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Neuanfang für den Libanon?

Im Libanon läuft ohne die schiitische Hisbollah nichts mehr

26.01.2011: Die schiitische "Partei Allahs" - was "Hisb' Allah" übersetzt bedeutet - ist der verlängerte Arm des Iran im Libanon, dessen Fingerspitzen bis an die Nordgrenze Israels reichen. Damit hat der jüdische Staat de facto eine gemeinsame Grenze mit dem Regime der Mullahs in Teheran. Ohne oder gar gegen die Hisbollah läuft im Zedernstaat nichts. Sie ist eine Wirtschaftsmacht, im Parlament und praktisch allen privaten und öffentlichen Bereichen des Landes vertreten.

Die offizielle Libanesische Armee hat gegen die Hisbollah-Milizen keine Chance

Gegen die militärische Macht der Miliz hat die offizielle Libanesische Armee keine Chance. Daran haben auch die 720 Millionen US-Dollar Militärhilfe nichts geändert, die die USA seit 2006 in das Land haben fließen lassen. Dass sich der Führer der drusischen Minderheit im Libanon, Walid Dschumblatt, während der Regierungskrise offen als Hisbollah-loyal bekannt hat, macht diese Situation unübersehbar.

Der Iran baut seinen Einfluss weiter aus

Offen können sich die irantreuen Schiiten im Libanon allerdings (noch) nicht als die Macht im Staate präsentieren. Das würde das Land isolieren, nicht nur im Blick auf Amerika und Europa, sondern auch in der arabisch-sunnitischen Welt. Die USA haben nach dem Fall der Regierung des Sa´ad Hariri ganz unverhohlen gedroht, die Hilfe für das Land einzustellen, sollte es zu "Hisbollahstan" werden. Der Sprecher des US-Außenministeriums, P.J. Crowley, betonte, dass seine Regierung die Hisbollah als Terror-Organisation einstufe. Das alles ist weder neu, noch war es ein Geheimnis. Insofern bleibt auch nach dem Regierungswechsel in Beirut als Fazit für die politische Großwetterlage im Libanon: Tendenz gleichbleibend. Der Iran baut seinen Einfluss weiter aus.

Die sunnitische Bevölkerung trägt ihren Unmut auf die Straße

Am 25. Januar hat nun das libanesische Parlament den sunnitischen Geschäftsmann Nadschib Mikati aus Tripoli als neuen Premierminister bestätigt. 68 von 128 Parlamentsabgeordneten stimmten für seine Nominierung. Präsident Michel Suleiman hat ihn offiziell mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Hisbollah, deren Vertreter und Verbündete zwei Wochen zuvor den Sturz der Regierung Hariri verursacht hatten, hat ihre Unterstützung angemeldet. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah versprach gar, die Regierung nicht zu kontrollieren, hofft gleichzeitig aber auf eine Regierung der nationalen Einheit.

Mikatis Vorgänger und Glaubensgenosse Sa´ad Hariri hat allerdings schon angekündigt, er werde sich nicht an einer Regierung der nationalen Einheit beteiligen. Seine Anhänger gingen im ganzen Land auf die Straßen und äußerten ihren Unmut über die Lage. "Das sunnitische Blut kocht!", brüllten die Massen im Nordlibanon und verbrannten Autoreifen und Mikati-Bilder. Allerdings ist unklar, ob diese Demonstrationen tatsächlich gegen den Sunniten Mikati gerichtet sind, oder ihm vielleicht sogar letztendlich den Rücken stärken. Immerhin ist klar: So leicht lässt sich die sunnitische Bevölkerung des Libanon nicht übergehen. Wenn Mikati sich allerdings mittelfristig die Unterstützung der Sunniten nicht sichern kann, hat er - aller parlamentarischen Arithmetik zum Trotz - ein ernsthaftes Problem.

Die Wahl von Premierminister Mikati könnte den Einfluss von Syrien stärken

Nadschib Mikati ist kein Vertreter der Hisbollah und ganz bestimmt kein Freund des Iran. Er war im Kabinett des 2005 ermordeten libanesischen Regierungschefs Rafik Hariri für öffentliche Dienste und Transport verantwortlich und wurde nach dessen Ermordung Interimspremier. Entscheidend ist vielleicht eine enge persönliche Freundschaft mit dem syrischen Präsidenten Bischar el-Assad. Die Wahl könnte somit ein Comeback der Syrer im Libanon bedeuten, nachdem diese in Folge des Hariri-Mordes und unter internationalem Druck im Jahr 2005 ihre Truppen aus dem Nachbarland abziehen mussten. Syrien betrachtet den Libanon - wie übrigens auch Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete - traditionell als Teil von Südsyrien. Erst im August 2008 fand sich die Regierung in Damaskus zur Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen mit dem Zedernland bereit. Spannend bleibt die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem erklärt säkularen Syrien und der islamischen Republik Iran.

Die Geschäftsverbindungen des Milliardärs Nadschib Mikadi, der zudem Vorsitzender der libanesischen Handelskammer war, erstrecken sich nach Afrika, Europa und Amerika. Trotzdem konnte er sich das Image eines sauberen Politikers bewahren. Saudi-Arabien, Syrien und Frankreich haben ihm bereits ihre Unterstützung zugesagt. "Ich bin ein gemäßigter Politiker und wahre Äquidistanz zu jedermann", erzählte Mikati der BBC, nachdem er mit der Regierungsbildung beauftragt worden war.

Aber: Je mehr Macht die Hisbollah bekommt, desto schlechter kann sie sich verstecken

Jetzt muss er die Bedrohung durch das Hariri-Tribunal der UN, die seinen Vorgänger zu Fall gebracht hat, in den Griff bekommen. Das verlangt die Hisbollah, deren Mitglieder vom so genannten Spezial-Tribunal Libanon (STL) für die Ermordung des libanesischen Premierministers verantwortlich gemacht werden. Dazu gehört, dass er jede Verbindung zwischen seiner Regierung und dem STL kappen muss.

Und Mikadi muss sein Volk einen, an dessen politischem Horizont wieder einmal die bedrohlichen Gewitterwolken eines Bürgerkriegs hängen. Aus israelischer Sicht hat die gegenwärtige Entwicklung auch einen positiven Aspekt, wenngleich mit einem sehr bitteren Beigeschmack: Je mehr Macht und Verantwortung die Hisbollah im öffentlichen Leben des Libanon übernimmt, desto klarer werden die Fronten - und desto weniger kann sich die Miliz bei einem künftigen Konflikt hinter der Zivilbevölkerung verstecken.

Von: Johannes Gerloff , Jerusalem, 26. Januar 2011

 

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