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Bevölkerung schrumpft, aber Straßengüterverkehr wächst

Berlin-Institut: Kraftstoffverbrauch steigt trotz Klimawandel-Debatten

Der Kraftstoffverbrauch und die Kohlendioxid-Emissionen legen beim Güterverkehr weiter zu - und auch beim Personenverkehr ist kein Ende des Wachstums in Sicht

31.05.2010: Trotz Klimawandel und der Debatten um Nachhaltigkeit, trotz Alterung und rückläufiger Bevölkerungszahlen: Der Straßengüterverkehr in Deutschland nimmt in Zukunft weiter zu. Weil die Zahl der Lkw, der Tonnen von Gütern und der Kilometer, über welche die Fracht transportiert wird, steigt, wachsen auch der Energieverbrauch und die Kohlendioxid(CO2)-Emissionen. Das ist das Ergebnis der gerade erschienenen "Shell Lkw-Studie. Fakten, Trends und Perspektiven im Straßengüterverkehr bis 2030", die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und unter Mitarbeit des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts entstanden ist.

In der letzten Pkw-Studie hatte Shell bereits vorausgesagt, dass der Pkw-Bestand und die zurückgelegten Kilometer bis 2020 zunehmen werden. Vor allem Frauen und die Altersklasse der über 50-Jährigen werden bei der Motorisierung und der Auto-Mobilität kräftig zulegen. Erst 2030 werden die Pkw-Fahrleistungen wieder auf das heutige Niveau zurückfallen. In den demografischen Schwundregionen, in denen Bus und Bahn nur noch selten oder gar nicht mehr fahren, sind die verbleibenden Bewohner oft gezwungen, vermehrt das Auto zu nutzen. Die Wege werden im ländlichen Raum länger, wenn sich Landstriche entvölkern - und die Kosten der Infrastruktur müssen auf die Schultern von immer weniger Bürgern verteilt werden.

Die neue Shell Lkw-Studie bündelt viele grundlegende Informationen. Das Güterverkehrsaufkommen etwa, also die Menge der im Inland beförderten Waren, ist in den letzten 20 Jahren stetig gestiegen und lag 2008 bei rund vier Milliarden Tonnen pro Jahr. Multipliziert man das Güterverkehrsaufkommen mit der jeweils zurückgelegten Strecke, erhält man die sogenannte Güterverkehrsleistung. Auch die ist in den letzten Jahren gewachsen: von 400 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 1991 auf 670 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 2008.

Im Güterverkehr schlagen sich die ökonomischen Beschaffungs-, Produktions- und Nachfragestrukturen nieder. Herstellung und Handel laufen zunehmend grenzüberschreitend ab, die Wertschöpfungskette ist in kleine Einheiten zerlegt, die Zwischenprodukte einer Ware werden oft in verschiedenen Ländern gefertigt und deshalb über weite Entfernungen transportiert. Das wird sich laut Shell Lkw-Studie auch in Zukunft nicht ändern. In Deutschland, das von 2003 bis 2008 jährlich Exportweltmeister war und 2009 nur von China abgehängt wurde, ist der nationale und internationale Güterverkehr ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Mehr als zwei Drittel der Waren sind per Lkw unterwegs

Welchen Anteil haben nun die verschiedenen Transportmittel am Güterverkehr? Die Daten dazu liegen vor und klammern lediglich den Straßengüternahverkehr bis 50 Kilometer Entfernung aus. Auf die Straße entfallen der Untersuchung zufolge hierzulande knapp 70 Prozent der Güterverkehrsleistung. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren vor allem zu Lasten von Eisenbahn und Binnenschiff gestiegen, den immer höheren Energie- und den Mautkosten zum Trotz. Die Bahn erledigt demgegenüber nur 18 Prozent der Transport-Tonnenkilometer, die Binnenschifffahrt zehn Prozent. Auf die Rohrfernleitung, also Pipelines etwa für Öl oder Gas, kommen 2,5 Prozent und auf das Flugzeug 0,2 Prozent der Güterverkehrsleistung. Die Abschätzungen bis 2025 sagen voraus, dass Schiene und Schiff zukünftig zwar mehr Waren transportieren werden, aber anteilig einen Prozentpunkt einbüßen werden. Der Straßengüterfernverkehr dagegen wird gegenüber 2004 bis 2025 um 84 Prozent zulegen - das heißt, dass etwa vier Fünftel des Verkehrsleistungswachstums auf den Lkw entfallen, der dann drei Viertel des Transports übernimmt.

Flexibilität und Schnelligkeit stehen beim Güterverkehr im Vordergrund

Ökologische Aspekte spielen bei der Wahl des Verkehrsmittels nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind den Unternehmen den Autoren der Studie zufolge etwa Flexibilität, Schnelligkeit und Infrastrukturdichte, also etwa der Anschluss an Autobahnen. Die Studie erwähnt nur am Rande, dass durchaus umstritten ist, ob die externen Kosten für Wegebau oder Umweltschäden den verschiedenen Verkehrsmitteln korrekt angelastet werden. Energieeffizienz oder Alternativen zum Güterferntransport, etwa ein verändertes anderes Konsumverhalten, werden nicht diskutiert. Die Bereiche Lärm und Sicherheit werden sogar explizit ausgeklammert.

Auf den Verkehr entfielen 2008 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland, ein Viertel davon - also fünf Prozent aller CO2-Emissionen - entstanden durch den Straßengüterverkehr. Dessen Anteil wächst. Auf Deutschland entfallen europaweit rund ein Viertel aller Neuzulassungen von Lkw und Sattelzugmaschinen über 3,5 Tonnen und ist damit der größte Fahrzeugmarkt in Europa. 1990 zählte das Land noch einen Gesamtbestand an Nutzfahrzeugen von etwa 1,5 Millionen, 2008 waren es bereits gut 2,5 Millionen. Das entspricht einem Wachstum um zwei Drittel.

Der Verkehr verursachte im Jahr 2008 ein Fünftel der CO2-Emissionen

Der Verkehr hatte im Jahr 2008 einen Anteil von 20 Prozent an den gesamten CO2-Emissionen in Deutschland und war damit nach der Energiewirtschaft der stärkste Emittent. Der Straßengüterverkehr allein hatte einen Anteil von fünf Prozent. 13 Prozent entfielen auf Personenkraftwagen und zwei Prozent auf den übrigen Verkehr. Der Straßengüterverkehr verursachte damit deutlich geringere CO2-Emissionen als der motorisierte Individualverkehr (Quelle: Shell Lkw-Studie 2010).

Die Studie verweist auf die EU-Politik und die zulässigen Emissions-Grenzwerte für Lkw: Diese seien zwar das Ergebnis zäher Verhandlungen, würden den Umweltanforderungen aber dennoch nicht gerecht, gestehen die Autoren ein. Da hilft es wenig, dass sich die Technik der Motoren ständig verbessert und dass damit der Straßengüterverkehr immer sauberer wird. Zudem erhöht die technisch aufwändigere Abgasreinigung den Energieverbrauch und macht die Lkw teurer.

Shell hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bereits mit seinen Pkw-Studien einen Namen gemacht. Die Veröffentlichungen liefern durchaus interessante Informationen - doch um eine ausgewogene und ausführliche Aufklärung über die Verkehrsthematik und -problematik zu erhalten, sind weitere Quellen unerlässlich. Aus ökologischer Perspektive ist der Straßengüterverkehr, der massiv von der staatlichen Förderungspolitik profitiert, kaum als nachhaltig einzustufen. Die brennende Frage ist nicht, wie sich der immer weiter wachsende Verkehr bewältigen, sondern wie sich die Bevölkerung bei weniger Verkehr mit den notwendigen Gütern versorgen lässt

Quelle: DEMOS-Newsletter vom 31.05.2010 des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung

 

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