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Menschenrechte auf dem Prüfstand

Abdul Rahman droht in Afghanistan die Todesstrafe,
weil er zum Christentum übergetreten ist

22.03.06: Dem 40-jährigen Abdul Rahman droht die Todesstrafe, weil er zum Christentum übergetreten ist. Nach den strengen Regeln der islamischen Rechtsprechung, der Scharia, wird dies als Verbrechen bewertet und mit dem Tod bestraft. Rahman lebte neun Jahre lang in Deutschland und kehrte in seine Heimat zurück, um sich um das Sorgerecht für seine beiden bei den Großeltern lebenden Töchter zu bemühen.

Hilfsorganisationen und Menschenrechtler appelieren an die Bundesregierung

Hilfsorganisationen und Menschenrechtler haben sich besorgt über die drohende Verurteilung eines zum Christentum übergetretenen Muslimen in Afghanistan geäußert. Der Prozess gegen Abdul Rahman in Kabul sei der erste derartige Fall im „neuen Afghanistan“ und habe deshalb eine besondere Bedeutung, sagte der Leiter des christlichen Hilfswerks „Shelter Now“,Udo Stolte. Stolte hält sich zurzeit in Pakistan aufhält. Der Angeklagte sei „Shelter Now“ nicht persönlich bekannt, sagte er.

Stolte appellierte an die Bundesregierung, sich für den Mann einzusetzen, der offenbar neun Jahre in Deutschland gelebt hat. „Shelter Now“ ist seit 1988 in Afghanistan tätig. Die Arbeit musste vor der US-geführten Invasion im Herbst 2001 unterbrochen werden, als die Taliban 20 Mitarbeiter verschleppten, darunter vier Deutsche. „Shelter Now“ hatte gegen das Missionsverbot für Christen verstoßen.

Von seinem eigenen Vater angezeigt

Nach Medienberichten wurde der zum Christentum konvertierte Afghane Rahman im Februar festgenommen und seine Bibel aus Beweismittel beschlagnahmt, nachdem ihm seine Familie den Glaubenswechsel vorgeworfen hatte. Der Fall steht offenbar auch in Zusammenhang mit einem Streit um das Sorgerecht für seine zwei Töchter. Rahman trat den Angaben zufolge vor 16 Jahren zum Christentum über, als er für eine internationale christliche Hilfsorganisation in der pakistanischen Stadt Peschawar arbeitete.

Debatten über Auslegung der Scharia

Die Afghanistan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Citha Maaß, warnte vor Pauschalisierungen. „Dieser Fall ist geeignet, von verschiedensten Seiten instrumentalisiert zu werden“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst epd in Berlin. Die afghanische Verfassung von 2004, an der deutsche Experten mitgewirkt haben, toleriere neben dem Islam andere Religionen und deren Ausübung. Derzeit werde in Afghanistan heftig darüber debattiert, wie streng der islamische Rechtskodex Scharia auszulegen sei.

Menschenrechte garantieren auch Afghanen Religionsfreiheit

Nach §18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, hat jeder "das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“ Alle UN-Mitglieder und damit auch Afghanistan haben den Menschenrechten zugestimmt.

Kein Gesetz darf dem Islam widersprechen

Nach Darstellung des Frankfurter Anwalts und Afghanistan-Kenners Victor Pfaff verbietet die afghanische Verfassung Folter, nicht aber die Todesstrafe. Zudem gebe es den „Islam- Vorbehalt“, nach dem kein Gesetz dem Islam widersprechen dürfe. „Damit können sie durch die Hintertür den Koran und die Scharia in jedes Gesetz hineinlesen“, sagte er dem epd. Der Abfall vom Islam sei für Muslime nach den Glaubensregeln ein todeswürdiges Verbrechen. Falls er zum Islam zurückkehre, würde er die Anklage fallen lassen, erklärte der zuständige Staatsanwalt. Der Richter sagte laut "Bild": "Wir sind nicht gegen eine spezielle Religion auf der Welt. Aber in Afghanistan ist so etwas gegen das Gesetz." Doch Rahman lehnt ab: er werde immer Christ bleiben.

Vollstreckung der Todesstrafe bedarf der Zustimmung des Staatspräsidenten

Die Vollstreckung der Todesstrafe in Afghanistan bedarf laut Pfaff der Zustimmung des Staatspräsidenten. Hamid Karsai habe schon mehrere Hinrichtungen befürwortet. Dass die afghanische Rechtsprechung häufig als willkürlich empfunden werde, liege an fehlenden Strafgesetzen und Ausführungsbestimmungen. „Die Justiz ist der am schlechtesten entwickelte Teil Afghanistans und hoch korrupt“, sagte Pfaff.

Afghanistan-Expertin Maaß führte auch Ängste vor einer Verwestlichung in Afghanistan an. Präsident Karsai sehe sich häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei ein Vertreter des Westens. Einige Afghanen fürchteten, die Geberländer und ausländischen Hilfswerke planten in ihrem Land „eine westliche Liberalisierung unter christlichen Vorzeichen“. Das könne dem Fall Rahman zusätzlich Brisanz verleihen. Außerdem gebe es enorme Spannungen zwischen Afghanen, die zu Kriegs- und Taliban-Zeiten im Land blieben und oft keine Schulbildung erhielten, und den oft gut gebildeten Exilanten.

Kritik von deutschen Politikern

Deutsche Politiker fordern angesichts der in dem Prozess drohenden Todesstrafe erneut eine Änderung der afghanischen Gesetze.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, forderte unterdessen in der „Bild“-Zeitung die Bundesregierung dringend auf, Einfluss auf die afghanische Regierung zu nehmen, „damit Gesetze, die Konvertierungen von einem Glauben zu einem anderen mit Strafe bedrohen, abgeschafft werden.“ Ähnlich hatte sich auch FDP-Chef Guido Westerwelle im „Reutlinger General-Anzeiger“ geäußert: „Wenn jemand durch ein Urteil mit dem Tode bedroht wird, nur weil er zum christlichen Glauben übergetreten ist, dann müssen die deutsch-afghanischen Beziehungen völlig neu sortiert werden.“ FDP-Vize Rainer Brüderle sagte der „Bild“-Zeitung: „Wenn Afghanistan sein Rechtssystem nicht schnell modernisiert, muss Deutschland seine Afghanistan-Hilfe überdenken.“

Die USA bezeichneten das Verfahren als Test für die Demokratie und die Verfassung in Afghanistan.

Afghanistan empört über Kritik aus dem Westen

Die afghanische Regierung hat die scharfe Kritik aus Europa an dem Prozess gegen den zum Christentum übergetretenen Abdul Rahman empört zurückgewiesen. Wirtschaftsminister Amin Farhang sagte in einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch), die „hitzige und emotionale Reaktion deutscher Politiker ist überzogen und hat bei den Afghanen für Unmut gesorgt“. „Wir mischen uns auch nicht in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik oder gar in laufende Rechtsverfahren ein", sagte er. „Wenn deutsche Politiker indirekt mit dem Abzug der Bundeswehr drohen, dann grenzt das an eine Art von Erpressung.“

Anzeige durch den eigenen Vater

Der Prozess gegen Abdul Rahman sei ein offenes Verfahren, sagte Wirtschaftsminister Farhang. „Wir wissen nicht, ob der Beschuldigte überhaupt zurechnungsfähig ist", gab er zu bedenken. Nachdem der Mann von seinem Vater angezeigt wurde, habe die Staatsanwaltschaft ermitteln müssen. „Das ist afghanisches Recht", so Farhang weiter. Jetzt werde die Rechtslage geprüft. „Natürlich fordern Fanatiker in solchen Fällen die Todesstrafe, doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie gegen Rahman verhängt wird.“

Quellen: jesus.de und focus.de

Autor: Uwe Schütz, 22.03.2006

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