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Schuldenschnitt

gesendet am 2. August 2015 von Dr. Hans Frisch
 


Schuldenschnitt - Potential für das Wort des Jahres

„Schuldenschnitt“ hat durchaus das Potenzial zum Wort des Jahres, oder zum Unwort des Jahrzehnts zu werden. Mancher wird sich so etwas wünschen: die Hypothek für das Haus ist plötzlich getilgt, die Ratenzahlungen für das Auto fallen weg, die SCHUFA-Einträge sind gelöscht - auch die Steuerschuld des vergangenen Jahres.

Um Beträge, wie sie bei Griechenland offen sind, geht es dabei nicht - doch auch hier wird ein Schuldenschnitt als Option ernsthaft diskutiert. Das klingt schon gut: 80 Milliarden Schulden werden erlassen, dann könnten vorgesehene Hilfsgelder in den Aufbau der Wirtschaft und der staatlichen Strukturen gehen, das Land käme aus dem Tal der Tränen heraus und würde ein starker Partner in Europa. Wir Deutschen, als die größten Nettozahler, wären in Griechenland dankbar begrüßte Besucher.
Mit wie viel möchtest du dich daran beteiligen? Irgendwie habe ich gelesen, 700 Euro kämen auf jeden Deutschen, und über die Steuerfinanzierung würde es ja auch jeden irgendwie treffen, und würde irgendwie gerecht verteilt.

Manche könnten da wesentlich höher einsteigen. Mit dem Barvermögen von Apple, Facebook, Google und einigen anderen könnte die Schuld auf einen Schlag beglichen werden. Es bliebe die Frage nach dem Vertrauen: wie wird ein Staat, der so gewirtschaftet hat, dass die Schulden sich anhäuften, wie wird der wirtschaften in Zukunft? Verständlich, dass die Gläubiger gewisse Sicherheiten verlangen. Schließlich müssen ja andere auf diese 80 Milliarden verzichten.

Keine Angst, wir wollen uns nicht einmischen in die Diskussionen von Leuten mit einigem Durchblick, auch keine gut gemeinten laienhaften Vorschläge machen - doch Schuld, Schuldenerlass und Schuldvergebung sind Themen, die da nahe liegen, nicht nur auf dem Gebiet der Finanzen.

Auch das mit der Dankbarkeit könnte sich als Illusion erweisen. An ein Zitat erinnere ich mich (es könnte von Machiavelli stammen): „wenn du jemand viel und lange hilfst, schaffst du dir einen heimlichen, erbitterten Feind". Verständlich, denn das Selbstwertgefühl wird durch Hilfsbedürftigkeit angegriffen und das muss verteidigt werden.

Stellt euch vor, deutsche Touristen würden sich in Griechenland als Retter aus einer von den Griechen selbst verschuldeten Notlage aufspielen - schon die Andeutung wäre gefährlich. Noch dazu wird man kaum denen begegnen, die mit Schuld sind an der Entwicklung, durch die Gier, mit der sie sich selbst bereichert haben.

Es drängt sich der Eindruck auf, man kann es nur so oder so falsch machen - auch die Äußerungen in Twitter, Facebook und anderen zeigen, wie weit die Meinungen und Standpunkte voneinander entfernt sind, und wie viel Unvernunft da zu Wort kommt.

Alte Probleme in moderner Gestalt

Man könnte annehmen, das sind moderne Probleme, in Zeiten der globalisierten, wuchernden Finanzstrukturen und blitzartigen Finanzströmungen, der weltweiten Konkurrenzsituationen, der rasanten technischen Entwicklung. Es sind die alten, die uralten Probleme in moderner Gestalt, mit gewachsen im Wachstum der technischen und gesellschaftlichen Möglichkeiten.
Doch erst einmal Musik.

Wir brauchen uns nicht durch Bibliotheken und Museen zu arbeiten, um ein Bild von früheren Zeiten zu bekommen – Filmemacher haben uns die Arbeit abgenommen und nehmen uns mit in vergangene Welten.
Wir können leicht folgen, denn da agieren Menschen wie wir, Arme und Reiche, Unterdrückte und Mächtige, Verlierer und Sieger, Gute und Böse – durcheinander, miteinander gegeneinander - meist viel weniger geregelt und oft viel brutaler als heute.

Im alten Ägypten

Und schon sehr früh erkannten die Menschen, dass Reichtum, Macht und Siege oft mit Schuld verbunden sind - und diese Schuld mit dem Tod nicht einfach gelöscht sein kann. Gegenüber altägyptischen Totenbüchern wirken katholische Beichtlisten wahrscheinlich spärlich. Vor 42 Richtern muss der Gestorbene im Jenseits sich verantworten. - Jeder der Götter war für eine bestimmte Sünde zuständig, und auf 5 m langen Papyrusstreifen waren die Antworten geschrieben (in Hieroglyphen): „Ich habe nicht geraubt", „ich war nicht habgierig", „ich habe keine Lüge ausgesprochen", „war nicht nachlässig", „nicht geschwätzig", „habe mit keiner verheirateten Frau geschlafen“ – 42 mal - und jede Gottheit musste mit ihrem korrekten kompletten Namen angesprochen werden. Zum Glück wurden die Antworten nicht überprüft.

Im alten Israel

Die Zehn Gebote sind dagegen wohl knapp - doch die sind ja für die Lebenden geschrieben, und sie stammen von dem einen allwissenden Gott, vor dem niemand lügen kann und der nichts vergisst. Da sammelte sich einiges an im Lauf des Jahres und des Lebens - aufgeschrieben in dem großen Buch im Himmel (wahrscheinlich ist das Big Data von Google und NSA dagegen ein Spielzeug; und gegenüber dem Schuldberg der da aufgehäuft ist sind die Schulden Griechenlands „Peanuts“).
Und so, wie in Griechenland eine Unzahl von einzelnen Steuersünden (kleinen und großen), von korrupten Geschäften, von lässiger bis fahrlässiger Geschäftsführung, und, und, und, sich aufgetürmt hat zu dem gewaltigen Berg (oder, wie die vielen einzelnen Vergehen, Unterlassungen, Zustimmungen um eines Vorteils willen, und, und, und, in unserem Volk das Ungeheuerliche in unserer Geschichte hervorgebracht haben) - so wuchs schon damals in Israel die Schuld der Einzelnen zur schlimmen Schuld des Volkes, das „Volk Gottes" sein sollte, ja, das Volk Gottes war und ist.
Doch hinter diesem „himmlischen Sündenregister" stand (und steht) das Angebot des Schuldenschnitts - für jeden Einzelnen und für das ganze Volk.

Wer erkennt, dass er schuldig geworden ist – durch Trieb oder Versuchung, durch Angst oder aus Wut, durch Gier oder durch Fahrlässigkeit oder was auch immer - der darf, der soll umkehren, sich auf den Weg machen, zur Mitte – im Alten Testament zum Tempel – durch ein Opfer seine Hilfsbedürftigkeit, die Notwendigkeit der Vergebung, bekennen – „und ihm wird vergeben".

Europa meint, ein vierter Rettungsversuch wäre kaum noch möglich – Gottes Vergebung hört nie auf, auch nach dem tausendsten Rückfall (wenn denn echte Buße so oft möglich ist). Für das ganze jüdische Volk, wenn es Buße tut, ist einmal im Jahr der Schuldenschnitt angeboten, zum Jom Kipur – dem großen Versöhnungstag. Es ist auch heute noch der ernsthafteste jüdische Feiertag.

Musik

Bünde, die gebrochen wurden

Noch einmal ein Blick nach Griechenland. Vor 14 Jahren hatte es sich in den Euro-Bund hineingemogelt - seit 5 Jahren wird seine Hilfsbedürftigkeit sichtbar - und wird ihm immer wieder Hilfe gewährt - wodurch seine Schuldenkonto wächst. Es wurden zuletzt echte Bußzeichen erwartet, doch sie kamen nicht.

1.200 Jahre war vor unserer Zeitrechnung hat Gott seinen Bund geschlossen mit den Kindern Israel, die er aus Ägypten befreit hatte - der war noch nicht ganz besiegelt, da wurde er schon gebrochen mit dem Tanz ums goldene Kalb. Das war das erste Mal - und dann ging es weiter, immer wieder - 600 Jahre, und immer wieder gab es einen Neuanfang - bis zur Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft. Jerusalem und der Tempel waren zerstört.

Doch nun traten Propheten auf, die einen endgültigen Neuanfang versprachen, die Ankunft des Messias und den Anbruch des Gottesreiches. „Wenn deine Sünden blutrot wären, sollen sie doch weiß wie Schnee werden“ verspricht Gott durch den Propheten Jesaja.

Gibt es eine Lösung?

Noch einmal fast 600 Jahre hat Gott Geduld - dann ist die Erwartung des Gottesreiches und die Hoffnung auf den Messias so lebendig, dass ein wirklicher Neuanfang geschenkt wird. „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.“

Jesus kam, „um Sünder selig zu machen“. Für alle Schuld ist er das Sündopfer - auch für meine und deine, für vergangene und die zukünftige - totaler Schuldenschnitt, geschenkt, ohne Troika, ohne Auflagen, ohne Kontrollen - für alle die es nötig haben und es annehmen.

„Warum?" Ist da die Frage. „Aus Liebe!“ „Und wozu?" Damit wir frei als ERLÖSTE leben können! Frei von Schuld der Vergangenheit und ohne Angst vor möglicher Schuld in der Zukunft. Damit wir als Geliebte lieben können.
Der Traum des Sozialismus war der Kommunismus, in dem gelten sollte: Jeder nach seinen Möglichkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen.
Wie selbstverständlich lebten die ersten Christen in Jerusalem so - das ging natürlich nicht lange. Hätte es die Christenverfolgung und die Zerstörung Jerusalems nicht beendet, wäre es an den Sachzwängen gescheitert - doch sollte dieser Traum lebendig bleiben. Liebe und Vergebung wecken ihn immer wieder hier und da zum Leben.
Ich glaube, da kommt Gottes Reich in die Welt, in unser Leben.

Dr. Hans Frisch