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Bush gesteht Fehler ein und bittet um Geduld

US-Präsident übernimmt die Verantwortung für die falsche Begründung des Irakkriegs

15.12.05: So kann sich nur George W. Bush entschuldigen. Unmittelbar vor den irakischen Parlamentswahlen am heutigen Donnerstag gibt der US-Präsident unumwunden und in aller Öffentlichkeit zu, dass er Amerika und seine Verbündeten unter falschen Vorzeichen in den Krieg gegen Saddam Hussein geführt hat.

„Es ist richtig, dass die Erkenntnisse unserer Geheimdienste zum großen Teil fehlerhaft waren“, erklärt Bush in Washington: „Als Präsident bin ich für diese Kriegsentscheidung verantwortlich und ich bin auch dafür verantwortlich, dass wir korrigieren, was damals falsch gelaufen ist. Wir haben bereits damit begonnen, indem wir unsere Geheimdienste reformieren.“

So direkt hatte Bush noch nie zuvor eingeräumt, dass seine ursprüngliche Begründung für die Invasion – Saddams Massenvernichtungswaffen und dessen Beziehungen zu El Kaida – nicht stimmte. Ins Büßerhemd will sich der Präsident deshalb aber noch lange nicht werfen. Ganz im Gegenteil: „Meine Entscheidung, Saddam Hussein zu stürzen, war richtig. Saddam stellte eine Gefahr dar und es ist besser für Amerika und für die Welt, dass er nicht mehr an der Macht ist.“

Bush prophezeit Rückschläge

Es ist ein alter rhetorischer Kunstgriff, mit dem Bush die Oberhand über seine Kritiker gewinnen will: In Detailfragen mag es ja die eine oder andere Panne gegeben haben, doch an der Richtigkeit der Irak-Mission insgesamt ändert das aus Sicht des Präsidenten gar nichts. Er würde alles wieder genauso machen.

Bush schraubt die Erwartungen an die heutigen Parlamentswahlen herunter

Dennoch geht Bush mit seinen Worten jetzt wesentlich vorsichtiger um. So schraubt er etwa die Erwartungen an die heutigen Parlamentswahlen bereits im Vorfeld auf ein Minimum herunter. Der Wahltag markiere zwar einen „historischen Wendepunkt in der Geschichte der Freiheit“, betont der Präsident, aber man müsse auch in der Zukunft nach wie vor mit zum Teil herben Rückschlägen rechnen.

„Wir gehen davon aus, dass die Gewalt im Irak weiter anhält“, prophezeit er: „Und wir rechnen zudem damit, dass es nach den Wahlen eine Zeit der Unsicherheit geben wird. Es kann sein, dass wir vor Anfang Januar nicht wissen, wer gewonnen hat.“ Das müsse auch die amerikanische Öffentlichkeit verstehen, beschwört der Präsident sein an schnelle Ergebnisse gewöhntes Volk: „Das alles wird ein bisschen dauern. Und es wird ebenfalls dauern, bis sie (die Iraker) eine Regierung bilden. Die Arbeit, die jetzt vor uns liegt, erfordert sowohl von den Irakern als auch von uns viel Geduld.“

Nur noch eine Minderheit glaubt an einen Sieg

Solche Prognosen klingen eher ernüchternd. Kaum etwas scheint mehr übrig von dem flammenden Optimismus, mit dem Bush seine Irak-Mission vor zweieinhalb Jahren – reichlich zu früh, wie sich anschließend herausstellte – für erfüllt erklärt hatte. Doch auch heute verfällt der Präsident manchmal noch ins Schwärmen und träumt von einer Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens: „Wir dürfen nicht vergessen, dass ein freier Irak auch in unserem Interesse ist, weil er ein Signal der Hoffnung aussenden wird. Und wenn sich die Freiheit in der Region ausbreitet, wird auch unsere Nation sicherer sein.“

Mit dieser Hoffnung steht der Präsident am Wahltag im Irak jedoch weitgehend allein da. In einer aktuellen Gallup-Umfrage glaubt nur noch ein Drittel der Amerikaner, dass die USA den Krieg gegen die Aufständischen im Irak gewinnen können. 13 Prozent der Befragten sehen die Aufständischen als Sieger und fast die Hälfte (49 Prozent) ist davon überzeugt, dass die Lage festgefahren ist und keine Seite mehr eine Siegeschance hat.

Durchhalteparolen vom US-Präsidenten

Diese Zahlen kennt auch Bush. Der Präsident versucht den Pessimismus mit Durchhalteappellen zu kontern: „Die Terroristen wissen, dass sie uns militärisch nicht schlagen können“, beteuert er: „Deshalb wollen sie unseren Willen brechen, in der Hoffnung, dass Amerika das Schlachtfeld vorzeitig räumt. Es gibt für die Terroristen nur einen Weg, sich zu behaupten: wenn wir die Nerven verlieren und gehen, bevor wir unsere Arbeit erledigt haben. Und das wird nicht passieren, solange ich an der Macht bin.“

30.000 Zivilisten und 2.140 US-Soldaten getötet

Doch Bushs Kriegsrhetorik stößt auf immer größere Skepsis. 2.140 US-Soldaten und 30 000 Zivilisten sind bisher im Irak gefallen, wie viele müssen noch ihr Leben lassen? „Der Präsident hat immer noch nicht erklärt, wie lange dieser Krieg seiner Meinung nach dauern wird und mit welchen Kosten wir rechnen müssen“, kritisiert etwa der demokratische Senator Jack Reed.

Die Antwort darauf ist Bush bisher schuldig geblieben. Stattdessen weicht er auf unkonkrete Appelle aus. Die Sache werde noch ein bisschen dauern. Und vor allem: „Wir brauchen jetzt Geduld“.

AREF, 15.12.2005, Quelle : focus.de

mehr bei uns :
Chronik des Irakkriegs "Iraqi Freedom" 2003
Irakkrieg - Fast alles sprach dagegen
Kalenderblatt zum Irak-Krieg 2003