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AREF-News

Weihnachten 2005 in Bethlehem

"Wer Weihnachtsidylle sucht, wird sie in Bethlehem nur schwer finden"

Bethlehem Dez. 2005
Foto: Johannes Gerloff

22.12.2005: Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu gleicht Weihnachten 2005 einer Festung: "Das Tor zum Allerheiligsten ist ein Labyrinth aus Stahl und Beton. Rote und grüne Lichter weisen den Weg durch die langen Gänge – fünf Drehkreuze, zwei Metalldetektoren, eine Pass- und Gepäckkontrolle müssen passiert werden", meldet Iris Mayer für focus.de aus Bethlehem.

Menschen sieht man hier hauptsächlich hinter Panzerglas. Willkommen im neuen Rahel-Checkpoint der israelischen Armee! Hier muss durch, wer von Jerusalem ins zehn Kilometer entfernte Bethlehem will. Erst nach der einschüchternden Sicherheitskontrolle ist der Weg durch die acht Meter hohe Mauer frei, die Israel von den Palästinensergebieten abtrennt.

Die Geburtsstadt Jesu leidet unter den Folgen der zweiten Intifada

Nicht nur der Weg nach Bethlehem ist beschwerlich, auch die Stadt selbst bietet kaum Anlass zu Andacht oder Weihnachtsfreude: Touristen lassen weiter auf sich warten, viele Kunsthandwerks- und Andenkenläden sind geschlossen, die Fremdenführer deprimiert. „Der Tourismus läuft schlecht, und die Wirtschaft auch", klagt Bethlehems Bürgermeister Victor Batarseh. Der 70-jährige Katholik regiert seit diesem Sommer die inzwischen mehrheitlich von Moslems bewohnte Stadt. „Dank des israelischen Sperrwalls ist Bethlehem ein großes Gefängnis geworden", beschreibt Batarseh die Lage. „Isolierte Stadt", nennen es die Vereinten Nationen und verweisen auf mehr als 70 Straßenblockaden, Kontrollpunkte und weitere Hindernisse.

Dramatischer Besucherrückgang

Seit dem Ausbruch der El-Aksa-Intifada vor fünf Jahren ist der Tourismus dramatisch eingebrochen. Durchschnittlich 90 000 Besucher im Monat zählte Bethlehem noch 2000, vergangenes Jahr waren es im Schnitt gerade mal 7000. „Dieses Jahr gibt es positive Signale, es kommen wieder deutlich mehr Pilger und Touristen", berichtet Pater Athanasius, Direktor des christlichen Informationszentrums in Jerusalem. „Trotzdem bleibt es schwierig, gerade in Bethlehem.“ Viele Touristen hätten wegen der noch immer angespannten Lage einfach Angst, in die Geburtsstadt Christi zu kommen. Andere lassen sich von den strengen Kontrollen abschrecken. „Uns haben eine Reihe von Beschwerden von Pilgergruppen erreicht", berichtet der Franziskanerpater.

„Bethlehems Glanz verschwindet", urteilen die Vereinten Nationen in einem Bericht über Bethlehem. Fuhren im Heiligen Jahr 2000 bis zu 70 Reisebusse am Tag auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche vor, sind es heute gerade noch elf pro Monat. Das hat Spuren hinterlassen, denn Bethlehem lebt vom Tourismus. 60 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos, in den vergangenen fünf Jahren haben 28 Hotels, 50 Restaurants und 240 Andenkengeschäfte geschlossen.

Nur noch 12 % der 30.000 Einwohner von Bethlehem sind Christen

Viele Christen verlassen Bethlehem. Ende der 40er-Jahre war Bethlehem zu 90 Prozent christlich, in den 60-er Jahren hielten sich Christen und Moslems die Waage, heute stellen Christen nur noch zwölf Prozent der 30 000 Einwohner. Wer Verwandte im Ausland hat, nutzt die Chance und geht. Seit Ausbruch der zweiten Intifada haben 3000 Christen der Geburtsstadt Christi den Rücken gekehrt, die meisten aus wirtschaftlichen Gründen. „Ich kann verstehen, dass die Menschen die Region verlassen. Das Leben ist nicht einfach hier", bilanziert Pater Athanasius. Bürgermeister Batarseh klagt: „Die Auswanderung ist ein Problem. Das hängt auch mit der Abriegelung Bethlehems zusammen, viele Christen fühlen sich unsicher.“

Dazu dürfte auch der Erfolg der Hamas bei den letzten Kommunalwahlen beigetragen haben. Die radikalislamische Gruppierung stellt inzwischen ein Drittel der Stadtratsmitglieder.

Israel möchte zum Weihnachtsfest Pilgern den Zugang nach Bethlehem erleichtern

Israel möchte zum bevorstehenden Weihnachtsfest Pilgern den Zugang nach Bethlehem erleichtern. Israelische Sicherheitsbeamte gaben am Montag, 19.12., bekannt, die Kontrollen auch für israelische Araber und palästinensische Christen zu lockern, meldet Israelnetz.de in ihrem Newsletter vom 20.12.:

"Ein Sprecher der israelischen Armee, Aviv Feigel, kündigte an, Pilger würden keine Genehmigung von der Armee benötigen, um in den traditionellen Geburtsort Jesu zu reisen. Wie die Tageszeitung "Jerusalem Post" berichtet, werde die Armee nicht jeden Touristenbus kontrollieren. Jedoch sollen punktuelle Kontrollen durchgeführt werden. "Wir nehmen ein kalkuliertes Risiko in Kauf", fügte Feigel hinzu, "weil wir uns der Bedeutung Bethlehems bewusst sind." Er betonte aber auch, dass die Ruhe in Bethlehem irreführend sei. Eine Gefährdung der Sicherheit bestehe weiterhin.

Die Lockerung der Restriktionen soll am 24. Dezember beginnen und bis zum 18. Januar 2006, dem armenischen Weihnachtsfest, bestehen.

In diesem Jahr werden aufgrund der verstärkten Zusammenarbeit von Palästinensern und Israelis mehr Besucher erwartet. Seit Januar kamen etwa 250.000 Pilger nach Bethlehem. Im Vorjahr waren es insgesamt 100.000 Besucher, schreibt die "Jerusalem Post" weiter.

Palästinensische Beamte beklagten, dass die Kontrollpunkte in der Sicherheitsanlage, die Bethlehem von Jerusalem trennt, Touristen daran hindern werde, nach Bethlehem zu kommen. Ein neuer Kontrollpunkt zwischen Bethlehem und Jerusalem, der seit Mitte Dezember in Betrieb ist, habe nach Angaben Feigels die Zahl der Touristen jedoch nicht verringert."

AREF, 22.12.2005

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