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Protestaktionen gegen Abtreibung rechtens

Bundesverfassungsgericht: Proteste gegen Abtreibung auch vor Arztpraxen rechtens

29.06.2010: Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die gerichtliche Untersagung von Protestaktionen gegen Schwangerschaftsabbrüche, die gegen einen Menschenrechtler nicht rechtens sind. Protestaktionen von Abtreibungsgegnern sind danach von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies gelte auch für Proteste in der Nähe von Arztpraxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, heißt es in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. (1 BvR 1745/06) Die Karlsruher Richter hoben damit ein gerichtliches Protestverbot für einen Abtreibungsgegner gegen eine Münchner Arztpraxis auf. Jetzt muss das Münchner Landgericht neu entscheiden.

Menschenrechtler wies auf "rechtswiderige Abtreibungen" in der Praxis hin

Der Beschwerdeführer hält Abtreibungen für verwerflich und veranstaltet Protestaktionen gegen Frauenärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Im vorliegenden Fall hatte er sich an zwei Tagen vor der Praxis eines Münchener Frauenarztes aufgestellt, der nach den Feststellungen der Gerichte seinerzeit im Rahmen seiner Berufsausübung Schwangerschaftsabbrüche vornahm und hierauf auch im Internet hinwies.

Dabei verteilte der Beschwerdeführer Flugblätter, auf denen angegeben war, der Arzt führe „rechtswidrige Abtreibungen durch, die aber der
deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt“. Dies entspricht unserer geltenden Rechtslage gemäß Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 28.05.1993.

Arzt hatte wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung Recht bekommen

Der Arzt hatte in den Vorinstanzen erfolgreich eine Unterlassung der Aktionen verlangt und dies mit der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts begründet. Dagegen werteten die Karlsruher Richter die Meinungsfreiheit höher als die Persönlichkeitsrechte des Arztes. Die dem Beschwerdeführer in der Vorinstanz untersagten Äußerungen seien «wahre Tatsachenbehauptungen».

BVG-Richter: Thema Schwangerschaftsabbruch ist wesentlichem öffentlichem Interesse

Der Arzt werde weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre getroffen, sondern es würden lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benannt, erklärten die Richter. Derartige Äußerungen müssen grundsätzlich hingenommen werden, sofern sie nicht schwerwiegend die Persönlichkeitsrechte verletzten, heißt es weiter. Ferner hätten die Gerichte zuvor nicht ausreichend berücksichtigt, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche ein Gegenstand von wesentlichem öffentlichem Interesse sei.

Landgericht muss nun klären, ob Frauen einem Spießrutenlauf ausgesetzt werden

Bei der erneuten Verhandlung vor Gericht muss auch geprüft werden, ob sich Patientinnen auf dem Weg zum Arzt durch die Aktionen «gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt sehen könnten». Dies könnte im Einzelfall ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen stützen, betonten die Karlsruher Richter.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 43/2010 vom 29. Juni 2010 der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts und epd-Meldung

Autor dieser Seite: Uwe Schütz

 

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