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Moderner Kreuzzug?

Die Morde im Jemen haben in den Medien eine Debatte über Mission entfacht

25.06.09: Der Mord an den beiden deutschen Bibelschülerinnen an 12. Juni 2009 im Jemen hat eine Mediendebatte über Mission entfacht. Missionierten die Christinnen oder leisteten die Pflegehelferinnen lediglich humanitäre Arbeit in einem Krankenhaus? Wo endet Religionsfreiheit, fragen sich Journalisten und Kommentatoren.

"Der Spiegel" spricht von "modernen Glaubenskreuzzügen"

"Der Spiegel" veröffentlichte am heutigen Montag einen vierseitigen Artikel über die Ermordung im Jemen. Dabei gehen die Autoren der Frage nach, inwiefern die Bibelschule Brake ihre Schülerinnen zur Mission in den Jemen ausgesandt haben könnte. Der Artikel ordnet evangelikale Organisationen "christlichen Fundamentalisten" zu und spricht von "modernen Glaubenskreuzzügen". "Evangelikale Ausbildungsstätten wie die Bibelschule Brake mit ihren 150 Nachwuchsmissionaren wachsen seit Jahren", heißt es dort. Derzeit seien etwa 9.000 Deutsche als Missionare im Ausland aktiv. "Etwa 4.500 davon sind klar evangelikaler Frömmigkeit zuzuordnen", sagt Detlef Blöcher, Direktor der Deutschen Missionsgemeinschaft. Der "Spiegel" fügt hinzu: "Allein das Netz so genannter freier theologischer Seminare ist über 50 europäische Orte gespannt, 3.000 Schüler studieren dort die Bibel." Der Kasseler Sektenbeauftragte der Evangelischen Landeskirche, Eduard Trenkel, sagt im Magazin, die Wirkung der "Jesusjünger" sei "weltweit verheerend", vor allem in den Ländern zwischen dem 10. und 40. Breitengrad, wo viele Muslime und Hindus lebten.

Das Ehepaar Johannes und Sabine H. habe sich bei der Organisation "Weltweiter Einsatz für Christus" (WEC) im hessischen Eppstein auf ihren Aufenthalt im Jemen vorbereitet, so der "Spiegel". Dieses überkonfessionelle Missionswerk stellt sich – ebenso wie die Bibelschule Brake – hinter das Glaubensbekenntnis des Weltverbandes der Evangelischen Allianz und ist Mitglied bei der "Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen". Der "Spiegel" zitiert den britischen Gründer von WEC, Charles T. Studd, mit den Worten: "Wenn Jesus Christus Gott ist und für mich starb, kann mir für ihn kein Opfer zu groß sein." Die "Spiegel"-Autoren schreiben: "In Deutschland heizt der tödliche Überfall im fernen Jemen die Diskussion über moderne Glaubenskreuzzüge an." Sie sprachen mit dem Sprecher der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, Joachim Schmidt, der gegenüber dem Magazin sagte: "Der Missionseifer (von WEC) erinnert stark an die evangelikalen Fundamentalisten amerikanischer Prägung."

Frauen waren ausschließlich in humanitärem Dienst eingesetzt

Die "Welt am Sonntag" fragte zu den Hintergründen den Missionswissenschaftler Thomas Schirrmacher, der ausschließt, dass die Frauen im Jemen missionierten: "Ohne die Landessprache zu sprechen, kann man in arabischen Ländern gar nicht missionieren. Und in einem einheimischen Krankenhaus ist es fast unmöglich, mit christlichen Symbolen zu arbeiten." Die Aussage der Bibelschule, die Frauen seien "in einem ausschließlich humanitären Dienst" eingesetzt worden, erscheine ihm glaubwürdig.

In muslimischen Ländern ist es normal, über den persönlichen Glauben zu reden

Auch der HR-Kirchenredakteur Lothar Bauerochse, sagte im Radiosender "HR Info" am Montag, er halte es für glaubwürdig, dass die Bibelschule Brake nicht aktiv Leute in den Jemen geschickt habe, um zu missionieren. "Die beiden waren ja als Pflegehelferinnen in einem Krankenhaus tätig, wie auch der Vater der Familie." Wenn ein Christ mit einem Muslim in einem Kaffeehaus sitze und über den Glauben rede, sei das eine "klassische Situation". "Wenn zwei junge Frauen in den Jemen gehen und in einem Krankenhaus arbeiten, kann ich mir leicht vorstellen, dass die Frage aufkommt: Warum macht ihr das eigentlich? Und dann denke ich, werden sie auch sagen: Weil unser Glaube uns dazu motiviert, euch zu helfen. Und dann ist man sofort in einem Gespräch, in dem das Thema Glaube eine Rolle spielt, und das kann dann in einem solchen Kontext sehr leicht als Mission verstanden werden." Bauerochse erinnert daran, dass Mission im Christentum immer wichtig und schon Paulus ein großer Missionar war. Heutzutage seien besonders evangelikale und amerikanische Organisationen offensiv in der Mission, anders etwa als die katholischen oder evangelischen Missionswerke, die nur auf Anfrage ortsansässiger Kirchen aktiv würden.

ZDF-Weblog für Debatte über "Missionsbefehl Jesu"

Elmar Theveßen, ZDF-Journalist und Terrorismusexperte, rief am Samstag im ZDF-Weblog zu einer Debatte über den "Missionsbefehl Jesu Christi" auf, den die Bibelschule Brake auf ihrer Webseite als eine ihrer Ziele aufgelistet habe. "Denn es gibt zahlreiche Belege dafür, dass einige - wohlgemerkt längst nicht alle - evangelikale Gruppierungen ihre Anhänger für regelrechte Undercover-Mission in islamischen Ländern ausbilden, um dort Muslime (...) für den christlichen Glauben zu begeistern." Auch wenn viele "im eher christlich geprägten Europa" wohl kaum Einwände gegen eine Verbreitung der christlichen Botschaft in arabischen Ländern hätten, hält Theveßen die "die Wahl der Mittel und die geistigen Hintergründe einiger evangelikaler Gruppen" jedoch für "fragwürdig".

Religionsfreiheit heißt, vom eigenen Glauben erzählen und die Religion wechseln zu dürfen

Der Journalist Benjamin Lassiwe fragt angesichts der Vorwürfe gegenüber den Christinnen in einem Kommentar für die "Schweriner Volkszeitung" kritisch: "Sollte christliche Mission vielleicht sogar verboten werden?" Die Antwort darauf laute "ganz deutlich 'nein'", so Lassiwe. "Die Freiheit, anderen vom eigenen Glauben zu erzählen oder auch die eigene Religion zu wechseln, ist ein Teil der Religionsfreiheit. Natürlich: Diese Freiheit hat ihre Grenzen." Im Jemen sei dies aber nicht der Fall gewesen, und auch Johannes H. habe in einem Teehaus mit einem Muslim nur über seinen Glauben gesprochen. "So wie sich immer mehr Deutsche zum Islam bekehren, muss es auch im Jemen möglich sein, über das Christentum zu sprechen. Nur dann herrscht wirklich Religionsfreiheit."

Ähnlich sieht dies die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Sie nahm die in Jemen entführten Krankenpflegerinnen am heutigen Montag vor Kritik in Schutz. Zwar seien Hilfstätigkeiten mit missionarischem Bezug in Krisengebieten äußerst gefährlich, sagte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Doch "das Recht, seinen Glauben öffentlich zu bekunden, ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben". Die beiden getöteten Pflegehelferinnen hätten selbstlos gehandelt. Dafür gebühre ihnen "größter Respekt und Anerkennung".

Quelle: pro-medienmagazin.de

 

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