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Irak

gesendet am 26. Januar 2003 von Hans Frisch
Irak Karte 

Zwischen Euphrat und Tigris

Schauplatz der Menschheitsgeschichte: Paradies, Sintflut, Turmbau zu Babylon, Heimat von Abraham, babylonische Gefangenschaft des israelischen Volkes

Irak ist das Thema, es soll heute auch bei uns Thema sein. Nun haben wir keinen Korrespondenten in Bagdad, auch keinen Irakspezialisten in der Leitung, nicht mal eine besondere Fachkunde können für vorweisen, trotzdem soll es versucht werden.

Weil wir mit den aktuellen Medien nicht mithalten können, wählen wir einen anderen Blickwinkel, gewissermaßen von unten, von hinten nähern wir uns dem Gebiet dort zwischen Euphrat und Tigris.
Die ältesten Medien, die Auskunft geben, die deckt die Archäologie auf, und die ältesten Funde der Kultur finden sich dort, wo heute der Irak ist. So ist es nicht falsch, dass die Bibel den Ursprung der Menschheit dorthin verlegt, auch wenn die Anthropologen die ersten Spuren der Menschen in Afrika sehen.

Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte.
So erzählt die Bibel vom Paradies.
Zwischen Euphrat und Tigris, das ist das Kernland des Irak - eine Ebene wie ein Brett und deshalb immer wieder überschwemmt. Was am Nil einen schmalen fruchtbaren Landstreifen entstehen läßt - Wasser und Schlamm der Überschwemmungen - hier hat es eine weite fruchtbare Landschaft erzeugt.

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.

Und das hat er getan. Sehr früh erkannten die Menschen dort in dem Land zwischen den Strömen, dass Wasser die Quelle der Fruchtbarkeit ist - und, dass es zu großen Gefahr werden kann. "Im Schweiße ihres Angesichts" gruben sie Kanäle, die sumpfiges Gebiet entwässerten, trockenes Gebiet fruchtbar machten, dem Hochwasser Abfluß verschafften - und so auch für eine wachsende Bevölkerung das Paradies bewahrten.

Weil Menschen diese Arbeit nur gemeinsam bewältigen konnten, entstanden bald auch soziale Strukturen. Aus Bauern, die alles Lebensnotwendige selbst erarbeiteten und erzeugten wurden Städter mit Arbeitsteilung und Spezialisten - und einer Verwaltung für eine gerechte Verteilung der Lebensmittel und der Güter in der Gesellschaft.

Mittelpunkt dieser Verwaltung war der Tempel mit der Priesterschaft, auch die Könige bekamen von diesen ihre Weihe und Autorität. Damit wurde der Tempel Zentrum der Macht, alles Land gehörte der Gottheit, und göttliche Gesetze ordneten das Land. Beamten wurden notwendig, Handwerker für den Tempelbau und die Götterbilder und - die Schrift! Anfangs nur Zeichen für Gegenstände und Waren, verknüpft mit Zahlen - später Listen, Briefe, Gesetze und schließlich Geschichten.

Weil all dieses nicht geschrieben wurde, sondern mit Stiften in Ton geritzt oder gedrückt wurde, sind die Bibliotheken erhalten geblieben und erzählen uns von dem äußeren Leben und auch vom inneren Erleben der Menschen damals. Denn die Geschichten sind Geschichte, sind Deutungen über das "Woher" und "Warum". "Mythen" nennen wir solche Geschichten, und mit der ältesten Schrift in Mesopotamien sind uns auch die ältesten Mythen der Menschheit überliefert. Sie erzählen von Göttern und Helden, von Königen und Reichen. Wie in der Bibel gehören diese Geschichten einer untergegangenen Welt an, untergegangen in der großen Flut, die nur einer mit seiner Familie überlebte in der Arche.

Wenn wir schon Schwierigkeiten haben, das biblische Alter der Menschen vor der Sintflut von einigen hundert Jahren uns vorzustellen, die Könige vor der Flut in den Mythen haben 28.000 oder sogar 36.000 Jahre geherrscht. Weil sie nur in der Erinnerung der Überlieferung lebendig blieben, ist es nicht verwunderlich, dass sie bis zum Aufkommen der Schrift schon sagenhafte Gestalt angenommen hatten.

In der Bibel und in den Mythen ist die große Flut, die Sintflut, das Ereignis, mit dem die alte Geschichte endet und ein Neuanfang geschieht.

Musik

Lange Zeit galt die Sintflut als historische Tatsache, dann wurden die Menschen aufgeklärt und der biblische Bericht wurde zum Märchen. Auch die Entdeckung der großen Flut und der Arche in den Mythen der Keilschriften änderte das nicht. Bis 1929 die Sensationsmeldung durch die Zeitungen gingen: "Die Sintflut ist ausgegraben!"

Zwölf Jahre hatte ein englisch-amerikanisches Team eine Stadt am Unterlauf des Euphrat aus dem Sandhügel gegraben, hatte Gräber gefunden deren Pracht mit den Pharaonengräbern mithalten konnte, obwohl sie 1000 Jahre älter waren, und waren schließlich auf den Grund gekommen, wo keine Baureste und kein Schutt mehr zu finden waren, reiner Lehmboden, wie es in dem Schwemmland des Flußdeltas zu erwarten war. Doch liegt die Schicht viel höher als der Fluß. Wie sollte der Lehm sich dort oben ablagern? Man grub weiter, und unter einer drei Meter dicken Schicht stieß man wieder auf Spuren einer Besiedlung, viel älter als die über dem Lehm. Keine andere Deutung ist möglich: Vor 4.000 Jahren wurde der Ort unter der Schicht von einer gewaltigen Flut vernichtet, die eine drei Meter dicke Schlammschicht hinterließ, und diese Flut hat sich in die Erinnerung der folgenden Generationen der Geretteten und in ihre Geschichten eingegraben.

Wir würden das heute als Klimakatastrophe bezeichnen, was damals, als die Eismassen der Eiszeit abschmolzen auf der ganzen Erde zu gewaltigen Überschwemmungen geführt hat, die in den Geschichten der Völker aufbewahrt wurden. Auf den Lehmschichten wuchsen wieder Städte, schneller als zuvor, denn die technischen und organisatorischen Errungenschaften der Menschheit waren erhalten geblieben. Zwei dieser Städte gerieten besonders in den Blickpunkt der Bibel: Babylon und Ur.
Zunächst Babylon, obwohl es jünger ist als Ur.

Nach der Sintflut hatten die Menschen sich vermehrt und, weil sie alle Nachkommen von Noah waren, hatten sie alle eine Sprache.

Text:
Als sie nun nach Osten zogen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinear und wohnten daselbst.
Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, laßt uns Ziegel streichen und brennen! - und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel und sprachen: Wohlauf, laßt uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.

Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun.

Wohlauf, laßt uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort in alle Länder, dass sie aufhören mußten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Länder Sprache und sie von dort zerstreut hat in alle Länder.

Zu der kurzen Geschichte wäre viel zu sagen, und ist viel gesagt worden. Die Stadt hatte Bestand bis in die geschichtliche Zeit. Alexander der Große wollte sie zu einer Hauptstadt in seinem Reich machen, dazu sollte der Turm von Babel mit seiner Grundfläche von 90 mal 90 Metern wieder aufgebaut werden. 10.000 Arbeiter beseitigten den Schutt des alten Turmes, doch dann starb Alexander in Babylon, der Bau wurde nicht fortgesetzt und Babylon verlor seine Bedeutung. Erst die Archäologen haben es wieder aus dem Schutt gegraben.

Nun war in Babel nicht der einzige Turm, überall im Land standen Türme, z. T. gewaltige Terrassenbauten, auch in Ur. Diese Stadt gab es zunächst nur in der Bibel, Abraham lebte hier, bevor Gott ihn auf die Reise schickte. Es war eine Sensation, als die Archäologen entdeckten, dass unter einem gewaltigen Sandhügel tatsächlich die Stadt Ur lag. Die Größe und der Reichtum der Stadt waren die nächste Sensation, und dann die Ausgrabung der Sintflut.

In der Bibel ist Ur mit der Ausreise Abrahams abgehakt, Babylon kehrt wieder. Es wurde zum Zentrum des babylonischen Reiches und der König Nebukadnezar war der, welcher Jerusalem eroberte und zerstörte und die Juden in die babylonische Gefangenschaft führte. Die war für das jüdische Volk eine entscheidende Erfahrung: Gott hatte sie durch den Propheten Jeremia gewarnt, und sie hatten nicht gehört. So wurde die Katastrophe als Gericht erlebt. In der Gefangenschaft verkündeten Propheten Gottes Geduld und Vergebung - Hesekiel mit seinen Visionen und der Deuterojesaia mit seinen Trostworten:

"Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist."

Nach 40 Jahren besiegte der Perserführer Kyros Babylon und schickte die Juden nach Hause, gab ihnen den Auftrag, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen und zum Auftrag auch noch die Mittel. Es war wie ein Wunder.

Doch noch etwas brachten sie mit aus der Gefangenschaft. Dort, weit weg vom Tempel der in Trümmern lag, da hatten sie die Synagoge erfunden als einen Ort für den Gottesdienst ohne Tempel und ohne Priester, aber auch die unsterbliche Sehnsucht nach Zion, nach dem heiligen Jerusalem hatte sich ihrem Herzen eingeprägt. Beides hat das Volk durch viele spätere Katastrophen am Leben erhalten.

So wurde das Land am Euphrat und Tigris, der Ort des Paradieses, die Heimat ihres Stammvaters Abraham zum Ort einer entscheidenden Erfahrung von Fall und Erlösung.

Musik

Paradiesischer Garten Eden, die Gegend der Sintflut, Stadt des Turmbaus von Babel, Heimat des Stammvaters Abraham, Ort der babylonischen Gefangenschaft, so ist das Gebiet des heutigen Irak in der Bibel präsent im Alten Testament. Die Erfahrungen des jüdischen Volkes in der babylonischen Gefangenschaft - ein Gottesdienst ohne Tempel, die Synagoge, die Sehnsucht nach Zion, dem heiligen Jerusalem, auch die Erfahrung von Schuld und Vergebung, von Katastrophe und Rettung, die haben die Existenz dieses Volkes durch Jahrtausende möglich gemacht und werden heute zentrale politische Wirklichkeit. Die Bedeutung des jüdischen Staates Israel auch für den heutigen Konflikt mit dem Irak ist wohl größer, als aus den Diskussionen ersichtlich wird.

Doch wir wollten von unten, von hinten her dorthin schauen und hatten das Land zwischen Euphrat und Tigris im Alten Testament angesehen.

Das Neue Testament hat ganz am Anfang eine Geschichte aus Babylon, wir haben in der Sendung zur Epiphanias davon erzählt. Die Weisen aus dem Morgenland, besser bekannt als die "Heiligen Drei Könige", die kamen vom Euphrat. Dort hatte eine Religion der Sternengötter Astrologie und Astronomie hervorgebracht, und die Weisen waren wohl Priester dieser Religion. Dass Gott auch ihnen die frohe Botschaft , das Evangelium verkündete, nicht hebräisch, aramäisch oder griechisch sondern auf "astrologisch", das ist eines der schönen Wunder, über die ich staune.

Danach taucht Babylon im neuen Testament erst am Ende wieder auf. Petrus schreibt seinen Brief aus der Gefangenschaft in Rom und grüßt die Empfänger "aus Babylon". Die wußten was gemeint war, Rom die Stadt des Luxus, der Macht, der vielen Götter - ein "Sündenbabel". Mit dieser Bedeutung taucht Rom als "Babylon", als "die große Hure" auch in der Offenbarung des Johannes auf. Von dem Babylon am Euphrat ist nirgends im Neuen Testament die Rede. Das ist nicht verwunderlich. Zwar existierte die Stadt am Euphrat noch, aber neue Hauptstadt in dem Gebiet war Seleukia, die griechische Stadtgründung am Tigris. Zunächst verfiel die Bedeutung Babylons, schließlich auch die Stadt.
Mit dem Verfall der Städte verkam auch das System der Kanäle und Dämme, die Wüste eroberte weite Gebiete, bedeckte die alten Städte mit Sanddünen aus denen sie erst in unserer Zeit mühsam wieder ausgegraben werden.

Auf die Sumerer, Babylonier, Perser, Griechen folgten Römer, Parther, Araber, Türken. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Land in Interessensphären der Europäer geteilt, Grenzen wurden gezogen, die mehr der Aufteilung des Ölreichtums als der Bevölkerung entsprachen - und so entstand auch der Staat Irak. Dessen Hauptstadt Bagdad liegt 90 km nördlich von Babylon.

Damit sind wir in der Jetztzeit angekommen, die aber nicht unser Thema sein sollte, weil wir dafür keinen Reporter vor Ort, keinen Spezialisten in der Leitung und auch nicht die nötige Fachkunde haben.

Dr. Hans Frisch