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BND-Affäre weitet sich aus

Israelische Mossad-Agenten arbeiten mit deutscher Identität

Reisepassproduktion. bundesdruckerei.de

19.01.2006: Die Affäre um die umstrittenen deutschen Geheimdienst-Aktivitäten im Irak weitet sich aus. Der Bundesnachrichtendienst (BND) stellt Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad deutsche Pässe aus, wenn sie in den Ländern des Nahen Ostens im Einsatz sind. Diese Pässe beziehen sich auf Identitäten tatsächlich lebender Personen, die nichts davon wissen und Deutschland wahrscheinlich nicht verlassen. Dies meldet israelnetz.de in seinem Newsletter vom 18.01.2006.

Ein ehemaliger BND-Mitarbeiter packt aus

Dies geht aus dem Bericht eines ehemaligen ranghohen BND-Mitarbeiters hervor. Wie er gegenüber dem Deutschen Depeschendienst (ddp) sagte, benutzen die Mossad-Agenten die deutschen Reisedokumente derzeit etwa bei Einsätzen im Iran. Die Israelis bereiten demnach mögliche Luftangriffe auf iranische Ziele vor. Die Regierung in Teheran fordert einerseits die Auslöschung Israels und will andererseits offenbar Atomsprengköpfe herstellen. Israel hat angesichts dessen Angriffe auf iranische Atom-Anlagen ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Doppelgänger im Nahen Osten

"Mitarbeiter des Mossad bekommen für solche Einsätze zunehmend auch deutsche Legenden", sagte der ehemalige BND-Mitarbeiter. Dabei habe der BND keinen Einfluss darauf, bei welchen geheimdienstlichen Operationen der Mossad deutsche Dokumente einsetze. Die Ursprünge dieser Praxis gingen auf den BND-Gründer Reinhard Gehlen zurück, so der Informant. In den 90er Jahren nutzte der Mossad meist Reisepässe aus Kanada und Neuseeland für geheime Aktionen "auf feindlichem Gebiet". Dann seien jedoch mehrere Aktionen mit illegal erworbenen Papieren anderer befreundeter Staaten öffentlich bekannt geworden, und die Verwendung deutscher Pässe "stieg sprunghaft an".

Die Bundesbürger haben von der "Zweitverwertung ihrer Identität keine Kenntnis"

Die Papiere (Ausweise, Führerscheine und Geburtsurkunden) seien Duplikate von Deutschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit nie ihre Heimat verlassen werden. Diese Personen haben von der "Zweitverwertung ihrer Identität keine Kenntnis". Die Verwendung von Duplikaten falle nicht auf, weil die betroffenen Deutschen sorgsam ausgesucht würden und "Kerneuropa nie verlassen". Mit solchen Ausweisen könnten Mitarbeiter des Mossad im Einsatzgebiet "lange Zeit unverdächtig arbeiten", sagte der ehemalige BND-Mitarbeiter weiter.

Früher habe der Mossad Identitäten Verstorbener benutzt; dies sei im Computerzeitalter mit einem schnellen Datenaustausch weltweit "nicht mehr möglich". Ob die Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages über diese Fälle informiert wird, ist laut dem "Kölner Stadtanzeiger" nicht bekannt.

BND : "Natürlich gibt es eine Kooperation auch mit dem Mossad",
aber keine Stellungnahme zu den Vorwürfen

Der BND gab sich zu dem Bericht bedeckt: "Natürlich gibt es eine Kooperation auch mit dem Mossad. Aber zu irgendwelchen Dokumenten, die da möglicherweise weitergegeben werden, nehmen wir keine Stellung", sagte ein Sprecher der Behörde. Die Berichte deutscher Medien über die vermeintlichen Vorgänge sorgen derzeit auch in Israel für Schlagzeilen.

Untersuchungsausschuss wird sich BND-Aktivitäten im Irak beschäftigen

Mit den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes BND während des Irak-Krieges wird es einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigen. Dabei geht es auch um die Rolle des damaligen Kanzleramtschefs und heutigen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Schon an diesem Freitag, 20.01.2006, wird sich der Bundestag in einer Debatte mit den BND-Aktivitäten im Irak befassen. Steinmeier, der als Kanzleramtschef in der früheren rot-grünen Regierung auch für die Geheimdienste zuständig war, wird deswegen seine ursprünglich bis Samstag geplante Nahostreise verkürzen. Kritiker unterstellen ihm, über die BND-Aktivitäten unterrichtet gewesen zu sein.

Die FDP will die Frage nach der politischen Führung in den Mittelpunkt stellen und weniger die Aktivitäten der beiden 2003 im Irak verbliebenen BND-Agenten. Nach offiziell als falsch bezeichneten Vorwürfen sollen die Männer Zieldaten für US-Bombardements geliefert haben.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt bezweifelte die Behauptung der rot-grünen Regierung, sie habe sich weder direkt noch indirekt am Irakkrieg beteiligt. Für die Liberalen gehe es um die Aufklärung von «Grauzonen» im Anti-Terror-Kampf, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Jörg van Essen der dpa.

FDP: Verschleppung des Deutsch-Libanesen durch US-Geheimdienst CIA aufklären

Aufklären will die FDP die Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri durch den US-Geheimdienst CIA, die CIA-Flüge in Europa, die Vernehmung des in Syrien inhaftierten deutschen Staatsbürgers Mohammed Haidar Sammar sowie eines Gefangenen in Guantánamo durch deutsche Beamte. Dazu gehöre auch die Frage: «Wie gehen wir mit der Befragung von Personen um, die unter Folterumständen leben müssen?»

Die Grünen : «Klarheit tut an dieser Stelle Not.»

Die Grünen wollen hingegen beweisen, dass die rot-grüne Friedenspolitik nicht doppelbödig war. Der Vorwurf der Kriegsbeteiligung Deutschlands müsse aufgeklärt werden, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Die Anwesenheit von BND-Agenten im Irak sei ein «normaler Vorgang». Es stelle sich aber die Frage, ob die Männer auch bei der Zielfindung für die US-Armee mitgearbeitet hätten. «Klarheit tut an dieser Stelle Not.»

Regierung will Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) abwarten

Die schwarz-rote Koalition will keinen Untersuchungsausschuss. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen, plädierte dafür, zunächst die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) abzuwarten. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz bezeichnete einen Untersuchungsausschuss als «völlig überflüssig und reines Spektakel». Der Irak-Krieg sei ein «völkerrechtswidriger Angriffskrieg» gewesen. Es gebe keinen Hinweis dafür, dass sich BND-Mitarbeiter daran beteiligt hätten.

Bundesaußenminister Steinmeier hat seinen Israel-Besuch abgesagt

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte eine für heute geplante Israel-Reise ab. Die Opposition im Bundestag hatte verlangt, dass er wegen der derzeitigen Debatte um die Beteiligung des BND an der US-Aufklärung im Irak in Deutschland bleibe. Steinmeier sollte einen Israel-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorbereiten, der in anderthalb Wochen stattfinden sollte.

Uwe Schütz, AREF, 19.01.2006

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