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Mindestanforderungen

Ethikrat empfiehlt Erlaubnis der Beschneidung, aber mit Auflagen

24.08.2012: Die Debatte war kontrovers: Rechtliche, medizinische, ethische und religiöse Aspekte musste der Ethikrat in der Beschneidungsdebatte abwägen. Nach einer öffentlichen Sitzung fiel ein einmütiges Votum: Beschneidung ja, aber mit Regeln.

Der Deutsche Ethikrat empfiehlt, die religiöse Beschneidung minderjähriger Jungen unter strengen Standards zu erlauben. Mindestanforderungen sollten die Einwilligung der Eltern, eine Schmerzbehandlung und die fachgerechte Durchführung des Eingriffs sein, erklärte der Ethikrat am Donnerstagabend nach Beratungen in Berlin. Zudem empfahl das Expertengremium dem Gesetzgeber, ein Vetorecht des Kindes abhängig von seinem Entwicklungsstand vorzusehen.

Die Empfehlung erfolge einmütig "ungeachtet tiefgreifender Differenzen in grundlegenden Fragen", hieß es. Seit einem im Juni veröffentlichten Urteil des Landgerichts Köln, das die religiöse Beschneidung als Körperverletzung gewertet hatte, herrscht bei Juden und Muslimen Rechtsunsicherheit. Der Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, bis zum Herbst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Beschneidung erlaubt.

Die Beschneidung sei für Juden das höchste Rechtsgebot, sagte der jüdische Arzt Leo Latasch, der seit diesem Jahr dem Ethikrat angehört. Auch der muslimische Rechtsmediziner Ilhan Ilkilic argumentierte für die Praxis. Im Islam ist der Zeitpunkt der Beschneidung nicht festgelegt. Ilkilic zufolge wird sie bis zur Geschlechtsreife, üblicherweise zwischen dem achten und zehnten Lebensjahr vorgenommen.

Eindeutig gegen Beschneidung sprach sich im Ethikrat nur der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel aus. Es sei "bizarr", wenn Religionsgemeinschaften eine Definitionsmacht darüber hätten, wann und wie sie einen Körper von Personen verletzten könnten. Gleichwohl gebe es eine "weltweit singuläre Pflicht gegenüber allen jüdischen Belangen", ergänzte er. Im Konflikt zwischen dem körperlichen Eingriff und der Verpflichtung gegenüber dem Judentum entstehe ein "rechtspolitischer Notstand". Einem auf die praktischen Details gerichteten Kompromiss des Ethikrats könne auch er deswegen zustimmen, sagte Merkel.

Der Verfassungsrechtler Wolfram Höfling mahnte, die Diskussion um Beschneidung ernst zu nehmen. Sie sei eine Stellvertreterdebatte über die Rechte von Religionsgemeinschaften sowie Rechte von Kindern allgemein. "Es ist keine Komikerdebatte", sagte Höfling mit Verweis auf eine Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte erklärt, Deutschland mache sich zur "Komikernation", wenn der Staat Beschneidung verbiete.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hatte vor der Sitzung des Ethikrats vor einem "Angriff auf die jüdische Identität" gewarnt. Das Kölner Urteil irritiere ihn "angesichts der Geschichte und unserer deutschen Geschichte mit dem Judentum schon sehr", sagte er dem epd.

Der evangelische Sozialethiker Peter Dabrock, Mitglied des Ethikrates, appellierte, Verständnis für die "fremde Religiosität" von Judentum und Islam aufzubringen. Dafür warb auch der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber, der dem Gremium ebenfalls angehört.

Resigniert äußerte sich indes die Rabbinerin und Medizinerin Antje Yael Deusel. Sie glaube nach dem Beschneidungsurteil "nicht mehr so ganz an ein normales jüdisches Leben in Deutschland", sagte die Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde Bamberg dem epd.

Der Ethikrat berät die Regierung und den Bundestag in ethischen Fragen und soll zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen. Die 26 Sachverständigen werden je zur Hälfte auf Vorschlag der Bundesregierung und des Parlaments für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt.

Quelle: jesus.de-Newsletter vom 24.08.2012

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz

 

 

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