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"Hardliner"

Ex-Ministerpräsident Yitzhak Schamir ist im Alter von 96 Jahren gestorben

Sarg von Jitzhak Schamir, dem 7. israelischen Ministerpräsidenten, in der Knesset
Der Sarg von Jitzhak Schamir, dem 7. israelischen Ministerpräsidenten, wurde am Montag, 02.06.12, in der Knesset, dem israelischen Parlament, aufgebahrt.
Foto: Yakov, Wikipedia | CC-BY-SA 3.0

03.07.2012: Der ehemalige israelische Ministerpräsident Yitzhak Schamir ist am Samstag, 30.06.2012, nach längerer Alzheimer-Krankheit im Alter von 96 Jahren in Tel Aviv gestorben. Er wurde gestern Abend auf dem Friedhof des Herzlbergs in Jerusalem an der Seite seiner Ehefrau Schulamit, die im vergangenen Jahr starb, beigesetzt. Das Paar hinterlässt einen Sohn und eine Tochter.

Schamir wurde am 15. Oktober 1915 (Datum umstritten) in der ostpolnischen Kleinstadt Ruzinoy geboren (heute Weißrussland). 1935 wanderte er als 20-Jähriger in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina ein. Durch den Holocaust verlor er fast seine gesamte Familie. Nach der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 arbeitete Schamir, der , zunächst für den Geheimdienst Mossad, in dessen Auftrag er auch mehrere Jahre in Frankreich lebte. 1974 zog er zum ersten Mal in die Knesset ein und wurde 1980 Außenminister. Schamir war zweimal israelischer Regierungschef - von 1983 bis 1984 und erneut von 1986 bis 1992. Schamir galt als "zionistischer Hardliner" (faz.net), der für einen israelischen Staat vom Mittelmeer bis zum Jordan kämpfte und Zugeständnisse an das arabische Volk ablehnte. Im Jahr 1992 zog er sich aus der Politik zurück und legte den Vorsitz der konservativen Likud-Partei nieder.

Vor der Beisetzung war der Sarg im israelischen Parlament aufgebahrt worden (links im Bild). Knessetsprecher Reuven Rivlin lobte Schamir als „festen, unzerbrechlichen Felsen“. Er fügte hinzu: „Sie haben das Gewicht dieser Nation, ihre Vergangenheit und Zukunft, auf Ihren Schultern getragen.“ Die einzige Schwäche des früheren Regierungschefs sei dessen bedingungslose Liebe gewesen – zum jüdischen Volk, zum angestammten Heimatland und zu seiner Familie.

Ministerpräsident Netanjahu: „Ein Leben für den jüdischen Staat“

Yitzhak Schamir als Ministerpräsident  Israels in den USA
Yitzhak Schamir als Ministerpräsident bei seinem Besuch der Andrews Air Force Base Foto: public domain auf wikipedia.de

Premierminister Benjamin Netanjahu zitierte in seiner Traueransprache auf dem Herzlberg aus der israelischen Unabhängigkeitserklärung : „Im Lande Israel entstand das jüdische Volk.“ Das Land Israel und das jüdische Volk seien stets die höchsten Prioritäten des verstorbenen Likud -Politikers gewesen. „Vor der Staatsgründung war er ein anonymer Soldat im Untergrund. Nach der Staatsgründung war er ein anonymer Soldat im Mossad“, fügte der Premierminister an. „Später in seinen offenkundigen und höheren offiziellen Rollen – Knessetsprecher, Außenminister und Regierungschef – war Jitzhak Schamir bereits wohlbekannt. Doch selbst dann war ich immer beeindruckt davon, dass er sich in seinem Herzen und durch sein demütiges Verhalten weiterhin als denselben anonymen Soldaten ansah, der dem Volk und dem Land diente. Er bat nie um irgendeine Anerkennung oder Wertschätzung. Er strebte nicht nach Popularität oder Respekt. Jede Tat und Entscheidung, die er machte, musste einen einfachen Test bestehen – war es gut für das jüdische Volk und das Land Israel?“, so Netanjahu.

Viele deutsche Medien lassen in ihren Nachrufen kein gutes Haar an dem 8. israelischen Premier

Viele große deutsche Medien gehen, wenn sie es überhaupt erwähnt haben, in ihren Nachrufen zum Tode von Yitzhak Schamir mit dem israelischen Staatsmann hart ins Gericht: Er wird unter anderem als "eine der schillerndsten Figuren der israelischen Geschichte" (spiegel.de), als "Halsstarriger Ultra-Rechter" und „Araberfresser“ (Hamburger Abendblatt) israelischer Politiker beschrieben.

"Zeit seines Lebens blieb Schamir Gegner des Friedensprozesses mit den Palästinensern, den er erbittert bekämpfte", schreibt Spiegel-Online. Aber er beteiligte sich an der Madrider Friedenskonferenz, wenngleich „widerwillig“. So schob er den Friedensprozess (mit den Palästinensern) an, der unter seinem Nachfolger Jitzhak Rabin in Schwung kam. Die Anerkennung der PLO, die Rückkehr Jasser Arafats und seiner Kämpfer und die Einrichtung der palästinensischen Autonomiebehörde brachten jedoch nicht die Ergebnisse, die sich die "Öffentlichkeit" sich 1995 mit bei der Unterzeichnung der Osloer Verträge erhoffte. Konservative israelische Politiker wie Schamir hatten davor gewarnt, bewaffnete palästinensische Kämpfer ins Land zu holen.

Man kann Schamir politische Untätigkeit, mangelnde Initiativen und wenig Entgegenkommen gegenüber den Arabern vorwerfen. Immerhin herrschte in seiner Regierungszeit eine relative Ruhe. Ob das einen Mann treffend charakterisiert, in dessen Amtszeit als Premierminister kein einziger Krieg mit aktiver Beteiligung Israels ausgebrochen ist? In Schamirs Amtszeit fiel der Irak-Krieg von 1991, in dem Israel mit irakischen Scudraketen beschossen wurde. Schamir bestand darauf, nicht zurückzuschlagen. Es ist erstaunlich, dass dieser Beschluss von Weltrang in den großen deutschen Medien nicht einmal erwähnt wird.

Schamir war auch in Israel umstritten

Auch bei den Israelis war der wenig charismatische und verschlossene Mann nicht sehr beliebt. In Israel wird Schamir vorgeworfen, das Prinzip „Land für Frieden“ nicht akzeptiert zu haben. Tatsächlich hat Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg im Tausch für den ganzen Sinai einen Frieden mit Ägypten erhalten. Doch heute, nach dem Wahlsieg der ägyptischen Islamisten, gilt dieser Frieden keineswegs mehr als gesichert. Bereits im März (2012) stimmte das neugewählte Parlament für einen Bruch mit Israel.

Das Prinzip "Land für Frieden" klingt einleuchtend, hat aber bisher nicht wirklich gut funktioniert. So zogen sich die Israelis aus aus dem Südlibanon zurück , aus dem Gazastreifen (2005) und teilweise aus dem Westjordanland. Doch statt zu Frieden führte die israelische Landabgabe zu zwei Kriegen 2006 und 2009, zu der Intifada ab 2000 und neuerdings zu Terroranschlägen aus der zu Ägypten gehörenden Sinaihalbinsel. Und es war aus heutiger Sicht wohl eine gute Entscheidung, die 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberten Golanhöhen nicht zurückzugeben an Syrien zurückzugeben. Heute glaubt in Israel kaum noch jemand, dass man mit Land einen Frieden erkaufen kann.

Dennoch hat er über eine Million Juden aus Russland ins Land geholt und Zehntausende aus Äthiopien. Für den Staat Israel bedeutete dieser Bevölkerungszuwachs ein großes Plus an Selbstbewusstsein und Gefühl der Sicherheit. Ob Schamir mit seiner kritischen Haltung zum Friedensprozess Recht behalten wird, wird die Zukunft zeigen.

Quellen: spiegel.de und israelnetz.com

Autor dieser Seite: Uwe Schütz

 

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