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IFA und kein Platz für Kritik

Nachlese zur Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin

Miss IFA im Sommergarten auf dem Berliner Messegelände
Miss IFA im Sommergarten auf dem Berliner Messegelände © Messe Berlin GmbH

Vom 2. - 7. September 2005 feierte die TV-Geräte-Industrie und die TV-Programmmacher auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin die Zukunft des Fernsehens.

Die IFA ist - nach eigenen Angabe - ...

… die weltgrößte Messe für Consumer Electronics mit über 1.000
Ausstellern und 273.800 Besuchern (2003)

… der Orderplatz Nr. 1 der Branche, mit einem Ordervolumen von
2,4 Mrd. EUR

… eine Fach- und Publikumsmesse zugleich = besondere Services
für die Fachbesucher, vielseitige Programmangebote und Events
für Endverbraucher

… ein Medienereignis ohne Gleichen: 6.800 akkreditierte Journalisten
aus 78 Ländern, 95 Stunden TV-Berichte allein in Deutschland

Im Gegensatz zur deutschen Autoindustrie stellt sich die TV-Branche nicht der Diskussion über ihre Produkte.

Die TV-Zukunft ist digital und hochauflösend, aber ...

Die schärfsten Bilder aller Zeiten, faszinierende Farben und Surroundsounds: Das verspricht das neue hochauflösende, digitale Fernsehen, kurz: HDTV. Noch in diesem Herbst starten die ersten Ausstrahlungen.

Diskussionen über Qualität und Glaubwürdigkeit des Fernsehens stören das Geschäft. Speziell, wenn man dabei ist, dem Kunden etwas Neues zu verkaufen, nämlich hochauflösendes, digitales Fernsehen, kurz: HDTV.

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF setzen offensichtlich genauso kritiklos auf diese Technologie wie von Werbeeinnahmen abhängigen Privatsender. Die Argumente für HDTV sind seit Jahren die Gleichen: Dank Breitbildformat und zusätzlichen Bildpunkten könnten die Zuschauer mehr und schärfer sehen, heißt es beispielsweise. Die digitale Verbreitung der Programme erlaube die Übertragung eines Straußes zusätzlicher Kanäle, lautet ein anderes Argument. Bei Fußballspielen, wird den Fußball-begeisterten Deutschen erklärt, könnte ein Match in Gesichtsfeldgröße sogar aus mehreren Perspektiven gezeigt werden.

... Nachteile werden unterschlagen

Wichtige Details werden gerne unterschlagen. Dazu gehört die Einführung eines Kopierschutzes. Mit HDTV gibt der Zuschauer sein Recht auf, selbst zu bestimmen, beliebige Sendungen aufzunehmen. Mit dem digitalen Videorekorder wird er Schwierigkeiten haben: Der Kopierschutz erlaubt es den Sendern zu bestimmen, ob und welche Zuschauer Mitschnitte anfertigen dürfen.

Für Abo-Fernsehanbieten (Pay-TV) wie Premiere ist das es reizvolles Feature. Sie können ihren Abonnenten die Aufzeichnungsrechte extra verkaufen. Aber auch die Gerätehersteller dürfen frohlocken: Bei ihnen klingeln die Kassen. In fünf Jahren sollen die letzten analogen Programme abgeschaltet sein. Bis dahin müssen die Deutschen also ein neues Gerät angeschafft haben - ein Geschäft, das Zig-Milliarden Euro Umsätze sichert.

Die Frage muss aber erlaubt sein, warum ARD und ZDF so vorbehaltlos HDTV unterstützen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten, denen jährlich immerhin fast sieben Milliarden Euro Gebührengeldern zufließen, täten gut daran, ihren Zuschauern wenigstens auch künftig die Wahl zu lassen zwischen herkömmlichem TV und digitaler Breitbild-Variante. Die Fernsehzuschauern bleibt nur die Alternative, sich es Mal auf ihre Fernbedienung drücken: Auf den Knopf "Glotze aus".

mehr bei uns zum Titelthema im "stern"TV-Sender boykottieren "stern"-Werbespot

Kritik verträgt die TV-Branche nicht. Das hat nicht nur das Magazin Stern erfahren. Die deutschen Privatsender und die ARD weigerten sich, einen Werbespot des Nachrichtenmagazins "stern" auszustrahlen. Im Titelthema der Zeitschrift geht es um Langeweile im TV-Programm. Das Blatt erschien mit einer programmatischen Titelseite: "Glotze aus!"

Die Werbezeitenvermarkter IP Deutschland (RTL, Super RTL, VOX und n-tv), SevenOne Media (Sat.1, ProSieben, kabel eins und N24) sowie Sales & Services (ARD) boykottierten den derzeitigen Werbespot des Hamburger Nachrichtenmagazins "stern".

Mehrere Autoren gingen darin der Frage nach, warum die Fernsehprogramme immer langweiliger werden und immer mehr Menschen auch ohne Glotze glücklich sind mehr

Die TV-Vermarkter fragten sich: "Warum sollten wir einen Spot ausstrahlen, der unserem Medium schadet?“, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Diskussionen über Qualität und Glaubwürdigkeit des Fernsehens stören das Geschäft.

Inhalt des TV-Werbespot "Glotze aus!"

In dem 12-Sekunden-Werbespot bleibt der Bildschirm zunächst für mehrere Sekunden schwarz. Nach schrill pfeifenden Pistolenschüssen spricht eine dunkle Männerstimme die Worte: "Das erste Mal, dass Sie durch Wegschauen etwas ändern können." Auf dem Cover der aktuellen Ausgabe des sterns heißt es "Glotze aus!".

Uwe Schütz, 12.09.2005

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