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BND-Untersuchungsausschuss

BND: Kurnaz war als „potenzieller Gefährder“ eingestuft

22.03.07: Der in Bremen geborene Türke Murat Kurmau sei nach der damaligen Informationslage im Jahr 2002 ein „potenzieller Gefährder“ gewesen, sagte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) Ernst Uhrlau. Die Entscheidung, Kurnaz im Falle einer Freilassung aus Guantánamo nicht nach Deutschland einreisen zu lassen, sei deshalb aus Gründen der Sicherheit und der Gefahrenprävention getroffen worden, sagte Uhrlau am Donnerstag bei seiner Vernehmung im BND-Untersuchungsausschuss.

Es habe Hinweise gegeben, dass Kurnaz militanten islamistischen Strukturen zuzurechnen sei, sagte Uhrlau. Seine Reise nach Pakistan wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 weise klassische Elemente der Rekrutierung für islamistische Kämpfer auf. „Das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet ist für das Koranstudium nicht der rechte friedliche Ort.“ Uhrlau betonte, der Verdacht, dass Kurnaz in eine militante islamistische Struktur in Bremen hineinwuchs, habe sich aus Aussagen der Mutter und Personen aus seinem Umfeld ergeben und sei durch spätere Erkenntnisse untermauert worden.

BND: Es hat kein formelles Freilassungsangebot der USA gegeben

Hanning wies Darstellungen als „infam und gelegentlich vorsätzlich“ zurück, die damalige rot-grüne Regierung sei verantwortlich für die vierjährige Haft Kurnaz in Guantánamo. Es habe kein formelles Angebot zur Freilassung gegeben, „weder von politischer noch von nachrichtendienstlicher Seite, weder vorher noch nachher“.

Die Präsidentenrunde der Sicherheitsbehörden hatte sich am 29. Oktober 2002 unter der Leitung des damaligen Kanzleramtchefs Frank-Walter Steinmeier (SPD) darauf geeinigt, Kurnaz im Falle einer Freilassung nicht wieder nach Deutschland einreisen zu lassen. Dies sei aus Gründen der Sicherheit und Gefahrenprävention geschehen, sagte Uhrlau.

Ähnlich hatte sich zuvor auch Ex-BND-Chef August Hanning geäußert. Er bekräftigte, es habe kein offizielles Freilassungsangebot der USA gegeben. In der Präsidentenrunde Ende Oktober 2002 hätten sich die Spitzen der deutschen Sicherheitsbehörden aber damit befasst, was im Falle einer Freilassung des Türken geschehen solle. Zum Schutz der inneren Sicherheit sei damals beschlossen worden, dass dann eine Einreise von Kurnaz in die Türkei zu bevorzugen sei.

BND: Manches sei allerdings bis heute nicht völlig aufgeklärt

Dies sei aber nicht der Auslöser dafür gewesen, dass Kurnaz weitere vier Jahre in Guantanamo festgehalten worden sei, argumentierte Hanning. Die USA hätten ihn schließlich nach Belieben freilassen können. Das US-Verteidigungsministerium habe sich gerade in der damaligen Zeit und besonders von ausländischen Sicherheitsdiensten nicht in seine Beschlüsse hineinreden lassen. Später habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dann aus humanitären Gründen für Kurnaz eingesetzt, sagte Hanning. Auch seien mittlerweile einige der Verdachtsmomente gegen Kurnaz möglicherweise in einem milderen Licht zu sehen. Manches sei allerdings bis heute nicht völlig aufgeklärt.

Der Bremer Innensenator Thomas Röwekamp hatte zuvor in der Zeitung „Die Welt“ darauf hingewiesen, dass die Verdachtsmomente des Landesamtes für Verfassungsschutz gegen Kurnaz damals nur sehr vage gewesen seien. Die Behörde habe aus diesem Grund „von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Erkenntnisse unbestätigt sind und nicht abschließend bewertet werden können“, sagte er.

Aus politischen Gründen nicht selbst von Guantanamo abgeholt

Die „Berliner Zeitung“ berichtete unterdessen, noch 2006 habe die Bundesregierung die Freilassung von Kurnaz um mehrere Wochen verschleppt, weil sie ihn aus politischen Gründen nicht selbst aus dem US-Gefangenenlager in Guantanamo habe abholen wollen. Dies gehe aus einem Vermerk des Bundeskriminalamtes (BKA) von Mitte Juni 2006 hervor. Ein US-Militärflugzeug brachte Kurnaz schließlich Ende August 2006 auf den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz, wo er freikam.

Wer ist Murat Kurnaz?

Murat Kurnaz ist ein in Deutschland geborener (* 19. März 1982 in Bremen) und aufgewachsener türkischer Staatsbürger, der von Januar 2002 bis August 2006 auf der US-amerikanischen Militärbasis Guantánamo-Bucht festgehalten wurde.

Am 3. Oktober 2001 flog Murat Kurnaz von Frankfurt nach Karatschi, um - so seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss - in den Moscheen der Jamaat al Tabligh mehr über den Koran zu lernen, bis seine Frau im Dezember aus der Türkei nach Deutschland käme.

In Pakistan wurde er im November 2001 bei einer Routinekontrolle von pakistanischen Sicherheitskräften festgenommen und Ende November gegen Kopfgeld an die US-Streitkräfte in Afghanistan übergeben. Er wurde als „feindlicher Kämpfer“ eingestuft und im Januar 2002 von einem US-Häftlingslager in Afghanistan zum Terroristengefangenenlager in die Guantánamo-Bucht auf Kuba verlegt.

Nach der Entlassung aus mehr als vier Jahren Internierung traf er am 24. August 2006 wieder in Deutschland ein. Kurnaz hat seitdem wiederholt in den Medien schwere Vorwürfe gegen die deutsche Bundesregierung erhoben. So behauptete er, er sei Ende 2001 in Afghanistan von Angehörigen des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr misshandelt worden. Sein Anwalt warf der Bundesregierung vor, sie habe eine frühere Freilassung Kurnaz im Jahre 2002 vereitelt.

Kurnaz berichtete zudem von schweren physischen und psychischen Misshandlungen durch US-Amerikaner in Afghanistan und auf Kuba. Er trägt nach seiner Freilassung langes Haar und einen sehr langen Bart, während frühere Fotos ihn stets glatt rasiert bzw. mit kurzem Bart zeigten.

Autor dieser Seite: Uwe Schütz, 22.03.2007