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Olympia 2008 gesendet am 31.08.2008 von Dr. Hans Frisch
 

Zur Fußball-WM und zur Fußball-EM hatten wir uns eine unmaßgebliche Meinung gebildet - und nun ist die Olympiade 2008 vorüber.

Schon die Eröffnungsfeier konnte einen erschlagen mit der Wucht von 2008 Trommlern und der Kraft von 2008 Kun-Fu Kämpfern. Doch verlief das alles so geordnet und so reglementiert, dass Angst allenfalls vor der ordnenden und reglementierenden Macht dahinter aufkam. Völlig erschlagen wurde man - wenigstens wurde ich - von den Leistungen, die dann gezeigt wurden.

Heute noch empfinde ich etwas Stolz, dass ich am Reck den Felg-Umschwung geschafft hatte in der Schulzeit - was dort in Peking am Reck zu sehen war - dank der perfekten Wiedergabe konnte man es fast erleben - das war soweit über allem was ein normaler Mensch sich vornehmen oder auch nur vorstellen kann - mir verschlug es den Atem. Und so immer und immer, wenn man hinschaute, es gab ja reichlich Sendezeit aus Peking.

Dass diese Athleten und die Extremleistungssportler keine Profis sind, ist kaum vorstellbar. Man kann nur hoffen, dass die Lebenszeit, die sie in ihren Sport investiert haben, sich auch wirtschaftlich rentiert, durch Sponsoren, durch Prämien, als Werbeeinnahmen und nachfolgende Verträge. Die Summen um die es dabei geht erreichen ja die Millionengrenze.

„Die Spiele in Peking waren wirtschaftlich ein Erfolg“ überschrieb die FAZ einen Artikel über den Kassensturz - und da wurden auch unvorstellbare Rekorde erzielt - sowohl bei den Kosten als auch bei den Gewinnen, allen voran aus Übertragungsrechten.

„Schwer zu ermessen bleibt, wie das Land von der internationalen Aufmerksamkeit profitiert“, steht in dem Bericht. Man wird sehen!

Das alles kann nicht unser Thema sein - denn AREF ist die „Arbeitsgemeinschaft Rundfunk evangelischer Freikirchen“ - und die haben dafür keinerlei Kompetenz.

Eine Meinung müssen aber auch wir uns bilden - und das ist gar nicht leicht.

Sicher gibt es fromme Christen, die mit dem allen nichts zu tun haben wollen - was angesichts der religiös aufgeladenen Atmosphäre bei der Eröffnung und der Verherrlichung menschlicher Leistung durchaus nachvollziehbar ist - wir gehören nicht dazu.

Sicher gibt es unter den Sportlern und unter den begeisterten Zuschauern viele fromme Christen - doch haben die Spiele selbst mit dem Glauben nichts zu tun, und sie sollen es auch nicht. Denn Christsein ist nichts für die Bühne oder die Arena, sondern es ist im Leben - in dem Leben, in das die Athleten und die Zuschauer wieder zurückkehren, in dem sie sich bewähren müssen oder versagen - selbst mit Goldmedaille.

Musik

Eine christliche Meinung zu Olympia, das ist gar nicht leicht. Den Ursprung der Feste im heidnischen Griechentum zu kritisieren, wäre fast lächerlich - auch wenn das heilige olympische Feuer immer noch von dort geholt wird. Zeus oder andere Götter sind vergessen. Es geht um den Menschen, doch eigentlich um den „Übermenschen“ - und dessen Prophet war Nietzsche. Er glaubte nicht an einen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit. Ziel seien immer wieder die auftretenden höchsten Individuen, die, hart und mitleidlos mit anderen und vor allem mit sich selbst, sich zu „Übermenschen“ machen, die aus der Menschheit und sich selbst ein wertvolles Kunstwerk schaffen - alle anderen sind nur eine Art Grundmasse, aus der die Übermenschen heraus steigen. So beschreibt Wikipedia den Begriff „Übermensch“ bei Nietzsche.

Dass diese „Grundmasse“ mit ihrer Leistung erst die Möglichkeit zu solchen übermenschlichen Leistungen hervorbringt, das hat er übersehen.

Als die „Olympiade der Neuzeit“ 1894 begründet wurde, da war Nietzsche schon Jahre in geistiger Umnachtung - doch die Entwicklung der Spiele erscheint wie die Erfüllung seiner prophetischen Worte. „Welche Sühnefeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen um uns zu trösten" so fragt er in dem Text, in dem steht: „Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet.“

Es ist fraglich, ob die Heiligkeit der Liturgie in der Eröffnungsfeier von Peking noch zu übertreffen ist - mit Sicherheit wird der Trost, den Sportler oder Zuschauer dort erfahren haben, nicht lange vorhalten. Die Nachfrage auf dem „Trostmarkt“ wird bleiben und wachsen, und so werden bis zur Olympiade in London 2012 noch viele „heilige Spiele“ angeboten und angenommen werden - nicht nur im Sport.

Und es entsteht der Eindruck, dass die Wirkung immer flüchtiger wird, so dass ein Event das nächste ablöst – auch in Bayreuth und in Salzburg, beim Rock im Park oder im Taubertal, und, und, und, - mit steigender Nachfrage.

Nietzsche sah das als Folge davon, dass Gott tot ist. Und irgendwie hatte er recht.

Die Kirchen waren mit der Staatsmacht verbunden, die Zugehörigkeit zu ihnen war eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit - und ehe man überhaupt denken konnte, gehörte man kraft der Taufe dazu. Eine persönliche Entscheidung für den Glauben wurde nicht gefordert. Pfarrer - mit Anspruch auf ein Pfarrhaus und Pensionsberechtigung, wurde man durch das Studium der Theologie - wenn man nicht eine akademische Karriere vor zog.

Nietzsche wollte beides nicht und brach sein Theologiestudium ab. Er wurde Vordenker und Vorkämpfer in der breiten Front des Atheismus.

Gemeinschaften, die persönlichen Glauben ernst nahmen wurden als „Pietisten“ eher verspottet, Täufer, welche die Kindertaufe ablehnten und nur die freie Glaubensentscheidung respektierten – also die Vorläufer der Freikirchen - wurden zwar nicht mehr verbrannt oder enthauptet, aber behindert und diskriminiert. Wahrscheinlich hatte er nichts mit solchen Christen zu tun.

In eineinhalb Jahrtausenden war aber der Gottesglaube so verwoben in die geistigen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen, dass der „Tod Gottes“ dramatische Folgen haben musste, und die sieht Nietzsche kommen.

1900 starb er- und es kam schlimm, so schlimm, dass viele nicht mehr an einen „gnädigen Gott“ glauben konnten und glauben können.

Dass es gottlose Mächte waren, welche die Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts brachten, wird wohl keiner bezweifeln, auch wenn auf dem Koppelschloss der Soldaten stand: „Gott mit uns“. - und zum Teil haben sie sich direkt auf Nietzsche berufen.

Da sind wir von der Olympiade in ein eigenartiges Gebiet geraten - doch „Übermensch“ und „heilige Spiele“ haben uns dahin gebracht. Jetzt bin ich gespannt, was daraus wird.

Musik

„Der Übermensch gibt der Menschheit einen Sinn“ - und nicht nur im Sport gilt die Devise: „höher, schneller, weiter!“ - eigentlich: „Am höchsten! Am schnellsten! Am weitesten!“ Und über der milliardenfachen Grundmasse der übrigen Menschen treten die Sieger ins Rampenlicht.

„Gott ist tot.“

Doch, wieder unten, im wirklichen Leben, da sind auch sie Männer die mit ihren Frauen leben und nicht Bewunderung brauchen sondern Liebe; Frauen, die geliebt sein wollen, nicht wegen ihres Ruhmes oder ihrer Leistung; und da hilft keine Kraft und kein superschneller Lauf.

Und die vielen, die ohne Medaille nach Hause kommen - sie können sich trösten mit dem Spruch: „Dabei sein ist alles.“ - aber mit einer Leistung, die haushoch über allem war, was ich je leisten könnte, fühlen sie sich als Versager.

„Hart und mitleidlos gegen die anderen und gegenüber sich selbst“, so müssen die „Übermenschen“ sein.

Es ist schon gut, dass die Spiele vorüber sind und das Leben wieder seinen „normalen Gang“ findet - mit seinen Selbstzweifeln, die zu überwinden sind, mit Missverständnissen, die das Vertrauen prüfen; mit Erfolgen nach geduldiger, harter Arbeit und mit Misserfolgen, die es zu verkraften gilt; mit Angst, von der man sich nicht lähmen lässt und Hoffnung, die man festhält und auch weitergibt.

Hier werden Goldmedaillen gewonnen, die keiner sieht und die nichts einbringen - aber Ehen erhalten trotz Fehlern und Verletzungen, und damit Lebensraum erhalten für Kinder in den Familien.

Lehrer wecken zerstörtes Selbstvertrauen in Schülern und öffnen Entwicklungswege - das braucht Geduld und Einsatz wie ein hartes Training.

Partner sind treu, auch in starker Versuchung - eine Anstrengung wie Gewichtheben, und die Liebe bleibt am Leben.

Mitten in dieser „Grundmasse Menschheit“ läuft Tag für Tag diese Olympiade, und mit den wirklich menschlichen Maßstäben gemessen, hat der Verrat einer Freundschaft unendlich größeres Gewicht als das Doping beim Radrennen.

Gott ist nicht tot - er ist in diesem Spiel des Lebens, nicht nur als Beobachter oder Richter, er nimmt daran Anteil.

„Gott ist Liebe“ sagt die Bibel - wer die Liebe verrät, der verletzt Gott.

„Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern will, dass er lebe“ - wer dem Schuldigen vergibt und ihm neue Chancen gibt, der steht an Gottes Seite.

“Ich bin heilig, und ihr sollt heilig sein!“ - so begründet er das Gesetz - damit bekommen unsere kleinen, auch die verborgenen Entscheidungen ein unglaubliches Gewicht.

Doch, Gott sei Dank, es geht nicht darum, ob wir am Ende die Goldmedaille errungen oder versagt haben, es geht um eine Einladung in seine Liebe, in ein Leben ohne Versagensangst, ohne verdrängte Schuld, sondern mit vergebener Schuld, mit einem Selbstbewusstsein das nicht auf Anerkennung angewiesen ist oder Bewunderung, ein Leben in eine offene Zukunft - nicht in Angst vor dem Tod.

Damit das nicht alles Wunschvorstellung, Fantasie, Traum bleibt, ist Gottes Liebe konkret geworden in einer Person - Jesus. Und der hat nicht nur geredet von diesem Gott, der Liebe ist, er hat sich selbst hingegeben als Pfand, in einer wahrhaft übermenschlichen Leistung.

An diesem Sieg kann jeder teilhaben, der sein Selbst, seine Liebe, seine Treue als heilig wertet, und bei allem Versagen, allem Misstrauen, allem Verrat Vergebung annimmt, die einen neuen Anfang und neue Freiheit schenkt.

Billiger geht es nicht.