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AREF-Medien-News

Günther Jauch in der ARD

„In Gottes Namen"?

"Wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?“ fragte gestern Günther Jauch (ARD)

03.02.2013: Ab 21.45 Uhr in der ARD: GÜNTHER JAUCH - „In Gottes Namen – wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?“ Gäste, von links: Journalistin Eva Müller, Journalist und Theologe Peter Lohmann, NRW- Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Caritas- Präsident Peter Neher und Gynäkologe Dr. Bernhard von Tongelen
03.02.2013: Ab 21.45 Uhr in der ARD: GÜNTHER JAUCH - „In Gottes Namen – wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?“ Gäste, von links: Journalistin Eva Müller, Journalist und Theologe Peter Lohmann, NRW- Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Caritas- Präsident Peter Neher und Gynäkologe Dr. Bernhard von Tongelen Foto: Screenshot von ARD / AREF

04.02.2013: Unter dem provokativen Titel „In Gottes Namen – wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?“ diskutierte Günther Jauch am gestirgen Sonntagabend in seiner gleichnamigen mit seinen Gästen Eva Müller, , Chefredakteur von K-TV Peter Lohmann, NRW- Gesundheitsministerin Barbara Steffens, Caritas- Präsident Peter Neher und Gynäkologe Dr. Bernhard von Tongelen in der ARD.

Die Kirche entfremde sich immer mehr von ihren Mitgliedern, sagte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen). Prälat Peter Neher, Präsident des deutschen Caritas-Verbandes, hielt dem entgegen, dass die Kirche derzeit eine intensive Diskussion darüber führe, Werte wie die Ehe einerseits und die Lebenswirklichkeit vieler Menschen andererseits zusammenzubringen.

In der Sendung ging es aber nur um Kirche als Dienstleister. Im Wesentlichen ging es in der Sendung im den Fall jener jungen Frau aus Köln, die nach einer Vergewaltigung Mitte Januar gleich bei zwei katholischen Krankenhäusern abgewiesen wurde.

Peter Neher zeigte sich entsetzt über den Vorfall: „Es stimmt nicht mit unseren Richtlinien überein. Katholische Krankenhäuser tun alles, um betroffenen Frauen in so einer Situation zu helfen. Deswegen bin ich dankbar über die klaren Entscheidungen der Krankenhäuser und auch des Kölner Kardinals.“ Gesundheitsministerin Steffens bestätigte: „Wir konnten nicht dokumentieren, dass es eine systemische Anweisung des Trägers war.“

Die Veröffentlichung des Bistums Köln wurde sehr unterschiedlich interpretiert

Äußerst aufschlussreich war, wie unterschiedlich die Diskussionsteilnehmer die Veröffentlichung des Kölner Kardinal zur "Pille danach" interpretierten. Nach einem Einspieler zur "Pille danach" fragte Günther Jauch: "Herr Lohmann, was gilt? Kann die Pille danach verschrieben werden oder gilt weiterhin die Null-Toleranz-Grenze?". Darauf der katholische Theologe und Journalist:

"Man sieht an Ihrem Beitrag, wie schwierig das Thema ist und wie schnell eine gut gemeinte Botschaft auch missverstanden werden kann. Die Lehre der Kirche hat sich nicht geändert. Die Lehre der Kirche ist immer eindeutig. Sie sagt: Für das Leben. Gegen die Tötung. Das gilt auch im Blick auf die Pille danch. Wenn Sie heute ins Internet gehen - heute, dann werden Sie feststellen, dass viele der Wissenschaftler, die sich in den letzten Tagen noch sehr großmundig geaußert haben, dass es eine Pille gibt, die tatsächlich eine Befruchtung verhindert - nach einer Vergewaltung, dass es eine solche Pille gar nicht gibt, die nur eine Befruchtung verhindert. Es wird heute Nachmittag im Internet ganz aktuell (berichtet), wie die Wissenschaftler die Rolle rückwärts machen und sagen: Das können wir nicht ausschließen. Und die Kirche sagt immer ganz deutlich, wenn wir nicht ausschließen können, das (bereits) bestehendes Leben getötet wird, dann müssen wir vorsichtshalber sagen: Dann nicht. Und der Kardinal von Köln hat in seiner Erklärung sehr differenziert argumentiert. Was rüber gekommen ist in unserer Mediengesellschaft leider ist: Die Kirche erlaubt die Pille danach. Keineswegs (!) wird die Pille danach erlaubt."

03.02.2013: Günther Jauch tat sich mit der gradlinigen Meinung und klaren Äußerungen von Peter Lohmann (links vorne) schwer und hakte immer wieder nach.
03.02.2013: Günther Jauch tat sich mit der gradlinigen Meinung und klaren Äußerungen von Peter Lohmann (links vorne) schwer und hakte immer wieder nach. Foto: Screenshot von ARD / AREF

Jauch unterbricht: "Aber was hat er denn jetzt erlaubt?

Peter Lohmann:

"Er hat gesagt: Wenn es eine Pille gibt [...], die ausschließlich die Befruchtung verhindert, dann könnte sie erlaubt werden. Eine solche "Pille danach" ist aber bis heute nicht nachgewiesen. In Deutschland gibt es sie noch nicht."

Daraufhin wendet sich Günther Jauch hilfesuchend an den Mediziner mit dem Hinweis, dass dann das Wort des Kardinals nichts wert wäre, wenn es eine solche Pille nicht gibt. Dr. Bernhard von Tongelen stellt klar: "Es ist auf jeden Fall so [...], dass wenn der Eisprung bereits stattgefunden hat, dann wirkt die "Pille danach" auch so, dass die Einnistung des befruchteten Eis in die Gebährmutterschleimhaut verhindert wird.

Einwurf von Peter Lohmann: "Das ist aber Abtreibung."

Günther Jauch: Herr Lohmann, der Kardinal Meißner äußert sich doch nicht zu Pillen die es gar nicht gibt!

Peter Lohmann stellt daraufhin klar, dass der Kölner Erzbischof eine ganz klare Haltung zum Lebensschutz und für das Leben habe und gegen jede Tötung. Bezüglich des Kölner Falles weist er darauf hin, dass die katholischen Klinken im September vergangenen Jahres aus dem städtischen System der anonymen Spurensicherung "herausgekickt worden sind, weil sie die Pille danach nicht verschreiben. Wörtlich sagt er weiter:

Ich wundere mich, dass danach auf einmal eine wissenschaftliche Neuerkenntnis in die Welt gepustet wird - auch an den Herrn Kardinal dann -, wo dann die Leute sagen: Ach so, dass wussten wir ja gar nicht. Jetzt kommen die Leute wieder etwas runter und sagen: Naja, wir müssen schon etwas differenzieren. Ich prädiere dringend dafür, in diesem Thema - und da bin ich Ihnen dankbar, dass wir darüber sprechen - zu differenzieren. Es geht um Leben und Tod. Und deshalb sollte man da nicth mit irgendwelchen Pseudoargumenten kommen, sondern mit klaren Argumenten. Kardinal Höffner, der Vorgänger von Kardinal Meissner hat einmal gesagt: Im Zweifel gilt dann die etwas strengere Richtlinie, weil es um das Leben geht."

Günther Jauch geht nicht darauf ein und unterstellt Kardinal Meisner Fehler.

Darauf Peter Lohmann: "Wenn man es genau liest, hat er es schon verstanden, aber die [...] die Medienleute sind nicht genau auf den Text eingegangen."

Nachdem Jauch bezüglich angeblicher Widersprüche in Aussagen der katholischen Kirche auch in Peter Neher (Caritas) keinen verbündeten findet, holt er zum persönlichen Großangriff aus: "Herr Lohmann, wir versetzen uns jetzt mal in die Lage einer Frau [...] Sie sich auch Vater einer Tochter. Jetzt ist da eine Frau, ein Mädchen vergewaltigt worden, die Vergewaltung wird festgestellt. Die könnte schwanger sein. Wie erklären Sie ihr, dass Sie dieses Kind bekommen soll - muss?

Peter Lohmann: Sie haben jetzt ganz bewusst meine Tochter angesprochen, damit es eine ganz persönliche dichte Frage wird (Jauch bestätigt, dass seine Frage so gemeint war) Wenn das so eine persönliche Frage ist, dann sage ich Ihnen, meine Frau und ich würden alles tun, unserer Tochter beizustehen, zu helfen und hoffentlich würden wir uns richtig verhalten. Die Lehre, dass man nicht töten darf, ... (Zwischenrufe aus dem Publikum) Die Lehre, dass man nicht töten darf, sondern dass man sich für das Leben einsetzen muss, gilt immer.

Günther Jauch: Sie sagen grad, Sie hoffen, dass Sie sich richtig entscheiden. Das heißt, Sie haben selber Zweifel, ob was in einer solchen Situation die richtige Entscheidung ist?

Peter Lohmann:

Nein, hab ich eigentlich nicht. Ich sage nur ... (Unruhe im Publikum) Können Sie garantieren, dass Sie, wenn neben Ihnen ein Verbrechen passiert, dass Sie sich so super verhalten, wie es im Gesetzbuch drin steht?

Also nocheinmal: Meine Frau und ich würden unserer Tochter oder auch einer anderen jungen Person, der so ein grausames Verbrechen passiert ist [...], alles tun um zu helfen, Heimat zu geben und zu helfen, mit diesem Schicksal klarzukommen. [...]

Auch mit lautem Gelächter ließ sich Lohmann nicht aus dem Konzept bringen

03.02.2013: Der katholische Theologe und Journalist Peter Lohmann - Bezeichnung die Bauchbinde der ARD "Martin Lohman ist gegen Abtreibung"
03.02.2013: Der katholische Theologe und Journalist Peter Lohmann - Bezeichnung auf der Bauchbinde der ARD: "Martin Lohman ist gegen Abtreibung" Foto: Screenshot von ARD / AREF

Günther Jauch: Dürfte, um mal bei dem Beispiel zu bleiben, die junge Frau, die eventuell Ihre Tochter ist, es selbst entscheiden? Sollte Sie es selbst entscheiden?

Peter Lohmann:

Die Sache mit der Selbstentscheidung einer Frau ist ja vielschichtig

(Lautes Gelächter und Gegröle vom Publikum)

Wenn Sie zuhören, was ich meine, dann können Sie vielleicht nachdenklich werden und dann ist Ihr voreiliges Lachen vielleicht nicht mehr ganz so ...

Günther Jauch: Sagen Sie uns, was Sie meinen

Peter Lohmann:

Wenn um Abtreibung diskutiert wird, wird häufig von der Selbstentscheidung der Frau gesprochen. Ja, jeder Mensch, auch jede Frau, hat das Recht und die Fähigkeit, selbst zu ...

(Lautes Gelächter und Gegröle vom Publikum)

entscheiden. Jede Frau hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob sie Mutter wird. Aber in dem Moment, wo ein Mensch entstanden ist - und das meinte ich mit "vielschichtig", ist es nicht mehr nur eine Frage über mich selbst, sondern (über) eine zweite Person, die entstanden ist. Das heißt, die Selbstentscheidung gilt bevor ein zweiter Mensch davon betroffen ist.

(Unruhe im Publikum)

Wir wissen aus der Wissenschaft, und das ist unstrittig, dass in dem Moment, in dem sich Ei und Samenzelle verschmelzen, alle Dispositionen da sind, der Mensch sich nur entfalten muss, sich wesenhaft aber nichts ändert, weil alles schon angelegt ist.

Günther Jauch:

Es ist nur so, dass man nach einer Vergewaltigung zunächst noch garnicht feststellen kann, ob denn die weibliche Eizelle schon befruchtet ist oder nicht.

Peter Lohmann:

Das wäre gut, wenn man das könnte.

Junge Journalistin spricht auch bezüglich der "Pille danach" von "Versorgung"

Die junge Journalistin Eva Müller findet vor allem die Unsicherheit bei den Ärzten problematisch. Es sei "schwierig, wenn man nicht das ganze Paket der Versorgung anbieten kann".

Für die NRW-Gesundheitsministerin ist die Stellungnahme von Kardinal Meissner klar

Weniger einig waren sich darin, was der Kölner Kardinal nun eigentlich erlaubt habe.

Barbara Steffens, Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westfalen, liest aus der Stellungnahme des Erzbistum Köln heraus, dass die Vantwortung im Vergewaltigungsfall wieder in die Hände der Ärzte gelegt ist und fordert:

Ich möchte, dass in allen katholischen Krankenhäusern sichergestellt ist, dass Frauen Zugang zur "Pille danach" bekommen." (Starker Ablaus vom Publikum)

, dass in allen katholischen Krankenhäusern sichergestellt sei, dass Frauen, die vergewaltigt wurden, die Pille danach bekommen. „Ich bin für das Leben der Frau, die das Selbstbestimmungsrecht haben sollte, ob sie von einem Vergewaltiger schwanger sein möchte oder nicht.“ Deswegen zeige der Schritt, den „Kardinal Meisner gemacht hat, für mich Stärke“.

Martin Lohmann, Theologe und Chefredakteur von K-TV, wies darauf hin, dass der Kardinal nur eine Pille erlaubt habe, die die Befruchtung verhindere. Eine solche Pille gebe es aber gar nicht. Derzeit sei der Stand der Forschung nur soweit, dass eine bereits befruchtete Eizelle zerstört werden könnte. Dies habe Kardinal Meisner allerdings nicht erlaubt. Er wünsche sich, dass es „hoffentlich bald eine Pille gibt, die ausschließlich diese Wirkung hat (Befruchtung verhindern, Anm. d. Red.)". Außerdem würde er es begrüßen, wenn der Erzbischof erkläre, was er genau gemeint habe.

Arbeitsbedingungen bei kirchlichen Einrichtungen kritisiert

Eher nebenbei ging es in der Sonntagabend-Talkrunde um die Arbeitsbedingungen bei Einrichtungen der Kirche. "Die Kirche" sei, so Jauch, mit 1,3 Millionen Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.

Die Journalistin Eva Müller beklagte, dass die Kirche als Arbeitgeber nur scheinbar „barmherzige Kompromisse“ eingehe, wenn sie beispielsweise homosexuelle Personen einstelle, solange diese sich nicht „outen“ würden. „Für die Mitarbeiter ist es am schlimmsten, dass sie keine Sicherheit haben“, sagte die Autorin der TV-Dokumentation „Gott hat hohe Nebenkosten“.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens bedauerte, dass die „Kirche sich von der Realität entfremdet“, wenn beispielsweise eine Kindergärtnerin von einem katholischen Kindergarten entlassen würde, weil sie nach ihrer Scheidung einen neuen Partner habe. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der Menschen sich von ihren Partnern trennen.“ Prälat Peter Neher von der Caritas betonte, dass eine Scheidung keinesfalls automatisch eine Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers nach sich ziehe: „Es gibt keine Automatismen.“ Beziehungen könnten scheitern, es könnte Neuanfänge geben, und genau deswegen werde derzeit innerhalb der Kirche intensiv darüber diskutiert, wie man „den Wert der Ehe einerseits und andererseits die Lebenswirklichkeit miteinander in Beziehung setzen“ könne.

Was bleibt von der Jauch-Sendung?

In der Sendung hätte allen klar werden können, dass die Wissenschaft bis heute nicht weiß, was die von ProFamilia seit Mai 2012 propagierte "Pille danach" wirklich bewirkt. Verhindert sie nur eine Befruchtung oder sorgt sie tatsächlich für einen Schwangerschaftsabbruch? Aber Jauch betonte lieber, dass Kardinal Meissner eine Pille erlaubt, die es gar nicht gibt.

Die Marschroute der Sendung war schon durch den Titel ("Im Namen Gottes – wie gnadenlos ist der Konzern Kirche?") vorgegeben. Jauch sollte nur noch den Grad der Gnadenlosigkeit erörtern. Und dazu brauchte es keine Kirchenvertreter.

Nach der Sendung bleibt für mich nur der Schock, dass in dem Sonntag-Abend-Talk ein Gast mehrfach ausgelacht wurde, ohne dass der Moderator Günther Jauch etwas dagegen gesagt hätte. Zumindest das ist einer Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unwürdig.

Autor dieser Seite: Uwe Schütz