Psalm 120

Willkommen in Deutschland! - Auf der Heimfahrt aus dem Urlaub im europäischen Ausland empfange ich kurz vor der Grenze eine UKW-Station des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, da höre ich gerade die erste Prognose der letzten Berlin-Wahl - und bin entsetzt. Ich stelle mir vor, in meinem Urlaubsort wäre jeder siebte Bewohner gegen mich als Ausländer gewesen und hätte mir zu verstehen gegeben, ich solle besser gleich wieder umdrehen. Stattdessen, im Supermarkt dort, bemerkt gleich ein Mitarbeiter meine suchenden Blicke und fragt, ob er helfen kann. Ein anderer räumt gerade die Milchkühltheke ein und hat ein T-Shirt an mit der Aufschrift: Brauchst Du Hilfe? Frag mich! - An der Kasse wird beim Einpacken geholfen und noch einen schönen Abend gewünscht.

Gleich am ersten Arbeitstag hier habe ich so ein T-Shirt nicht entdeckt. Eine fragende Kundin wird von einer Regalpackerin belehrt, dass sie - mit dem grünen T-Shirt - hier keine Auskunft gibt. Das machten nur die mit dem weißen Kittel. An der Kasse ein genervter Kassierer, der Hektik verbreitet und froh ist, dass ich bald wieder weg bin.
Was mögen da die Menschen aus dem Lager gleich um die Ecke fühlen, denen man sofort ansieht, dass sie nicht von hier sind?

Der Klagepsalm 120 aus dem Alten Testament drückt das treffend aus:

„Viel zu lange wohne ich nun schon unter den Menschen, die den Frieden hassen.
Ich selbst suche den Frieden, doch was ich auch sage - sie sind nur auf Krieg aus!“
Psalm 120,6+7

Solch ein Gastgeber möchte ich aber nicht sein. Auch nicht, wenn mein Gegenüber nicht europäisch aussieht.

Heiko Müller