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Christi Himmelfahrt

gesendet am 14.05.2015 von Dr. Hans Frisch
 

Himmelfahrt und doch Vatertag

„Himmelfahrt Christi“ heißt dieser Tag - vielleicht wird er irgendwann offiziell zum „Vatertag“ erklärt.
Gestiftet - also uns geschenkt - wurde er aber von der Kirche als Gedenktag an die Heimkehr des auferstandenen Jesus zu seinem Vater, von dem er sagte, er ist „unser Vater im Himmel“. Also wäre "Vatertag" kein schlechter Name.

Nun dürfen (und müssen) wir noch hier sein auf dieser wunderbaren Welt. - Einen Ausflug in den blühenden Mai in Gemeinschaft mit Freunden könnten wir feiern als Dankgottesdienst für die Schönheit der Natur, für das Geschenk der Gemeinschaft, für das gute Essen und das gute Bier. Fairerweise sollten wir aber auch an den denken, der Anlass ist für diesen Feiertag, wenn wir uns selbst ernst nehmen und nicht nur Spaß suchen.

Was geschah?

Nun könnte mancher im Konfirmandenunterricht gefehlt haben, als „Himmelfahrt Christi“ dran war, oder einiges vergessen haben - sicher haben alle, die Bescheid wissen, etwas Geduld, wenn ich kurz davon erzähle.

Frauen am Grabe Christi und Himmelfahrt des Herrn (sog. „Reidersche Tafel“); Elfenbein; Mailand oder Rom, um 400 n. Chr.; Bayerisches Nationalmuseum München, Inv. MA 157, erworben 1860 mit der Sammlung Martin von Reider
Foto: wikipedia.de, public domain

Jesus war am Kreuz gestorben, die Jünger waren ratlos und voller Angst. Da begegnet er ihnen immer wieder auf verschiedene Weise - 40 Tage lang, und „redete mit ihnen vom Reich Gottes“. Von einer neuen Wirklichkeit, die durch ihn, durch sein Sterben, das er auf sich genommen hat, in die Welt gekommen ist.

Und dann verabschiedet er sich - er wird in den Himmel „gebeamt“, würden wir sagen. Die Jünger sind dabei. "Einige aber zweifelten", steht da. Zu denen hätte ich wahrscheinlich auch gehört.

Es war kein Fernsehteam dabei, auch kein Reporter. Die Abschiedsworte sind in den Evangelien verschieden wiedergegeben (es hatte sie auch niemand mitstenografiert). Am bekanntesten sind die aus dem Matthäus Evangelium. „Der Missionsbefehl“ steht über den letzten vier Versen:

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.
Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder;
einige aber zweifelten.

Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen:"Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."
(Matthäus 28, 16 - 20 nach Luther-Bibel 1984)

Das fatale Missverständnis

Ich hoffe, da läuten bei vielen die Alarmglocken: „Macht zu Jüngern alle Völker“ - kaum zu ermessen, wie viel Unheil dieser Befehl angerichtet hat. Mit Feuer und Schwert hat Karl der Große die Sachsen missioniert, brutal wurden die Völker Südamerikas eingegliedert in das katholische Weltreich, in Spanien wurden die Juden vor die Wahl gestellt: Taufe oder Scheiterhaufen.

Die Zeiten sind, Gott sei Dank, vorbei, und sicher schämt sich der Papst aus Südamerika für die frühe Geschichte seiner Kirche in seiner Heimat. Als Baptist, der durch Glaubenstaufe in die Gemeinde aufgenommen wurde, bin ich in Versuchung, die Taufe von Kindern zu hinterfragen - doch wer mit seiner damals vollzogenen Taufe zum Glauben an Jesus Christus kommt, der ist in der Gemeinde Christi - er ist „Jünger oder Jüngerin Jesu“ und ich sage zu ihm: „Mein lieber Bruder“ oder "liebe Schwester".

Musik

In den Himmel gebeamt - Fantasy?

„Einige aber zweifelten“ wird von den Jüngern berichtet, die damals dabei waren, bei der Himmelfahrt. Sehr viele zweifeln, wenn sie heute davon hören oder lesen.

In Science-Fiction Filmen akzeptieren wir das Beamen als Fantasy - doch damals soll das wirklich geschehen sein. Da sperrt sich unsere Vernunft. Aber der Bericht hat die Grenze der Vernunft der längst überschritten - schon vor 40 Tagen mit der Auferstehung eines Toten, der dann irgendwie wirklich da ist, aber auch wieder verschwindet. Wer das nicht glauben kann, der braucht über Himmelfahrt nicht nachdenken.

Die Jünger mussten das glauben, weil sie es erlebt hatten - und nun erleben sie ihren Jesus zum letzten Mal in dieser Weise. Da taucht die Frage auf: „Wozu das alles?“

Zunächst ging es um die Jünger: Die sollten erkennen, dass Jesu Tod nicht das Ende war, sondern Sieg und Anfang. Und dann sollten wir wissen, dass Jesus nicht verschwindet, sondern auf himmlische Weise bei Ihnen (und bei allen) bleibt – „bis an der Welt Ende“. Den Heiligen Geist hatte er ihnen versprochen und Wunder, die durch sie geschehen sollen. Zehn Tage später, beim Fest der Gesetzgebung im Tempel, da kommt der Geist und danach geschehen wieder und wieder Wunder "im Namen Jesu".

Für die Jünger war das schließlich fast selbstverständlich. Wären wir dabei gewesen, hätten wir uns über die Wunder auch kaum noch gewundert. Doch was kann das heute für uns bedeuten: „Jesus ist in den Himmel gefahren?“

Himmel

Beim Wort „Himmel“ blicken oder denken wir unwillkürlich nach oben, über unsere Ebene hinauf in die dritte Dimension.
Philosophisch hat diese Dimension in unübertrefflicher Weise Immanuel Kant beschrieben: "Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Es steht im Schlusswort zu „Kritik der praktischen Vernunft“ und gehört zu den großen Texten der Menschheit. Wenn wir uns dieser Dimension aussetzen, dann erleben wir uns nur als winzigen Punkt, ja „unseren Planeten als bloßen Punkt im Weltall“ – doch das moralische Gesetz „erhebt meinen Wert unendlich“, meint Kant.

Die neue Dimension

Vielleicht hilft uns ein Bild: Es leben Wesen in einer zweidimensionalen Wirklichkeit - "Flachländer". Es gibt nur die Richtungen: vorn-hinten, rechts-links. Da durchdringt eine Botschaft aus der dritten Dimension, von oben, die Ebene – sichtbar ist nur ein Punkt. Sie umkreisen diesen Punkt, grübeln und rätseln - woher, warum, von wem? Einer stellt sich darauf und blickt nach oben. Erschüttert teilt er den andern mit, was er sieht und erfährt. Die schütteln nur den Kopf und halten ihn für verrückt Nur wer sich selbst auf den Punkt wagt, kann ihn verstehen.

Der Vergleich mit Jesus am Kreuz drängt sich geradezu auf. Aus der Wirklichkeit Gottes gesandt in unsere Menschenwirklichkeit stirbt er dort an der Kreuzungsstelle des horizontalen und des senkrechten Balkens, an diesem Punkt auf Golgatha. Die Menschen schütteln den Kopf, spotten und lästern. Bei der Himmelfahrt heben die Jünger den Blick, und sie sehen und erfahren die neue Dimension.

Auch am Kreuz sieht jeder nur einen Punkt, wenn er denn überhaupt hinschaut - bis er erkennt: „Für mich!“
Er kann es nicht so erklären, dass die andern es einsehen müssen - und das ist gut so.

Musik

Eine völlig neue Botschaft kam in die Welt, als Jesus am Kreuz starb - und eine neue Dimension öffnet sich mit seiner Himmelfahrt. Könnten wir das in seiner ganzen Wirklichkeit und Bedeutung erkennen, dann hätten wir keine Wahl - wir müssten Ja sagen! Doch die Botschaft richtet sich an freie Menschen, und deren Freiheit ist heilig.

Abgrenzung

In der DDR haben wir den Druck erlebt, mit dem uns die Botschaft des Marxismus aufgedrängt wurde. Dem war relativ leicht standzuhalten, denn es war eine Botschaft der Feindschaft, die Opfer fordert - eine Ideologie.

Das Evangelium ist eine frohe Botschaft der Liebe, sie wird nicht aufgedrängt, sondern angeboten - und der sie anbietet, opfert sich selbst dafür. Sie ist das Gegenteil einer Ideologie.

Nun wird es schwierig, wer aber bis jetzt dabei geblieben ist, der hält auch das noch aus: Karl Marx hatte den unauflösbaren Widerspruch erkannt zwischen den Kapitalisten - welche die Produktionsmittel besitzen - und den Proletariern, die mit ihrer Arbeit an den Maschinen den Profit schaffen müssen. Als Lösung sah er nur den Kampf und den Sieg des Proletariats.

Leider brachte der Sieg des Sozialismus nirgends das versprochene Heil - und so geht es mit jeder Ideologie. Wer seine Wahrheit absolut setzt, muss die Wahrheit des Gegenübers verneinen und auslöschen - notfalls den Anderen auslöschen. So wird die Spannung der gegensätzlichen Wahrheiten, die beide ihr Recht haben, gebrochen in die Ideologie.

Wo die Spannung (im Vertrauen) ausgehalten wird, da kann im Gegeneinander und Miteinander die wirkliche, die lebendige Wahrheit werden. (Die Demokratie ist ständig auf dem Weg dahin.) „Antinomie“ ist der Begriff für solche Gegensätze. - Die klassische Antinomie ist die Doppelnatur des Lichts. Licht ist Welle - jede Linse beweist es, und Licht ist Teilchen - Einstein hat es entdeckt, und jede Fotozelle beweist es. Doch unmöglich kann etwas Beides sein!

Was das mit Christi Himmelfahrt zu tun hat?
Christus, der Gekreuzigte, öffnet die Dimension zu Gott dem Allmächtigen, dem absolut Gerechten, dem Allwissenden. Die Botschaft des Kreuzes ist: Hier, wo Jesus stirbt, da erscheint Gott ohnmächtig, da wo er sich opfert, da offenbart er sich als absolut gnädig, und, er weiß nicht, ob ich Ja oder Nein zu dem Angebot sage - er hofft auf das Ja.

Eine dreifache Antinomie steht da vor uns: Allmacht und Ohnmacht, absolute Gerechtigkeit und absolute Gnade, Allwissenheit und bloße Hoffnung - und ihre Spannung wird nicht aufgelöst, sondern ist bleibendes Angebot an jeden. Aus ihr wird lebendige Wahrheit und wahrhaftiges Leben.

Wo Menschen eine dieser Antinomien brechen zur Ideologie - und immer wieder geschieht es, da wird die erlösende Kraft des Kreuzes zunichte gemacht.

Das Ärgernis „Allmacht-Ohnmacht“ wurde als erstes in der frühen Christenheit von Arianus aufgebrochen zur Allmacht: Am Kreuz ist der Körper von Jesus gestorben - Christus hat ihn zurückgelassen wie ein abgelegtes Kleid und ist gleich zu Gott zurückgekommen.

Das zweite „Gerechtigkeit-Gnade“ wurde von Augustinus aufgebrochen durch den „Sündenfall“: Der war so schlimm, dass Gott die Strafe auf Jesus legen musste, damit er uns gnädig sein kann.

Das dritte: „Allwissenheit-Hoffnung“ hat schließlich Calvin durch die Prädestination aufgebrochen: Gott weiß sehr wohl wer Ja oder Nein sagen wird. Er hat es sogar vorherbestimmt.

Doch auslöschen lässt sich die Antinomie des Kreuzes nicht - wir können sie nicht verstehen, aber im Glauben aushalten.

Wir dürfen das für heute alles vergessen, wenn wir uns aufmachen zum Vatertagsausflug mit Freunden in den blühenden Mai und uns zuprosten mit gutem Bier bei gutem Essen.

Dr. Hans Frisch