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Kopftuch ist nicht gleich Ordenstracht

Hessen: Klage gegen Kopftuchverbot abgewiesen

10.12.2007: Im Bundesland Hessen dürfen Lehrerinnen und Beamtinnen auch künftig kein islamisches Kopftuch im Dienst tragen. Das hat der hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden am Montag entschieden und damit eine Klage einer Landesanwältin und der Islamischen Religionsgemeinschaft Berlin zurückgewiesen. Mittlerweile gelten in acht Bundesländern entsprechende Gesetze, die zudem klar zwischen islamischem Kopftuch und christlicher Ordenstracht unterscheiden. Nur Berlin bildet eine Ausnahme.

Keine Kleidungsstücke, die das Vertrauen in Neutralität der Amtsführung beeinträchtigen

Die Landesanwältin Ute Sacksofsky und die Islamische Religionsgemeinschaft Berlin hatten gegen das hessische Kopftuchverbot geklagt, da sie es für diskriminierend halten. In Hessen gilt seit 2004 das von der CDU-Fraktion im Landtag verabschiedete "Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität".

Danach dürfen Landesbeamte und Angestellte im Schuldienst während der Arbeit keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Erkennungsmerkmale tragen, die den politischen Frieden gefährden können oder das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung beeinträchtigen könnten. Weiterhin zulässig sind gemäß dem Gesetzestext Erkennungsmerkmale, die der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition Hessens entsprächen. Der Staatsgerichtshof bestätigte mit seinem Urteil, dass das Gesetz nicht verfassungswidrig ist.

BVG: Kopftuchverbot für Lehrerinnen nur durch ein entsprechendes Gesetz möglich

Hintergrund auch der hessischen Gesetzesregelung ist eine Klage der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin, die 1999 im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg als Beamtin auf Probe eintreten wollte. Die Schulbehörde hatte ihr dies verweigert, da sie nicht bereit war, während des Unterrichts auf das Tragen eines Kopftuchs zu verzichten. Begründet wurde die Verweigerung mit dem Hinweis, dass das Kopftuch ein Ausdruck kultureller Abgrenzung und damit nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Symbol sei. Das Kopftuch sei ein Zeichen von "kultureller Desintegration" und lasse sich daher mit dem Gebot des Grundgesetzes einer staatlichen Neutralität in Glaubensfragen nicht vereinbaren.

2003 entschied in dem Fall das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass staatliche Behörden einer Lehrerin das Tragen eines islamischen Kopftuches im Dienst nicht ohne gesetzliche Grundlage verbieten dürfen. Ein Verbot für das Tragen eines Kopftuches für muslimische Lehrerinnen könne nur durch ein entsprechendes Gesetz festgeschrieben werden, so das Bundesverfassungsgericht.

Das Tragen der Ordenstracht als Lehrerin ist gestattet

Daraufhin fügte das Land Baden-Württemberg am 1. April 2004 im Schulgesetz die Formulierung hinzu, nach der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen "keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben (dürfen), die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören". Insbesondere sei ein äußeres Verhalten unzulässig, "welches bei Schülern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt".

Explizit ausgenommen wurde die "Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen", also etwa das Tragen der Ordenstracht von Nonnen, die als Lehrerinnen tätig sind.

In 8 Bundesländern besteht gesetzliches Kopftuchverbot

Auch Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Thüringen haben neben Baden-Württemberg ein Kopftuchverbot für ihre Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen eingeführt. Im Saarland wurde ein entsprechendes Gesetz mit den Stimmen von CDU und SPD im Jahr 2004 verabschiedet. An staatlichen Schulen ist das Tragen eines Kopftuches untersagt, christliche und jüdische Symbole bleiben weiterhin zulässig. In Hessen untersagt das Gesetz nicht nur Lehrerinnen, sondern allen Beamten des Landes und der hessischen Kommunen das Tragen des islamischen Kopftuchs im Dienst.

Berlin verbietet Kopftuch, Kreuz und Kippa

In Berlin wurde Lehrerinnen nicht nur das Tragen des Kopftuches verboten, das Gesetz sieht zudem ein Totalverbot religiöser Symbole im öffentlichen Dienst vor und geht damit weit über das Kopftuchverbot hinaus. Danach dürfen Beamte im Bereich des Gerichtswesens, der Rechtspflege, des Justizvollzugs und der Polizei sowie Pädagogen weder Kopftücher noch Kreuze oder die jüdische Kippa im Dienst tragen. Dagegen hatten insbesondere die Kirchen massiven Protest eingelegt. Das Land Schleswig-Holstein wollte ursprünglich Anfang 2007 ein Kopftuchverbot einführen, nahm davon jedoch 2006 wieder Abstand mehr

Bayern: Christlich-abendländische Bildungs- und Kulturwerte sind Grundlage der Verfassung

Anfang dieses Jahres beschäftigte der Streit um das Tragen des Kopftuches auch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München. Auch hier hatte die Islamische Religionsgemeinschaft Berlin gegen das im Jahr 2005 eingeführte Gesetz geklagt, das muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches verbietet. Die Islamische Gemeinschaft hatte beantragt, das bestehende Kopftuch-Verbot an bayerischen Schulen als verfassungswidrig aufzuheben, da das Gesetz etwa den Gleichheitsgrundsatz verletze, weil das Kopftuch verboten sei, die Ordenstracht von Nonnen an Bayerns Schulen aber zulässig bleibe.

Die Klage wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof abgewiesen – und zwar explizit mit Verweis auf die "christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte", die Grundlage der Verfassung seien.

Der Begriff "christlich" sei dabei so zu verstehen, wie ihn auch die Bayerische Verfassung verwende. Schüler würden "nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen. Hierunter sind nicht die Glaubensinhalte einzelner christlicher Bekenntnisse zu verstehen, sondern die Werte und Normen, die, vom Christentum maßgeblich geprägt, auch weitgehend zum Gemeingut des abendländischen Kulturkreises geworden sind. Das Wort 'abendländisch' seinerseits nimmt Bezug auf die durch den Humanismus und die Aufklärung beeinflussten Grundwerte der westlichen Welt", so die Richter des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes.

Ordenstracht ist nicht gleich muslimischem Kopftuch

Da der Verfassung die "christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte" zugrunde lägen, sei es zudem legitim, dass "der Gesetzgeber äußere Symbole und Kleidungsstücke, die zwar eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, aber mit den Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung vereinbar sind, im Unterricht zulässt". Dieser Passus in der Urteilsbegründung betrifft insbesondere Nonnen, die in Ordenstracht an Schulen unterrichten: sie dürfen weiterhin "äußere Symbole und Kleidungsstücke" tragen.

Kopftuch gegen Gleichberechtigung von Frau und Mann

Außerdem stellten die Richter klar, dass eine "unzulässige Bevorzugung der christlichen Konfessionen" mit dieser Regelung nicht verbunden sei. Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung zum Ausdruck bringen, sind grundsätzlich nicht verboten, wenn sie "mit den Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich der christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte vereinbar sind".

Die Vertreter des Bayerischen Landtags und der Staatsregierung hatten im Zuge des Verfahrens ähnlich argumentiert. Eine Lehrerin, die ein Kopftuch trage, sei nicht in der Lage, die verfassungsmäßigen Bildungs- und Erziehungsziele, insbesondere die Gleichberechtigung von Frau und Mann, glaubhaft zu vermitteln und zu verkörpern.

Quelle: Jesus.de-Newsletter vom 10.12.2007

 

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