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‚Kollateralschäden' bei ‚Operation Gegossenes Blei'

Amnesty übt scharfe Kritik an Israels Militäroperation im Gazastreifen

02.07.09: Die Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" (ai) hat Israel für den dreiwöchigen Militäreinsatz vom 27.12.2008 bis 18.01.2009 gegen die Hamas im Gazastreifen scharf kritisiert. Die israelischen Streitkräfte hätten nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterschieden. Mehrere hundert unbewaffnete palästinensische Zivilisten und 300 Kinder seien nach Angaben von Amnesty dabei im Gazastreifen gestorben. Die Menschenrechtsorganisation beklagt in ihrem Bericht gleichzeitig, dass palästinensische Gruppen wahllos Hunderte von Raketen ins südliche Israel gefeuert hätten. Sowohl die israelischen Streitkräfte als auch die Hamas hätten dabei das humanitäre Völkerrecht verletzt.

Unter den 1.400 getöteten Palästinensern sind 300 Kinder

Der ai-Bericht stützt sich auf Indizien, die Delegierte von Amnesty International, darunter auch ein Militärexperte, im Januar und Februar 2009 auf einer Ermittlungsmission gesammelt haben, und dokumentiert, dass Israel Gefechtswaffen gegen eine Zivilbevölkerung eingesetzt hat, die in Gaza eingeschlossen war und keinerlei Fluchtmöglichkeiten besaß. Ausmaß und Heftigkeit der Angriffe auf Gaza überstiegen alle vorherigen militärischen Operationen. Unter den 1.400 durch israelische Angriffe getöteten Palästinensern befanden sich ungefähr 300 Kinder und Hunderte weitere unbewaffnete Zivilisten, die nicht an den Kampfhandlungen beteiligt waren.

Die meisten von ihnen kamen durch Hochpräzisionswaffen ums Leben, die mithilfe von optisch außergewöhnlich gut ausgestatteten Überwachungsdrohnen abgefeuert wurden, wodurch die Beobachter ihre Angriffsziele in allen Einzelheiten erkennen konnten. Andere wurden durch unpräzise Waffen getötet, darunter mit weißem Phosphor bestückte Granaten, wie sie bisher nicht in Gaza eingesetzt worden waren und die niemals in dicht besiedelten Gebieten hätten benutzt werden dürfen.

Amnesty International stellte fest, dass die Opfer der von der Organisation untersuchten Angriffe weder im Kreuzfeuer von Gefechten zwischen palästinensischen Milizen und israelischen Streitkräften standen, noch Kämpfer oder andere militärische Objekte schützten. Viele kamen im Schlaf ums Leben, als ihre Häuser bombardiert wurden. Andere saßen im Garten oder hängten auf dem Dach Wäsche auf. Kinder wurden beim Spielen in ihren Zimmern oder auf dem Dach oder in der Nähe ihres Hauses getroffen. Sanitäter und Krankenwagen gerieten mehrfach unter Beschuss, während sie Verletzte retten oder Tote bergen wollten.

Israel hat Zusammenarbeit mit Untersuchungskommission abgelehnt

"Es ist nicht akzeptabel, den Tod vieler Kinder und anderer Zivilpersonen einfach als ‚Kollateralschaden' abzutun, wie es Israel versucht", sagte Ruth Jüttner, Nahost-Expertin von Amnesty International. "Israel hat es versäumt, eine angemessene und unabhängige Untersuchung über das Vorgehen seiner Streitkräfte im Gazastreifen, darunter Verletzungen des humanitären Völkerrechts und mögliche Kriegsverbrechen, durchzuführen. Die Weigerung Israels, mit der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission unter Leitung von Richard Goldstone zusammenzuarbeiten, belegt die Absicht, sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen. Wir erwarten von der Bundesregierung und der internationalen Gemeinschaft unter Führung des UN-Sicherheitsrats ihren gesamten Einfluss geltend zu machen, damit Israel umfassend mit der Goldstone-Untersuchungskommission kooperiert, die derzeit am besten dazu geeignet ist, die Wahrheit ans Licht zu bringen."

Die israelischen Streitkräfte haben in den vergangenen fünf Monaten nicht auf wiederholte Aufforderungen von Amnesty International reagiert, in denen die Menschenrechtsorganisation um Informationen über in dem Bericht geschilderte Einzelfälle sowie um Treffen ersuchte, um über ihre Erkenntnisse zu diskutieren.

Wahllos auf Israel abgefeuerte Raketen verstoßen gegen das Völkerrecht

Die Hamas rechtfertigt ihrerseits weiterhin die während des 22 Tage dauernden Konflikts von ihren Kämpfern sowie anderen bewaffneten palästinensischen Gruppierungen täglich abgefeuerten wahllosen Raketenangriffe gegen Städte und Dörfer im südlichen Israel. "Angriffe auf zivile Ziele mit wahllosen Raketen verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht und sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen", fügte Jüttner hinzu.

Neben vor Ort hergestellten Kassam-Raketen feuerten palästinensische Kämpfer häufig Raketen vom Typ Grad mit längerer Reichweite ab, die durch Tunnel an der ägyptischen Grenze nach Gaza geschmuggelt worden waren und weiter nach Israel eindrangen, wodurch sie eine wesentlich größere Gefahr für die israelische Zivilbevölkerung darstellten. Die Hamas tötete drei israelische Zivilisten.

Es ist befürchten, dass der KampfZivilbevölkerung

"Auch fünf Monate nach Einstellung der Kampfhandlungen zeigt sich keine der beiden Seiten geneigt, ihre Vorgehensweise zu ändern und sich an die Regeln des humanitären Völkerrechts zu halten. Dies lässt befürchten, dass die Zivilbevölkerung erneut die Hauptlast tragen muss, wenn die Kämpfe wieder aufflammen. Die unabhängige und unparteiische Untersuchung des Vorgehens beider Konfliktparteien ist deshalb ein unverzichtbarer Schritt zur Verwirklichung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte der palästinensischen und israelischen Bevölkerung", sagte Ruth Jüttner.

Nach dem Völkerrecht sind alle Staaten verpflichtet, das Weltrechtsprinzip anzuwenden und strafrechtliche Ermittlungen vor einheimischen Gerichten einzuleiten, sobald genügend Indizien für Kriegsverbrechen oder andere Vergehen nach dem Völkerrecht vorliegen, sowie mutmaßliche Straftäter festzunehmen und zur Verantwortung zu ziehen.

Neben weiteren Empfehlungen werden in dem Bericht von Amnesty International alle Staaten dazu aufgefordert, sämtliche Lieferungen von militärischen Gegenständen, Hilfsgütern und Munition an Israel, die Hamas sowie andere bewaffnete palästinensische Gruppierungen einzustellen, solange die reale Gefahr besteht, dass solche Güter dazu benutzt werden, schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu verüben.

Israelische Armee verärgert über ai-Bericht

Laut der Tageszeitung "Jerusalem Post" reagierte die israelische Armee verärgert auf den ai-Bericht. Dieser ignoriere die Bemühungen des Militärs, den Schaden für Zivilisten zu minimieren. Die Armee habe während der Operation moderne Technologien benutzt, um die Zivilbevölkerung zu schonen. Bevor die Einheiten in ein Gebiet vorrückten, seien die Bewohner durch Millionen von Flugblättern oder durch Telefonanrufe rechtzeitig gewarnt worden.

"Wir heben hervor, dass die Armee alle ihre Operationen gegen militärische Ziele gerichtet hat und ganz bewusst Angriffe auf Zivilisten unterlassen hat, die nicht in Kampfhandlungen verwickelt waren, indem sie ihre eigenen Soldaten einem Risiko aussetzte", heißt es in einer Erklärung der Armee. Sie warf der Menschenrechtsorganisation vor, von der Hamas "manipuliert" worden zu sein.

 

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