zur AREF-Startseite

AREF-News

Bundespräsident Köhler in Israel

Bundespräsident zum viertägigen Staatsbesuch in Israel

01.02.2005: Bundespräsident Horst Köhler ist am heutigen Dienstag (01.02.05) zu einem viertägigen Staatsbesuch in Israel eingetroffen. Höhepunkt wird seine Rede vor der Knesset sein, die er trotz Proteste einzelner israelischer Politiker auf Deutsch abhalten wird.

40 Jahre diplomatische Beziehungen

Anlass der Reise Köhlers ist das 40-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Dazu wird es im Mai weitere Feierlichkeiten in beiden Ländern geben. Israels Staatspräsident Mosche Katzav hat den Bundespräsidenten am Dienstagmittag begrüßt; im Verlauf des Tages wird Köhler auch mit Premierminister Ariel Scharon zusammenkommen. Auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird eine wichtige Station auf seiner Reise sein.

Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem

Bundespräsident Horst Köhler hat am Dienstag mit Staatspräsident Mosche Katzav die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. Danach traf er mit Premierminister Ariel Scharon zusammen. In der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem ging Köhler gemeinsam mit Katzav zum "Tal der Gemeinden"; dort steht für jede jüdische Gemeinde ein Gedenkstein, die die Nazis zerstörten. Anschließend besuchte der Bundespräsident das neue Historische Museum, das im März eröffnet wird, sowie die Gedenkstätte für die ermordeten Kinder und die internationale Studienstätte zum Holocaust.

Köhler beschrieb seinen Besuch in der Gedenkstätte anschließend als "voller Schmerz, Trauer und Scham". Ins Gästebuch schrieb er: "Wir dürfen nie vergessen".

Kranzniederlegung am Grab des ermordeten Ministerpräsidenten Rabin

Danach legte er einen Kranz am Grab des ermordeten früheren Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin nieder. Katzav sagte, es gebe derzeit eine "goldene Gelegenheit zum Frieden", weil Israelis und Palästinenser Gespräche zu einem Waffenstillstand führten.

Köhler sprach mit Premierminister Scharon israelisch-palästinensischen Konflikt

Am Dienstagabend sprach Köhler mit Premierminister Ariel Scharon über die derzeitige Situation des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Scharon betonte, wenn die Haltung der Europäischen Union in dieser Sache ausgeglichener wäre, könne Europa auch mehr in den Friedensprozess involviert werden. Bislang falle es Israel jedoch schwer, Europa in der Vermittlerrolle zu sehen. Die israelische Regierung sehe in Deutschland jedoch eine wichtige Stimme in den verschiedenen europäischen Institutionen.

Köhler sagte, Deutschland unterstütze Israels Wunsch nach einem Ende des Terrorismus. Der Bundespräsident will am Mittwoch die Ortschaft Sderot besuchen, die in den vergangenen Jahren häufig das Ziel von Raketenangriffen aus dem Gazastreifen war. Mit diesem Besuch wolle Köhler seinen Protest gegen die Kassam-Raketen ausdrücken.

Scharon besorgt über deutsche Studie

Scharon zeigte sich besorgt über eine jüngst veröffentlichte Studie der Universität Bielefeld, der zufolge über 50 % der Deutschen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit den Verbrechen der Nazis an den Juden vergleichen. 68 Prozent waren demnach der Meinung, Israel führe einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser. "Diese Umfrage zeigt, dass viel in der Bildung und der Informationspolitik getan werden muss, um eine schlimmere Ausbreitung des Antisemitismus zu verhindern", sagte Scharon.

Drohungen wegen deutsch in der Knesset

Im Voraus hatten einige israelische Abgeordnete angekündigt, die Knesset-Sitzung am Mittwoch zu boykottieren, da Köhler dort seine Rede auf Deutsch halten will. Gesundheitsminister Dan Naveh hatte seine Haltung mit den Worten begründet: "Solange noch Holocaust-Überlebende unter uns leben, sollte die deutsche Sprache nicht in der Knesset gesprochen werden." Köhler antwortete darauf gegenüber Journalisten: "Ich weiß nicht, was ich an ihrer Stelle fühlen würde. Aber da es ein Staatsbesuch ist, und ich vom Knesset-Sprecher eingeladen wurde, wäre es angebracht, dass ich auf Deutsch rede."

Gesundheitsminister Dan Naveh hat am Dienstag ein letztes Mal versucht, Köhler davon abzubringen, seine Rede vor der Knesset auf Deutsch zu halten. Für ihn sei die deutsche Sprache ein "Symbol", und trotz der sehr guten Beziehungen zwischen beiden Staaten sei die Zeit "nicht reif dafür, dass Deutsch in der Halle der israelischen Demokratie" zu hören sei.

FOCUS Online sprach mit dem Historiker Gideon Greif, einem Wissenschaftler, der Experte für die deutsche Sprache und Mitarbeiter der Shoa-Gedenkstätte Yad Vaschem ist. Auf die Frage, ob Deutsch im israelischen Parlament heute unproblematisch ist, sagte Greif:

Greif: Nein, das ist es nicht. Solange noch ein einziger Überlebender der Konzentrationslager unter uns lebt, müssen wir sehr vorsichtig und rücksichtsvoll sein. Deutsch ist nun mal die Sprache, in der die Juden in den Lagern erniedrigt wurden. Der Klang der Sprache erinnert diese Leute an ihre Qualen und an die Misshandlungen durch die Deutschen in den Ghettos und Lagern. Die Sprache war damals viel mehr als nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Werkzeug, um die Juden zu erniedrigen. Der bloße Klang des Deutschen verursacht bei Überlebenden der Lager Alpträume.

Der Chef der Schinui-Partei, Josef Lapid, hingegen zeigte keine Einwände: Deutsch sei nicht nur die Sprache der Nazis gewesen, sondern auch die des Buches "Der Judenstaat" von Theodor Herzl

Knesset-Sprecher Reuven Rivlin hatte Köhler erlaubt, die Rede auf Deutsch zu halten. Beim Treffen mit Köhler forderte er ihn auf, sich für ein Verbot der NPD in Deutschland stark zu machen.

Israels Botschafter verteidigt Köhlers Vorhaben

Der israelische Botschafter in Berlin, Shimon Stein, verteidigte Köhlers Vorhaben und sagte, dies sei keineswegs eine Provokation, und Deutsch sei nun einmal die Sprache der Deutschen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zitierte bei der Gedenkstunde im Deutschen Bundestag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus vergangene Woche den Liedermacher Wolf Biermann: "Die wirkliche Sprache der Mörder ist nicht Deutsch. Die wirkliche Sprache der Mörder ist der Mord." Als erster Bundespräsident hatte Köhlers Vorgänger Johannes Rau im Jahr 2000 vor der Knesset gesprochen.

Kommentare zum Staatsbesuch und zur Geschichte

Die "Jerusalem Post" schrieb in einem Kommentar zum Köhler-Besuch, es sei Zeit für die Israelis, "Stereotypen hinter sich zu lassen und zu verstehen, dass die jetzige Generation deutscher Politiker unschuldig ist an den Verbrechen der Nazis". Köhlers Eltern wurden aufgrund des Hitler-Stalin-Pakt von 1939 aus Moldawien vertrieben und mussten nach Polen auswandern, wo er 1943 geboren wurde. Gleichzeitig weist der Kolumnist aber auch auf die jüngste Studie der Universität Bielefeld hin, der zufolge zwei Drittel der Deutschen glauben, dass die Israelis den Palästinensern das antäten, was Nazis Juden angetan haben. Auch verurteile Deutschland im Zuge der EU-Politik seit vier Jahren Israel häufig, während sich Israel gegen den Terror im Land verteidige.

Gegenüber der "Jerusalem Post" sagte Köhler Ende Januar: "Während wir Schulter an Schulter mit Israel stehen, ist es klar, dass Deutschland mit Israel nicht in allem übereinstimmt". Es gebe ein "überwältigendes Potential für den Ausbau der deutsch-israelischen Beziehung", so Köhler. In Bezug auf seine Rede vor der Knesset sagte er: "Ich hoffe, ich verletze nicht die Gefühle der Menschen." Er habe vollstes Einfühlungsvermögen und sei voller Demut.

Köhler hat Israel bereits 1999 als Präsident der Europäischen Zentralbank besucht. Bundesaußenminister Joschka Fischer will im März nach Israel kommen. Der israelische Staatspräsident Katzav wird zu einem Gegegenbesuch im Mai in Deutschland erwartet.

Quelle: Israelnetz.de

mehr bei uns über :
Vorgeschichte : Boykott-Drohungen von Knesset-Abgeordneten
Fortsetzung : Bundespräsident Köhlers Rede vor der Knesset

Autor: Uwe Schütz, 01.02.05