirkungen auf den Gang der Geschichte, zu wichtig, um es zu vergessen oder zu verdrängen, und AREF als Sender der evangelischen Freikirchen, die zu den einst mit Feuer und Schwert verfolgten Kritikern kirchlicher Macht und kirchlichen Machtmissbrauchs gehören, AREF kann vielleicht doch etwas dazu sagen.

* * * Musik * * *

Begriffe wie "Sündenfall", "Erbsünde" und "Sühneopfer" kommen in der Bibel nicht vor

Zunächst: "Sündenfall", "Erbsünde" und "Sühneopfer" kommen in der Bibel nicht vor, "Sündenfall" nur als eingefügte Überschrift. Lediglich eine neuere Übersetzung benutzt "Sühneopfer" für das Wort "Sündopfer", als wäre es dasselbe. Das ist es aber nicht!

Wenn eine Schuld gesühnt wird, dann wird ein Schaden zugefügt dessen Größe der Schuld entspricht, oder es wird eine entsprechende Sühneleistung gefordert - erst danach ist die Schuld gesühnt, und Versöhnung ist möglich. Ein Sühneopfer für die angehäufte Schuld der ganzen Menschheit müsste dann schier unendlich groß und wertvoll sein, mindestens ein Gott oder "Gottessohn" müsste sich opfern in einem grausamen Sterben.

Das Sündopfer ist etwas ganz anders

Das Sündopfer ist ganz anders: gestiftet wurde es am Sinai, als der heilige Gott einen Bund schloss mit seinem Volk. Die Bedingung war: "Ich bin heilig, und ihr sollt heilig sein." Die Grenze um dieses heilige Volk, das war das Gesetz - eine Tabugrenze wie um jedes Heiligtum. Doch hier wurde nicht das Heiligtum abgegrenzt vom Volk, sondern das Volk eingeschlossen ins Heilige. Das konnte unmöglich gut gehen - mit diesem Volk schon gar nicht, denn, wer die Grenze, wer das Gesetz übertritt, der ist draußen.

Doch es gibt einen Weg zurück: Wer "inne wird", dass er draußen ist und das Heilige weiter als heilig anerkennt, der darf umkehren - ein Tier aus seiner Herde, eine Ziege oder ein Lamm, bringt er mit, oder auch nur zwei Turteltauben wenn er keine Herde hat. Vor dem Heiligtum legte er dem Tier seine Hand auf den Kopf und schlachtet es, der Priester kommt aus dem Heiligtum, nimmt etwas von dem Blut und streicht an die Hörner des Altars - die Vorsprünge an den vier Ecken - "und ihm wird vergeben!"

Gott will keine Opfer

Versöhnung geschieht durch Vergebung, das ist Sinn und Ziel des Sündopfers. Nicht Gott hat es nötig, der schuldige Mensch ist hier an dem Ort und in der Haltung, wo er die Vergebung erfahren kann, so intensiv, dass sie ihn verändert.

Opfer ohne diese Haltung stinken Gott, und ein Mensch in dieser Haltung braucht kein Opfer, um Vergebung zu erhalten. Was da geschieht ist nicht die Reparatur einer gestörten Beziehung, es gibt der Beziehung eine neue Qualität, eine größere Reife.

Die Geschichte des Volkes Israel im Alten Testament ist die oft dramatische Geschichte eines solchen Reifungsprozesses: Schuld führt in die Katastrophe, das Erschrecken zur Umkehr und die Vergebung zum Neuanfang - und dabei wächst die Sehnsucht, die Hoffnung auf eine bleibende Heilung, auf das Heil - "Reich Gottes" wird diese Vision genannt.

Der Prophet Jeremia hat die Schau des neuen Bundes, der dadurch kommt, dass das Gesetz nicht mehr von außen wirkt sondern in Herz und Sinn geschrieben ist, durch die komplette Vergebung der Schuld.

"Dies ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden für viele", so sagt Jesus beim letzten Abendmahl - und dann geht er und stirbt als Lamm Gottes, als Sündopfer das geschlachtet ist für jeden, der gewissermaßen seine Hand auf das blutige Haupt des Gekreuzigten legt und bekennt: "Für mich!" Für ihn wird der Geopferte zum Hohen Priester der ihm zuspricht: "Dir ist vergeben!"

Ostern ist das Siegel Gottes auf dieses Sündopfer, das er nicht nötig hat, das aber unsere Beziehung zu ihm heilt, auch die Beziehung zu uns selbst und zu denen, an denen wir schuldig wurden oder die an uns schuldig wurden.

Du hast das nicht nötig? Das macht nichts! Schon damals am Kreuz wurde er verspottet und ausgelacht. Sein Gebet: "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun", das gilt auch für dich. Du brauchst keine Angst zu haben, dass er dich straft - doch wirst du nicht erleben, was er dir geben will und geben kann! Und er wartet geduldig, ob Du nicht doch noch umkehrst und zu ihm kommst. Immer wenn du ein Kreuz siehst, wirst du daran erinnert.

Dr. Hans Frisch

mehr bei uns:
Stationen im Leben Jesu : Der Weg in die Passion - Golgatha

"Kruzifix-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts (1995) in unserem Kalenderblatt