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Dietrich Bonhoeffer

gesendet am 17.07.2005 von Elsbeth Rosen und Roger Hofeditz
 

Widerstand und Verfolgung

Dietrich Bonhoeffer, geb. 04.02.1906 in Breslau , 09.04.1845 in KZ Flossenbürg hingerichtet
* 04.02.1906 in Breslau
† 09.04.1945 im KZ Flossenbürg

Als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 an die Macht kommen, ist Dietrich Bonhoeffer nicht unter den Massen, die dem Führer begeistert zujubeln. Im Gegenteil. Zwei Tage später hält er einen Radiovortrag, in dem er den Führerkult der Nazis öffentlich kritisiert, mit dem Ergebnis, dass ihm mitten im Vortrag der Ton abgedreht wird.

Während viele Deutsche sich von der Propaganda blenden lassen und blind und taub sind für die wahren Ziele der Nazis, erkennt Bonhoeffer schon sehr früh, wohin die antisemitische Hetze führen wird. Bereits drei Monate nach dem Machtübernahme durch die Nazis wendet er sich in einem Aufsatz gegen die Diskriminierung und die beginnende Verfolgung der Juden in Deutschland. Viele evangelische Pfarrer setzen sich zwar für die konvertierten Juden in ihren Kirchen ein, aber Bonhoeffer geht es um das ganze jüdische Volk. Er verlangt von der Kirche, nicht nur den Opfern der staatlichen Gewalt zu helfen, sondern "dem Rad selbst in die Speichen zu fallen", also den Staat selbst aktiv zu bekämpfen. Doch vielen evangelischen Christen gelingt es mühelos, ihren Glauben der NS-Ideologie anzupassen. Ein großer Teil läuft mit fliegenden Fahnen ins Regierungslager über. Die konvertierten Juden werden aus der Kirche ausgeschlossen. Die judenfreien Gemeinden nennen sich ab jetzt "Deutsche Christen".

Bonhoeffer schließt sich mit anderen kritischen Pfarrern im sog. "Pfarrernotbund" zusammen. Seine guten Auslandskontakte nutzt er, um die Welt über die Konflikte in der ev. Kirche in Deutschland zu informieren. Er versucht, die ausländischen Kirchen von einer Anerkennung der "Deutschen Christen" abzuhalten.

Der unerfreulichen Situation in Deutschland entzieht er sich für einige Zeit, als er Ende 1933 eine Stelle als Pfarrer der deutschen Gemeinde in London annimmt. Aber auch dort versucht er, durch intensive Kontakte und Gespräche mit Kirchenvertretern die Entwicklung der deutschen ev. Kirche zu beeinflussen. Während seiner Abwesenheit geht der Kirchenkampf in Deutschland weiter. Viele Pfarrer, die die Reichskirche der "Deutschen Christen" ablehnen, schließen sich zur "Bekennenden Kirche" zusammen und erklären den christlichen Glauben und die NS-Rassenideologie für unvereinbar. Sie bitten Bonhoeffer, zurückzukommen und die Leitung ihres Predigerseminars zu übernehmen. Bonhoeffer kennt das Risiko, das er eingeht, wenn er als Oppositioneller wieder in seine Heimat zurückkehrt, die Gefängnisse sind voll von Gegnern des Nazi-Regimes. Trotzdem verlässt er nach eineinhalb Jahren seine Pfarrstelle im sicheren London.

Zurück in Deutschland übernimmt der 29-jährige Bonhoeffer die Ausbildung der Pastoren der "Bekennenden Kirche". Er bittet die ausländischen Kirchen, diese als Vertreterin der ev. Christen anzuerkennen und ihre Beziehungen zur Reichskirche der "Deutschen Christen" abzubrechen - leider ohne viel Erfolg. In seinen Seminaren an der Berliner Universität. vermittelt Bonhoeffer seinen Studenten biblische Wahrheiten und bringt sich dadurch in Konflikt mit der offiziellen kirchlichen Lehre.

Bisher hatte ihn seine internationale Bekanntheit noch vor Verfolgung geschützt, aber jetzt geht es Schlag auf Schlag. 1936 entzieht ihm der Staat die Lehrerlaubnis an der Universität. Ein Jahr später wird auf Anordnung Himmlers auch sein Predigerseminar geschlossen.
27 ehemalige Seminaristen werden verhaftet. Trotzdem führt Bonhoeffer die Arbeit im Untergrund weiter. Ein weiteres Jahr später wird er aus Berlin ausgewiesen.

Aber noch ist er frei. Noch kann er reisen, sogar ins Ausland. Das nützt er aus. Im März 1939 bespricht er mit Kirchenvertretern in London die Lage in Deutschland, dann begibt er sich auf eine Vortragsreise in die USA. Dort hätte er aus sicherer Entfernung die Entwicklung in Deutschland verfolgen können. Dort hätte Karriere machen können, denn er erhält das Angebot, einen Lehrstuhl an der Universität in Harlem zu übernehmen. Doch er lehnt ab. Er sieht seine Aufgabe im Widerstand in der Heimat und kehrt kurz vor Ausbruch des Krieges nach Deutschland zurück.

Elsbeth Rosen

Attentat und Tod

Die Gestapo schloss 1940 Predigerseminare und löste eine von Bonhoeffer geleitete Freizeit polizeilich auf. Daraufhin führte er Gespräche mit seinem Schwager Hans von Dohnany über eine "Unabkömmlichkeitsstellung" für Abwehraufträge. Seine aus der Ökumenischen Bewegung bestehenden Kontakte sollte Bonhoeffer für die Verschwörer nutzen, um mit den Alliierten Verhandlungen einzuleiten. Bonhoeffer war also nicht an der Planung der Attentate selbst beteiligt, sondern diente als Verbindungsmann. Offiziell im Auftrag der Abwehr.

Die nun in Gang kommende systematische Judenverfolgung und andere Grausamkeiten der Regierung, bewegten Bonhoeffer zu einer Neubewertung der Situation. In Bonhoeffers Elternhaus trafen sich eine Reihe von Gegnern der Nationalsozialisten, die teilweise hohe Positionen inne hatten; diese Personen beabsichtigten, Hitler durch ein Attentat umzubringen.

Bonhoeffer schloss sich diesem Widerstandskreis nach langem Bedenken an. Die Frage des Tyrannenmordes (Darf ein Christ gegen das Gebot "Du sollst nicht Morden" verstoßen?) beschäftigte ihn zutiefst. Er wurde der Abwehrstellung München zugeordnet, stand also im Dienst des NS-Staates - bei gleichzeitigem Rede-, Schreib- und Veröffentlichungsverbot.

1941/42 unternahm er für die deutsche Spionageabwehr und zugleich für den internen Widerstandskreis - Reisen nach Norwegen, Schweden und in die Schweiz. Dabei übergab er geheime Dokumente über den Kreis der Widerständler und ihre Ziele für die britische Regierung. Damit verbunden war die Bitte um eine öffentliche Erklärung der Alliierten, zwischen Deutschen und Nazis nach Kriegsende zu unterscheiden.

Auf diese Weise hofften sie, die Erfolgsaussicht des geplanten Hitlerattentats zu steigern. Der britische Außenminister ließ jedoch wissen, dass eine Unterstützung des Widerstandes oder auch nur eine Antwort nicht im nationalen Interesse Großbritanniens läge.

Am 17.01.43 verlobte sich Bonhoeffer sich mit der damals 18-jährigen Maria von Wedemayer. Im gleichen Jahr wurden von Bekannten den Bonhoeffers Anschläge auf Adolf Hitler verübt, die fehlschlugen. In den folgenden Nachforschungen der Gestapo wurde Dietrich Bonhoeffer auf Grund eines zufälligen Aktenfundes bei seinem Schwager v. Dohnany wegen "Wehrkraftzersetzung" verhaftet. Er kam in das Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel. Das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wurde von höheren Beamten, die Verbindungen zu Widerstandskreisen hatten, nach Kräften aufgehalten. Dadurch konnten bis zu Bonhoeffers Tod keine weiteren förmlichen Verfahrensschritte mehr vollzogen werden.

Am 20.07.1944 unternahm Graf Schenk von Stauffenberg einen weiteren Attentatsversuch auf Adolf Hitler. Dieser überlebte knapp. Bei den nachfolgenden intensiven Verhören der Gestapo konnte Bonhoeffer und anderen Mitverschwörern keine Beteiligung daran nachgewiesen werden. Ein interner Streit führte aber zu einem weiteren Aktenfund. Es bestand eine Meinungsverschiedenheit unter den Widerstandskreisen, ob Akten über den Widerstand aufbewahrt werden sollten, um den Alliierten ihre Absichten nachweisen zu können. Oder ob aus Sicherheitsgründen, wie Bonhoeffer meinte, alles vernichtet werden sollte.

Aus Sorge um seine Familie verzichtete er im Oktober 1944 auf eine mögliche Flucht; er befürchtete Sippenhaft und damit Sippenbestrafung. Einige Tage später geriet Bonhoeffer in die Hände der Gestapo und kam nun in den berüchtigten Gestapo-Keller, Berlin, Prinz-Albrecht-Straße.

Vom Januar 45 datiert Bonhoeffers letzter Brief an seine Eltern. Er wird in das KZ Buchenwald verlegt. Bevor Bonhoeffer in KZ Flossenbürg gebracht wurde, sagte er zum Abschied: "Das ist das Ende - für mich der Beginn des Lebens".

Am 05.04.45 ordnete Adolf Hitler die Hinrichtung aller noch nicht exekutierten "Verschwörer" des 20. Juli an und damit auch die Dietrich Bonhoeffers. Ein SS-Gericht verurteilte ihn daraufhin zum Tode durch den Strang. Der Prozess war ein reiner Scheinprozess, um dem Mord das Mäntelchen der Rechtsstaatlichkeit umzuhängen. Ankläger war Walter Huppenholten, der zuvor bereits in einem flüchtigen Standgericht den halb besinnungslos auf einer Bahre liegenden v. Dohnany, zum Tode verurteilen ließ. Richter über Bonhoeffer war, Otto Thorbeck, Inhaber der Chefrichterstelle beim SS- und Polizeigericht in München, der als Vorsitzender amtierte. Er wurde 1956 wegen des Verfahrens in Flossenbürg vom BGH freigesprochen. Beisitzer waren der Kommandant des KZ Flossenbürg Max Koegel.
Verteidiger waren nicht anwesend. Zeugen wurden nicht vernommen. Die "Verhandlung" fand ohne Protokollführer statt.

Zur Erniedrigung der Angeklagten und Belustigung des SS-Personals mussten sich alle zur Hinrichtung bestimmten zuvor völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen. Der Lagerarzt beobachtete die Szene und berichtete später, Bonhoeffer habe völlig ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet und ein kurzes Gebet gesprochen. Dietrich Bonhoeffer (*04.02.1906 in Breslau) wurde in der Morgendämmerung des 09.04.1945 durch Erhängen hingerichtet. Einen Monat vor dem offiziellen Kriegsende.

Roger Hofeditz

Vergangenheitsbewältigung

Schon im September 1945 erstattete Adolf Grimme, der zum Widerstand gehört hatte, Anzeige gegen den NS-Richter Manfred Roeder wegen Beteiligung an den Urteilen gegen Dietrich Bonhoeffer, Hans v. Dohnany und andere Widerstandskämpfer. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt.

Das Todesurteil gegen Bonhoeffer und andere Widerstandskämpfer galt bis in die 90er Jahre offiziell als rechtsgültig, so dass seinen Verwandten keine Entschädigungen als Verfolgten des Naziregimes zugesprochen wurden. Erst durch einen Bundestagsbeschluss wurden NS-Unrechtsurteile für nichtig erklärt und damit auch Bonhoeffer formell für unschuldig angesehen.

Ob er dies gewollt hätte, bleibt allerdings sehr fraglich. Denn er nahm die Konsequenz seines Widerstands, den Tod als Rechtsbrecher im Sinne des Staatsgesetzes, bewusst an. Er sah sich nicht als "unschuldig", sondern nahm seinen Tod als Folge seines Handelns aus Gottes Hand: "Wer das Schwert nimmt, kann (wird) durch das Schwert umkommen." (Matthäus 26, 52)

Seine "Ethik" erklärt ausdrücklich, dass ein Christ im Gehorsam gegen Jesus Christus wagen muss, Sünde auf sich zu nehmen: ja dass er in die Lage kommen kann, um der Liebe und Wahrheit willen alle Gebote zu übertreten, lügen, betrügen, stehlen und sogar morden zu müssen.

Wie wenig das in Bonhoeffers Kirche verstanden wird, zeigt die Tatsache, dass die Berlin-Brandenburgische Landeskirche seinen Namen in der Kanzelabkündigung zum 20. Juli 1945 verschwieg. Zudem hieß es in der Empfehlung an die Pfarrer, Christen könnten den Anschlag "niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt sein mag. Aber unter denen, die haben leiden müssen, waren Ungezählte, die einen solchen Anschlag niemals gewollt haben."

Als echter christlicher Märtyrer galt nur Paul Schneider. Er hatte im KZ aus der Zelle heraus über den Appellplatz die SS als Mörder angeklagt und Bibelworte gerufen. Daraufhin wurde er an eine völlig überhitzte Heizung gefesselt und von einem SS-Arzt zu Tode gespritzt. Man meinte Schneider habe keinen politischen Widerstand im engeren Sinn des Wortes geübt.

Diese Trennung in gute und böse Märtyrer wurde von denselben Amtsträgern vollzogen, die Hitler großenteils begeistert zugejubelt hatten. Die ihre Kirchenglocken zu seinem Geburtstag läuten ließen und diese dann als Munition für den Krieg ohne Protest abgaben. So protestierten auch einige Bielefelder Pastoren 1948 gegen Straßenbenennungen nach Bonhoeffer. Sie wollten "die Namen ihrer Amtsbrüder, die um ihres Glaubens willen getötet worden sind, nicht in eine Reihe mit politischen Märtyrern gestellt wissen."

Darauf antwortete der Vater Bonhoeffers: "Mein Sohn hätte an sich gewiss nicht den Wunsch gehabt, dass Straßen nach ihm benannt werden. Andererseits bin ich überzeugt, dass es nicht nach seinem Sinn wäre, sich von den aus politischen Gründen ums Leben Gebrachten, mit denen er jahrelang im Gefängnis und KZ zusammen gelebt hat, zu distanzieren."

Er verzichtete darauf, Einspruch gegen die Straßenbenennung zu erheben. Dietrich Bonhoeffer hatte seine Wahl in voller individueller Verantwortung getroffen, weil die Kirche seiner Zeit nicht zu einem rechtzeitigen Widerstand bereit und fähig gewesen war. In seinen Gefängnisbriefen *) schrieb er ein stellvertretendes Schuldbekenntnis für die Kirche nach Hitler und entwarf die Vision einer zukünftigen Kirchengestalt ohne staatliche Privilegien an der Seite der Armen und Verfolgten.

Während diese Vision in Deutschland und Mitteleuropa weithin unbeachtet blieb, ist sie in den Armuts- und Befreiungsbewegungen außerhalb Europas aufgegriffen und teilweise umgesetzt worden.

Dieser Artikel basiert auf dem Artikel über "Dietrich Bonhoeffer" aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU Lizenz für freie Dokumentation. Die Liste der Autoren ist in der Wikipedia unter dieser Seite verfügbar.

*) Nachträglicher Hinweis des Wikipedia-Autors Gerhard Sattler :

Das Schuldbekenntnis Bonhoeffers steht in seiner "Ethik" von 1940 als Teil der Auslegung der Zehn Gebote, nicht in seinen Gefängnisbriefen. Dort steht allerdings die genannte Vision für eine Freiwilligenkirche an der Seite der Armen und Entrechteten.

Beides hängt natürlich sehr eng zusammen: Nur die Kirche, die sich ohne Absicherungen und Seitenblicke auf Mitschuldige ihre konkrete historische Schuld vergeben lässt, wird zu einer grundlegenden inneren und äußeren Reform ihres Redens und Handelns befähigt.

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