Positiv-Bilder der Entbindung dringend nötig
            Normale Geburt immer weniger gesellschaftlich anerkannt
            29.06.2011: Schwangere Frauen, die bei der Spitalsgeburt nur durch 
              Hebammen betreut werden, brauchen bei der Geburt viel seltener medizinische 
              Hilfen wie Dammschnitt, Anästhesie oder Kaiserschnitt als im 
              herkömmlichen, von Ärzten geleiteten Kreißsaal. 
              Zu diesem Ergebnis kommt Nicola Bauer, Professorin für Hebammenwissenschaft 
              an der Hochschule Bochum (www.hs-gesundheit.de). 
              "Die Hilfe einer Hebamme fördert nachweislich die Gesundheit 
              und das Wohlbefinden von Mutter und Kind. Ein Problem besteht heute 
              darin, dass die normale Geburt immer weniger gesellschaftlich anerkannt 
              wird", so die Expertin im pressetext-Interview. 
            Mit Arzt im Kreißsaal ist die Normalgeburt die Ausnahme
            
               
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                   Hebamme 
                    förder die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter 
                    und Kind Foto: Flickr/Field 
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            Medizinische Interventionen bei der Geburt sind heute längst 
              Regel, während die meist als "normale Geburt" bezeichnete 
              Spontangeburt ohne medizinische Eingriffe schon die Ausnahme bildet. 
              Wie die Bochumer Forscherin Clarissa Schwarz 2008 auf Basis von 
              über einer Mio. Daten zeigen konnte, kommen nur 8,2 Prozent 
              der Kinder ohne Eröffnung der Fruchtblase, hormonelle Einleitung, 
              Dammschnitt, Zange, Glocke oder Kaiserschnitt zur Welt. Diese Zahl 
              bezieht sich nur auf gesunde Schwangere, bei denen zudem keine Komplikationen 
              wie etwa eine Steißlage des Kindes auftreten. 
            Auch international werden medizinische Eingriffe - auch von Hebammen 
              - zunehmend als normal angesehen, berichtet Bauer. Man könne 
              nur spekulieren, worauf diese Entwicklung zurückgehe. "Hebammen 
              werden meist im medizinischen Umfeld ausgebildet und erleben sich 
              im Spital nur als kleines Rädchen. Die Angst vor Klagen steigt, 
              doch auch die fehlende Betreuungszeit durch den Personalnotstand 
              an Hebammen spielt deutlich mit." Dass ein Wunschkaiserschnitt 
              der Klinik mehr Geld bringt, widerlegen aktuelle Studien - vielmehr 
              wird dadurch bloß die Organisation erleichtert. 
            Hebamme fördert die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mutter 
              und Kind
            Für ihre Interventionsstudie untersuchte Bauer den Geburtsverlauf 
              von 238 gesunden gebärenden Frauen. Bei jenen, die im klinischen 
              Setting eines Hebammenkreißsaales nur von Hebammen betreut 
              wurden, brauchte jede Zweite keine medizinischen Eingriffe, während 
              dies im üblichen, von Ärzten geleiteten Kreißsaal 
              nur auf jede Fünfte (22,6 Prozent) zutraf. "Wird eine 
              Frau schon während der Schwangerschaft und bei der Geburt gut 
              betreut, steigt ihr Vertrauen in die Hebamme und in sich selbst. 
              Hebammen betrachten Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett als physiologische 
              Prozesse im Leben einer Frau, die zunächst keiner Intervention 
              bedürfen", erklärt die Forscherin diesen Zusammenhang. 
            Relevant ist jedoch auch die Beobachtung, wie sich die Geburtsform 
              auf Kind und Mutter auswirkt. Bei alleiniger Betreuung durch die 
              Hebamme konnten die Frauen nicht nur öfter auf ärztliche 
              Eingriffe und Kaiserschnitte verzichten, sondern wechselten auch 
              häufiger die Position und nahmen eher alternative Geburtsstellungen 
              ein. 72,8 Prozent von ihnen stillten ihr Baby acht Wochen nach der 
              Geburt noch ausschließlich, während es bei der Kontrollgruppe 
              es nur 47,4 Prozent waren. Die Apgar-Gesundheitswerte der Neugeborenen 
              als auch die Situation der Mütter am Ende des Wochenbetts zeigten 
              hingegen keine Unterschiede. 
            Wunschkaiserschnitte werden progagiert, die normale Geburt nicht
            Genau hinsehen sollte man, warum Schwangere per Wunschkaiserschnitt 
              oder mit medizinischer Hilfe entbinden wollen, fordert Bauer. "Frauen 
              haben Angst vor der Normalgeburt. Das dürfte auf schlechte 
              Geburtserfahrungen zurückgehen, die teils von den Medien geschürt 
              werden. Während über Normalgeburten kaum berichtet wird, 
              liest man von Prominenten wie etwa Claudia Schiffer, dass sie schon 
              drei Kaiserschnitte hinter sich hat. Verschwiegen werden dabei jedoch 
              häufig das fehlende Geburtserlebnis für Mutter und Kind, 
              die Riisiken für das Kind oder die postoperativen Schmerzen." 
             
            Derartige Erscheinungen lassen sich mit Geburtsvorbereitungskursen 
              oder der Begleitung einer Hebamme - die in Deutschland ohnehin die 
              Kasse bezahlt - reduzieren. Eine 2006 in der Zeitschrift "Birth" 
              veröffentlichte Studie aus Norwegen fragte Frauen, die sich 
              zur Schwangerschafts-Halbzeit für den Kaiserschnitt entschieden 
              hatten, nach ihren Gründen und bot Beratung und Unterstützung 
              an - mit dem Erfolg, dass 86 Prozent dieser Gruppe doch vaginal 
              entbanden und dies später auch nicht bereuten. "Alle Beteiligten 
              - Hebammen, Ärzte und auch Politiker - sollten sich an einen 
              Tisch setzen und überlegen, wie man die bedenklich hohe Kaiserschnitt-Rate 
              senken kann. Dazu braucht es auch eine positivere Darstellung der 
              normalen Geburt", betont Bauer.  
             
            Quelle: pressetext-Newsletter (pte002/29.06.2011/06:05) 
            Autor dieser Webseite: Uwe Schütz 
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