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Weißer Sonntag

gesendet am 11.04.2010 von Dr. Hans Frisch
Erstkommunion am Weißen Sonntag 

Tag der Konfirmation und der Erstkommunion

Heute ist Konfirmation angesagt in vielen evangelischen Kirchen, und Erstkommunion in den katholischen - es ist weißer Sonntag. Man könnte meinen, die weißen Kleider der Mädchen bei der Erstkommunion haben den Namen gegeben, doch der ist älter als dieses Fest. Fast vergessen ist der Ursprung, obwohl eine Beziehung besteht, auch zur Konfirmation.

Wer ist evangelisch, wer ist katholisch? Wer evangelisch oder katholisch getauft ist. Inzwischen muss man sagen, und nicht aus der Kirche ausgetreten ist. Die Taufbindung wird bestätigt und befestigt in der Konfirmation und der Erstkommunion. So ist gewährleistet, dass Kinder in die Kirche ihrer Eltern aufgenommen werden und - im günstigen Fall - in die Kirche hineinwachsen und drinnen bleiben. Eine eigene Entscheidung ist nicht notwendig - die Konfirmation zu verweigern wäre möglich, aber nicht nur die dann fehlenden Geschenke sprechen dagegen. Ähnlich dürfte es bei der Erstkommunion sein. Das war nicht immer so.

Am Anfang der Kirchengeschichte gehörten Ostern und Taufe zusammen

Am Anfang der Kirchengeschichte, also seit Pfingsten, 50 Tage nach dem ersten Ostern, da kamen Menschen zum Glauben durch die Botschaft von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Als Zeichenhandlung für die Annahme dieser Botschaft ließen sie sich taufen.

Als die Kirchen wuchsen, da wurden Regeln aufgestellt: Wer sich taufen lassen will, der braucht eine Einführung in das Christsein, einen Taufunterricht, der sich manchmal über drei Jahre hinzog. In der Osternacht war dann das große Tauffest für alle, die soweit waren. Im Taufbecken der Kirche, dem "Baptisterium" wurden sie nach dem Bekenntnis ihres Glaubens getauft: "Auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes", durch Untertauchen. Alle hatten weiße Taufkleider, wahrscheinlich ein Geschenk der Gemeinde, und in den Morgenmessen der kommenden Woche erschienen sie in diesen Gewändern in der Kirche, bis sie am nächsten Sonntag, dem "Weißen" Sonntag, in der großen Messe an der Kommunion teilnahmen. Es war eine festliche Aufnahme der neu Getauften in die Gemeinde, und sicher gehörten zur Liturgie Texte von den Erlösten in weißen Kleidern aus der Offenbarung.

Bald entstand der Wunsch, auch die Kinder in die Kirche aufzunehmen - und mehr und mehr kam die Säuglingstaufe auf, verstärkt, nachdem Augustinus die "Erbsünde" postulierte, die durch diese Taufe abgewaschen wird. Doch gab es noch viele Taufen von Erwachsenen, zum Beispiel, wenn ganze Stämme oder Völker christianisiert wurden.

Vor über 1.500 Jahren ließ sich der Frankenkönig Chlodwig taufen, mit ihm 3.000 seiner Anhänger, darunter viele Fürsten und Adlige. Es wurden die ausgegebenen Taufhemden gezählt.
Selbst wenn der Verdacht stimmt, dass viele zweimal oder dreimal durchs Taufwasser gegangen sind wegen der Hemden, die Kirche muss danach sehr weiß gefüllt gewesen sein. Der Gewinn für den König war politisch, es hat die Einigung der Frankenstämme sehr gefördert. Ein frommer Christ ist Chlodwig nicht geworden. So weit zurück reicht die Geschichte des weißen Sonntags.

Musik

Aus "Untergrundgemeinde" wurde Staatskirche

Als ganz Europa christlich geworden war, als die Kindertaufe Pflicht wurde in der Staatskirche, da gab es keine Erwachsenen mehr zu taufen. Die festliche Aufnahme in die Gemeinde verschob sich - so kam es zur Erstkommunion und zur Konfirmation am Sonntag nach Ostern, wo die Mädchen in Weiß erscheinen.

Eigentlich geht das uns nichts an, denn als Sender der evangelischen Freikirchen gehören wir zu denen, die sich erst als Erwachsene taufen lassen, zumindest im Jugendalter (wie die Konfirmanden) manchmal aber auch noch früher, wie die Erstkommunion. Wir nennen es "Glaubenstaufe", weil sie, wie die frühere Taufe, auf Grund der des bezeugten Glaubens geschieht.

Doch sind die Unterschiede nicht so gravierend wie es klingt: Die meisten der Taufbewerber stammen aus freikirchlichen Familien, sind dort in die Gemeinde hineingewachsen, haben den Glauben der Eltern angenommen und bezeugen es in der Taufe, ähnlich wie ein Konfirmand seinen eigenen Glauben bezeugt bei der Konfirmation, wenn er es ernst nimmt. Allerdings ist die Taufe bei Baptisten und andere Freikirchen nicht jahrgangsmäßig wie die Konfirmation, sie geschieht zum Zeitpunkt der eigenen Entscheidung.

Der Witz, in dem sich drei Pfarrer unterhalten über die Maßnahmen zur Taubenabwehr in der Kirche, und der dritte sein Patentrezept verrät: "Ich konfirmiere die Tauben, dann kommen sie nicht mehr in die Kirche", dieser Witz passt zur Glaubenstaufe nicht. Die Freikirchen wachsen langsamer, aber dafür haben sie deutlich weniger Kirchenaustritte.

Manchmal ist so ein Taufsonntag auch etwas ein "weißer Sonntag", wenn 10 oder noch mehr in weißen Kleidern am Taufbecken stehen, wo sie, wie früher, untergetaucht werden.
Eine Konfirmation gibt es für diese Täuflinge nicht, doch brauchen auch Freikirchen einen Ersatz dafür. So wird die "Entlassung aus dem biblischen Unterricht" feierlich begangen - im Konfirmationsalter.

Die Aufnahme des Kindes als eigenverantwortliches Mitglied in die Gemeinschaft gibt es in allen Kulturen

Damit sind wir an einen interessanten Punkt: In praktisch allen Kulturen, sogar im Sozialismus und in den freigeistigen Gemeinschaften, steht am Ende der Kindheit eine festlich-kultische Handlung, die "Initiation", die "Einweihung". Es ist die Aufnahme des Kindes als eigenverantwortliches Mitglied in die Gemeinschaft. Im jüdischen Volk ist es die "Bar mizwa" mit 13 Jahren; in so genannten "primitiven" Kulturen sind es verschiedene Initiationshandlungen, oft angstmachend und gefährlich; in so genannten "aufgeklärten" Gemeinschaften ist es diese oder jene Art der Jugendweihe.

Die Reifung der Persönlichkeit verlangt nach einem solchen Schritt aus der Kindlichkeit in die Selbstbestimmung, und die Gemeinschaft muss sich hier für die Person öffnen und sie aufnehmen. Deshalb werden sich Konfirmation und ähnliche Handlungen auch in Zukunft halten, selbst wenn das Bekenntnis und die Festreden nicht mehr ernst genommen werden. Mit anderen Worten: Das Bedürfnis nach Initiation bleibt - ob die angebotene Handlung verbindliche Folgen hat, ist offen und oft fraglich - mit der Taufe hat das im Grunde nichts zu tun.

Musik

Wie von neuem geboren

Zurück zum "Weißen Sonntag", dem Tag der neu getauften Erwachsenen in der Kirche. Die allermeisten waren dem Initiationsalter längst entwachsen. Sie hörten einen Text aus dem ersten Petrusbrief:

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. (1. Petrus 1, 3)

So legt nun ab alle Bosheit und allen Betrug und Heuchelei und Neid und alle üble Nachrede, und seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil. (1. Petrus 2, 1)

Dieser Text trifft die Situation, in der sich die Getauften vorfanden, und das gab dem Sonntag seinen eigentlichen Namen: "Quasimodogeniti" - "wie die Neugeborenen Kindlein".
"Wiedergeboren", das ist der Fachausdruck in frommen Kreisen für bekehrte Menschen, für "wiedergeborene Christen".

Da waren Menschen, die ihr Leben in die Hand genommen hatten, sich Erfolg erarbeitet und erkämpft hatten. Mancher Trick und manche Lüge waren dabei notwendig und manches Opfer blieb da auf der Strecke. Da hatten sich Menschen verirrt in Betrug und Verbrechen, die Lebensperspektive war zunehmend verdunkelt. Manche waren verletzt und in ihrer Seele, geschädigt durch Lieblosigkeit, Ablehnung oder Missbrauch - ihr Selbstwertgefühl war vernichtet. Sie und viele andere hörten die Botschaft von Gottes Liebe und Gnade, die nicht nach ihrer Leistung, ihrer Schuld, ihrem Versagen fragt. Sie können zu ihm kommen, wie der verlorene Sohn zum wartenden Vater zurückkehrt. Und Jesus hat diesen Zuspruch besiegelt mit seinem Leben, seinem Leiden und seinem Tod - Ostern war Gottes Bestätigung.

Das haben damals Menschen so erlebt, und später immer wieder Menschen. Sie erlebten Befreiung von Zwang, von Angst, von Schuld - sie wussten sich absolut geliebt, wie "wiedergeboren" - "quasi modo geniti".

Das Untertauchen ins Taufwasser, und das Wiederauftauchen, der Zuspruch und das weiße Kleid entsprachen genau dieser Erfahrung. Und jedes Jahr wurde die Erinnerung daran erneuert durch den Weißen Sonntag, an dem andere in weißen Kleidern in die Kirche einzogen.

Eigentlich ist es schade, dass diese Erfahrung in den Kirchen nicht mehr möglich ist. Erstkommunion und vor allem Konfirmation sind ein recht schwacher Ersatz dafür. Das Angebot der befreienden Gnade für uns besteht unverändert: Jeder kann es jederzeit neu oder erneut bewusst annehmen - auch ohne Taufe und ohne weißes Kleid. Doch ist ein mehr oder weniger öffentliches Bekenntnis sehr hilfreich, vielleicht dem Pfarrer gegenüber, der damals konfirmiert hat, oder einem Freund gegenüber, der sich darüber freut.

In den Freikirchen wird das Bekenntnis vor der Taufe der ganzen Gemeinde bezeugt.

Dr. Hans Frisch

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