AREF-Startseite

AREF-News

Skandalfotos belasten Ansehen der Bundeswehr

Bundeswehrsoldaten präsentierten sich in Afghanistan mit Totenschädel

27.10.: Am Mittwoch veröffentlichte die „Bild“-Zeitung Bilder von Bundeswehr-Soldaten, die in Tarnanzügen mit einem Totenschädel posieren. Sie stammen offenbar aus dem Jahr 2003. Sie zeigten Soldaten des deutschen Kontingents der Afghanistan-Schutztruppe Isaf auf einer Patrouillenfahrt in der Umgebung der Hauptstadt Kabul.

Schädel aufgespießt, Glied entblößt

Auf einem Foto werde ein Totenschädel auf dem Tarnscheinwerfer eines Kleinpanzers vom Typ „Wiesel“ präsentiert. Das nächste Foto zeige einen Mercedes-Geländewagen vom Typ „Wolf“ und einen Bundeswehrsoldaten, der den Schädel an einer Spezialvorrichtung zur Durchtrennung von Stahlseilen aufspieße. Ein anderes Bild zeige einen Bundeswehrsoldaten mit entblößtem Glied in der linken und dem Schädel in der rechten Hand. Die Aufnahmen seien bei einer Patrouillenfahrt unter dem Kommando eines Feldwebels frühmorgens entstanden, heißt es in dem Bericht. An dem Vorfall seien außerdem zwei Stabsunteroffiziere und zwei weitere Soldaten beteiligt gewesen. Herkunft der Gebeine unklar Unklar sei die Herkunft der Gebeine. Nach der dem Blatt vorliegenden Aussage eines Bundeswehr-Angehörigen könnte der Schädel aus einem mutmaßlichen Massengrab stammen. Unbekannt sei auch, ob es sich bei dem Totenschädel um die sterblichen Überreste eines Afghanen oder eines russischen Soldaten gehandelt habe, der während der sowjetischen Besatzungszeit von 1980 bis 1989 gefallen sei.

Schädel stammt aus einer Grube, wo lehm abgebaut wird

Gegenüber der Bildzeitung sagte ein Zeuge, der anonym bleiben wollte, der Totenschädel stamme von einem Gelände „wie eine große Kiesgrube“. Dort hätten Einheimische Lehm für Ziegel abgegraben – „dabei kamen diese ganzen Knochen raus“.

Bundesregierung um Schadensbegrenzung bemüht

Der SPD-Verteidigungsexperte Jörn Thiessen warnte aber davor, von den bisherigen Fällen auf den Gesamtzustand der Truppe zu schließen. Es handle sich keinesfalls um die Spitze eines Eisbergs. «99,9 Prozent der Soldaten benehmen sich ordentlich», sagte Thiessen dem Sender n-tv.

Das Verteidigungsministerium untersucht, ob möglicherweise Bundeswehr-Offiziere von den Totenschändungen durch Untergebene wussten. Die Frage einer Mitwisserschaft werde mit Hochdruck geklärt, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) der «Leipziger Volkszeitung» (Samstag). Ein früherer Entwicklungshelfer der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) berichtete der Zeitung, es habe in der nordafghanischen Region Kundus schon länger Gerüchte über «Exzesse in einem Knochenfeld» unter Beteiligung «deutscher und anderer Friedenssoldaten» gegeben. Kundus ist eines der Zentren der deutschen Sicherheitstruppen.

Kanzlerin Merkel sagte dem Magazin «Focus»: «Die schnelle Aufklärung dieser abscheulichen und schockierenden Vorfälle, die Verteidigungsminister Franz Josef Jung durchgesetzt hat, wird ihre Wirkung beim afghanischen Volk hoffentlich nicht verfehlen. Es kommt darauf an, dass Afghanistan sieht: Solche Vergehen werden nicht geduldet, sondern schonungslos verfolgt und bestraft.» In Afghanistan gab es in den Medien bisher zwar Berichte über die Vorfälle, aber keine größeren Reaktionen in der Bevölkerung oder bei den Freitagsgebeten.

Der frühere Verteidigungsminister Peter Struck wies jede eigene Verantwortung im Zusammenhang mit den Totenschändungen von sich. «Hätte der Führungsstab oder gar ich davon erfahren, wäre das natürlich sofort bestraft worden. Aber es gab zu keiner Zeit Hinweise auf solche Vorgänge», sagte der SPD-Politiker der «Bild am Sonntag». Struck war von 2002 bis 2005 Verteidigungsminister.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, nahm die Bundeswehrführung vor pauschalen Vorwürfen in Schutz: Es gebe keine Truppe, die ihre Einsätze «so sorgfältig, so umfassend und so wohlüberlegt» vorbereite wie die Bundeswehr, sagte der Ex-General im RBB-Inforadio. Die Vorfälle in Afghanistan offenbarten vielmehr ein Problem der Gesellschaft. «Wie soll die Bundeswehr in wenigen Wochen oder Monaten das, was an Fehlentwicklungen in 18 Jahren entstanden ist, ändern?», fragte Kujat.

Quellen: focus.de vom 25.10. und 27.10.2006

Autor: Uwe Schütz