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Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

Europ. Gerichtshof für Menschenrechte: Ehebruch ist kein Kündigungsgrund für Kirche

23.09.2010: Die katholische Kirche darf einem Angestellten nicht zwangsläufig kündigen, wenn er ein außereheliches Verhältnis hat. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden: «Die Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages kann nicht als eindeutiges Versprechen verstanden werden, im Fall einer Trennung oder Scheidung ein enthaltsames Leben zu führen», heißt es in dem Urteil vom Donnerstag. Die Straßburger Richter gaben damit der Klage eines katholischen Chorleiters und Organisten aus Essen Recht. Diesem wurde gekündigt, weil er nach der Trennung von seiner Frau in einer neuen Beziehung lebte.

 

Kirchenleitung warf dem Mitarbeiter Ehebruch und Bigamie vor

Der Mann war seit Mitte der 1980er Jahre bei der Pfarrgemeinde St. Lambertus in Nordrhein-Westfalen angestellt. 1994 trennte der Mann sich von seiner Frau. Nachdem die Leitung der Kirchengemeinde erfahren hatte, dass der Mann in einer neuen Beziehung lebte und seine neue Lebensgefährtin ein Kind erwartete, kündigte sie ihm ohne vorherige Abmahnung. Da er zu diesem Zeitpunkt noch verheiratet war, warf die Kirchenleitung dem Mann Ehebruch und Bigamie vor. Nach Auffassung seiner Arbeitgeber hatte er gegen die Grundordnung der katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst verstoßen.

Bundesarbeitsgericht wies die Klage schließlich zurück

Der Mann strengte nach seiner Entlassung eine Klage über die deutschen Instanzen gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber an. Bereits 1997 wurde die Kündigung vom Arbeitsgericht Essen für ungültig erklärt. Da der kirchliche Arbeitgeber nicht einlenkte, verfolgte der Chorleiter weitere Klagen. Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage schließlich zurück. Die von der katholischen Kirche geforderte Pflicht zur ehelichen Treue widerspreche nicht der Rechtsordnung, hieß es.

Menschenrechtsgerichtshof sieht in der Entlassung die Existenz gefährdet

Der Chorleiter sah die Achtung seines Privatlebens eingeschränkt und zog daher vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Die Straßburger Richter sahen in der Kündigung einen klaren Verstoß gegen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Nicht nur private Entscheidungen des Mannes seien nicht geachtet worden, sondern durch die Entlassung sei die Existenz des Mannes gefährdet, da er nur schwer eine neue Arbeit außerhalb der Kirche finden könne, begründeten die Richter ihr Urteil.

Dem Essener Chorleiter steht eine Entschädigung zu. Falls sich beide Parteien über einen gerechten Schadensersatz nicht einig werden, soll über den Betrag in einer kommenden Verhandlung entschieden werden. Der Gerichtshof befasste sich zum ersten Mal mit der Kündigung von Kirchenangestellten, die durch Veränderungen im Privatleben begründet wurden.

Mann will zurück auf seine frühere Stelle als Organist

Der erfolgreiche Kläger äußerte sich in der «Frankfurter Rundschau» (Freitagsausgabe) erleichtert über den Ausgang des Verfahrens. Wie die Zeitung berichtete, will er wieder zurück auf seine frühere Stelle als Organist der katholischen Sankt-Lambertus-Kirche in Essen. Er wolle wieder an seine Orgel, die er konzipiert und mitgebaut habe, sagte der 53-jährige Kirchenmusiker. Er kritisierte zudem die «sehr große Kirchenhörigkeit» deutscher Gerichte.
(Quelle:epd)

Quelle: jesus.de-Newsletter vom 23.09.2010 / epd

Autor dieser Webseite: Uwe Schütz