zur AREF-Startseite

Noah

gesendet am 1. Juni 2014 von Dr. Hans Frisch
 


Es gibt einige Geschichten, die den Zugang zur Bibel für viele fast versperren – dazu gehört die Schöpfungsgeschichte und auch die Sintflutgeschichte – dann, wenn ich von einem Astrophysiker erwarte, dass er den Urknall leugnet und von einem Biologen die Evolution – wenn ein Ozeanforscher akzeptieren soll, dass einmal der Ozeanspiegel 15 Ellen über allen Berggipfeln lag – bevor er die Bibel akzeptiert.

Es gibt einige Geschichten, die in fast allen Kulturen auftauchen - dazu gehören Schöpfungsgeschichten und Sintflutgeschichten – und die dürften die ältesten Geschichten der Menschheit sein. Über Jahrtausende blieben sie lebendig, entwickelten sich und waren den Menschen wichtig. Wahrscheinlich stellen sie elementar-wichtige Fragen und geben Antworten.

Nun brauchen wir zur Weltentstehung und Weltentwicklung keine Antworten in der Bibel zu suchen – die Wissenschaft gibt uns Antworten, selbst auf Fragen, die wir kaum verstehen – und dass eine Sintflut mit einem globalen Wasseranstieg über alle Berggipfel unmöglich ist, dass wissen wir (wo sollte das Wasser herkommen und wo ist es dann hingegangen?)

Ob die Wissenschaft die Fragen beantwortet, welche mit der Schöpfungsgeschichte gestellt werden, das ist sehr fraglich. Eine Menschheit, in der tonnenweise Rauschmittel konsumiert werden, mit fast lückenloser Musikberieselung, wo ein Event das nächste und ein Blockbuster den nächsten ablöst - da scheint eine Menge quälender Fragen offen zu sein.

Mit der Schöpfungsgeschichte der Bibel und der fast unglaublichen Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen haben wir uns schon in früheren Sendungen befasst. Jetzt ist die Sintflut in die Kinos gekommen mit dem Film Noah - und damit eine Geschichte, die mir immer etwas fremd geblieben war. Hier wird sie jetzt mit einem so gewaltigen Aufwand an Bildern erzählt (sogar in 3-D) dass man kaum vorbeischauen kann (der Durchblick ist aber völlig verschüttet.)

Noah - Der Film

Filmszene aus "Noah": Armriemen aus Schlangenhaut © 2014 Paramount Pictures

Genial ist in einer knappen Filmsequenz aufgezeigt: die Schöpfung vom Urknall über die frühe glutflüssige Erde, die Scheidung von Wasser und Festland, die Entstehung des Lebens im Wasser, danach in der Luft und an Land, auch des Menschen im Paradies und der Baum der Erkenntnis.

Sogar die Schlange ist dabei (sie häutet sich – und ihre abgestreifte Haut taucht als Band, um Hand und Arm gewickelt, immer wieder auf - bis zum Schluss). (Wahrscheinlich soll es erinnern an ein jüdisches Gebetsband – doch das ist aus Leder von einem „reinen“ Tier, ganz sicher nicht von einer Schlange, und schon gar nicht von der Schlange!)

Die Geschichte im Film fängt eigentlich richtig an mit dem Brudermord Kains. - Schließlich ist sein Nachkomme Tubal-Kain die zentrale Person in einer Menschheit mit fortgeschrittener technischer Entwicklung („kainitische Zivilisation“ ist der theologische Fachausdruck dafür) - leider aber auch mit fortgeschrittener menschlicher Verkommenheit. Wo die Kamera in das Volksgewühl hineinschaut, da läuft allerorts Vergewaltigung. Man hört das Schreien der Frauen und sieht, wie sie gewaltsam gegriffen werden.

Der kleine Noah muss mit ansehen, wie Tubal-Kain seinen Vater erschlägt, der sich den anrückenden Horden stellt. In der nächsten Szene ist Noah erwachsen, hat eine schöne Frau und drei Söhne - Sem, Ham und Jafet, (der noch ganz klein ist).

Filmszene aus "Noah": Einzug der Tiere in die Arche © 2014 Paramount Pictures

Noah ist fromm - was daran sichtbar wird, dass er ein guter Mensch ist. Er hat irgendwie Beziehung zum Schöpfer und ist ihm gehorsam. Tubal-Kain hasst den Schöpfer, denn der hat die Menschen zur Arbeit verurteilt – sichtbar wird es daran, dass er ein schlechter Mensch ist und die Menschen schlecht macht, so schlecht, dass der Schöpfer sie ausrotten will – alle!

Zur Rettung der Tiere soll Noah eine Arche bauen, denn im Traum hat der Schöpfer ihm gezeigt, dass eine vernichtende Flut kommt. Da wird es dann ganz fantastisch: aus einem Samen, den Noah von seinem Großvater Methusalem bekommt und der aus dem Paradiesgarten stammt, wächst im Nu ein ganzer Wald in der öden Landschaft - Material für die Arche.

Gewaltige, roboterhafte Steinungetüme – „die Wächter“ - helfen ihm beim Bau des gewaltigen Kastens aus lauter Stämmen und Brettern (die einfach da sind). Diese Wächter, das sind die gefallenen Gottessöhne aus der biblischen Geschichte.

Filmszene aus "Noah": Die Wächter hindern den Mob, die Arche zu stürmen. © 2014 Paramount Pictures

Schließlich ist die Arche fertig, die Tiere sind hineingeströmt und geflogen, der Regen kommt (und überall brechen die „Brunnen der Tiefe“ auf als gewaltige Fontänen). Die verdorbene Menschheit versucht die Arche zu erobern - aber die Wächter wehren den Angriff ab in einer grandiosen Vernichtungsschlacht. (Sie schießen danach wie Raketen zum Himmel.)

Doch im Inneren der Arche kommt es zum entscheidenden Kampf. Sem hat ein Mädchen, das Noahs Familie einst als Kind gerettet hatte, zur Frau genommen. Durch die damals erlittene Bauchverletzung konnte sie keine Kinder bekommen, was Noah beruhigt - denn ihm war klar, die Menschheit darf nicht überleben, nur die Tiere! Doch Großvater Methusalem hat der jungen Frau seinen Segen gegeben - und nun, in der Arche, stellt sich heraus, sie ist schwanger.

Filmszene aus "Noah" auf dem Dach der Arche mit Russell Crowe als Noah. Regie: Darren Aronofsky © 2014 Paramount Pictures Filmszene aus "Noah": Emma Watson als Ila mit ihren beiden Babys.
© 2014 Paramount Pictures

Noah verkündet: Wenn es ein Junge ist, wird der als letzter Mensch auf Erden alle andern einst bestatten und dann selbst sterben. „Ist es ein Mädchen, werde ich es töten - weil sonst doch wieder eine Menschheit entsteht.“ Es werden zwei Mädchen - und Noah zückt das Messer.

* * * Musik * * *

Der Regen hat inzwischen aufgehört, die Wasser sind etwas gefallen, und die Arche ist mit gewaltigem Krach auf Grund gelaufen - am Berg Ararat - noch ganz umgeben von Wasser. Oben auf dem Dach steht die Mutter mit ihren beiden Babys, vor ihr Noah mit erhobenem Dolch - fest entschlossen den harten Befehl Gottes zu erfüllen. Dann senkt sich sein Arm, der Dolch sinkt - Noah neigt sein Haupt und küsst die Kinder auf die Stirn.

Im Film siegt die Menschlichkeit über Gottes Zorn

Die Menschlichkeit hat gesiegt über Gottes Zorn - Gott sei Dank! Sonst wären wir nicht, es gäbe keine Filme und keine Zuschauer, auch kein Radio und keine AREF-Sendungen – nur Pflanzen und Tiere. Da stand das Überleben der Menschheit nicht „auf Messers Schneide“ - es lag unter „Dolches Spitze“. Gott sei Dank, dass so ein Schmarrn nicht in der Bibel steht.

„Du sollst in die Arche gehen mit deinen drei Söhnen, mit deiner Frau und den Frauen deiner Söhne“ – eindeutig ist der Fortbestand der Menschheit vorgesehen. Die Geschichte ist auch so schlimm genug – die ganze übrige Menschheit wird vernichtet, und da waren unter den ganz Bösen doch bestimmt einige weniger Schlechte und auch eine ganze Menge ziemlich Guter – so wie bei der Zerstörung Dresdens und Nürnbergs ja auch einige getroffen wurden, die keine Nazis waren. Aber damals, bei Noah, da war ja Gott am Steuer – und nur acht Überlebende!

Kann uns eine 3.000 Jahre alte Geschichte etwas sagen?

Es wird Zeit, die Geschichte ernsthaft anzusehen. Kann eine so alte Geschichte, die vom Anfang der Menschheit redet uns heute, mindestens 3.000 Jahre später, noch etwas sagen?

Die allermeisten Menschen bei uns halten die Evolution für die einleuchtenste Erklärung der Entwicklung des Lebens - auch des Menschen. Da taucht die Frage auf, an welchem Punkt der Entwicklung ist da zum ersten Mal ein Mensch?

Der Schöpfungsbericht der Bibel sagt: als der Mensch (oder, „der Menschwerdende“) vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hatte - trotz des Verbots und der Todesdrohung. Da hatte er eine Grenze überschritten - ich würde sagen: aus der paradiesischen Einheit mit der Natur, gesteuert von seinen Instinkten - in die Freiheit der eigenen Entscheidungen. Ein treffenderes Merkmal für Menschsein dürften auch Anthropologen kaum finden.

Gleich findet sich der Mensch in der Verantwortung - er muss antworten, als Gott fragt: „Hast du von dem Baum gegessen?“
Doch gleich beginnt auch das Standardspiel der Menschheit - die Projektion. „Die Frau, die du mir gegeben hast, die gab mir und ich aß.“ Die Frau schiebt es auf die Schlange.

Die erste Tat des Menschen ist - der Brudermord, etwas absolut Unnatürliches. Wer immer diese Geschichte erzählt hat - er hatte keine Illusionen über die Entwicklung des Menschen. Die Antriebe der Instinkte sind erhalten, die Steuerung durch Instinkthemmungen ist nicht intakt oder nicht mehr vorhanden.

Wenn Sexualtrieb, Machttrieb, Selbsterhaltungstrieb ungebremst die Führung übernehmen, noch verstärkt von Gruppeninstinkten - das kann furchtbar werden. Und es wurde furchtbar, erzählt die Sintflutgeschichte. Sogar Geistwesen, die „Gottessöhne“, mischten mit bei der Sex Party. So eine Menschheit hat keine Perspektive.

Doch, es gab, und es gibt die Möglichkeit, dass der Mensch seinen Weg in Freiheit und Verantwortung geht - als Einzelner, sogar als Einsamer - und das ist die Chance der Menschheit. So lese ich die Geschichte von Noah. Eigentlich muss sie uns Angst machen.

Ich habe noch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts miterlebt. - Welche Instinkte an seinem Beginn bestimmend waren, weiß ich nicht – bestimmt war der Machtinstinkt auch damals zentral - der österreichische und der russische, der deutsche und der französische, der englische und schließlich auch der amerikanische.

Wie eine Sintflut brach der Erste Weltkrieg über Europa herein – und 100 Jahre später sehen wir Filme von Schlachtfeldern, die genauso aussehen wie das Feld vor der Arche nach der Vernichtungsschlacht der Wächter im Noah Film. Und alle Beteiligten projizierten danach die Schuld auf den Verlierer, auf Deutschland. Es dauerte nicht lange, bis die Party in den zwanziger Jahren weiterging und dann nicht lange bis zur nächsten Katastrophe.

Das Spiel geht weiter - und immer noch und immer wieder ist jeder Einzelne gefragt: „Lebst du deine Freiheit in Verantwortung - notfalls allein, oder sogar einsam?“

Musik

Es ist fast zwingend, von der zweitältesten Geschichte der Menschheit, der Sintflut, auf die älteste zu schauen, die Schöpfung. „Geschichten, die über so viele Generationen lebendig bleiben, die stellen wahrscheinlich elementar-wichtige Fragen und geben Antworten“ – so hatten wir vermutet.

Der Mensch wurde Mensch, als er vom Baum der Erkenntnis gegessen hat – da tat er den Schritt aus der Geborgenheit des Instinktiven in die Freiheit der Entscheidung. Es ist die „Erkenntnis des Guten und des Bösen“, durch sie sind wir Menschen – und mit archaischer Wucht wird gezeigt, wie und wodurch die Menschenfreiheit bedroht ist.

Die allererste Handlung, die erzählt wird, ist das Opfer – Kain, der Bauer, opfert Gott, „dem Heiligen“, von seiner Ernte. Er nimmt Beziehung auf zum „Guten“ und findet eine Handlung dafür. Sein jüngerer Bruder Abel macht es nach, und sein Opfer brennt besser – sofort meldet sich „das Böse“, wir könnten sagen: der Instinkt, die Alpha-Position zu erreichen und zu verteidigen. „Da ergrimmte Kain sehr und senkte finster seinen Blick.“

Beim Kampf um die Alpha-Position im Wolfsrudel, da ist die Beißhemmung aufgehoben – die sonst tödliche Kämpfe im Rudel verhindert. Da geht es um Leben und Tod - hier bei Kain und Abel auch. Was wird siegen? Der Instinkt oder die Freiheit?

„Was ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick?“ fragt Gott. „Ist's nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie!“ Da sprach Kain zu seinem Bruder Abel: „Laß uns aufs Feld gehen!“ Und es begab sich, als sie auf dem Felde waren, erhob sich Kain wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot.“ So endet die Schöpfungsgeschichte.

Es geht weiter mit dem Stammbaum von Adams Nachkommen – nach einem Kapitel ist dieser Stammbaum bei Noah angekommen, und damit bei der Sintflutgeschichte.

Die fängt an mit Gottessöhnen, die sich die schönen Töchter der Menschen nehmen. Aus den Affären gehen „die Riesen“, „die Helden der Vorzeit“, die „Hochberühmten“ hervor. (Bei den Griechen sind es die Götter selbst, die solche Helden zeugen – wie Zeus den Herkules.) Als mächtigster Instinkt kommt damit die Sexualität in den Blick. Selbst Götter erliegen da – verständlich, dass Menschen auch die übrigen Instinkte hemmungslos ausleben.

So verstehe ich die „Verderbtheit der Menschen“, sie verleidet Gott seine Schöpfung. „Wegwischen will ich vom Antlitz des Ackers den Menschen, den ich schuf“ – so übersetzt Martin Buber den Beschluss Gottes: „denn es ist mir leid, dass ich sie machte“.
„Noah war aber fand Gnade in seinen Augen.“ Er war der Eine, der in der Freiheit standgehalten hatte, der sich nicht im sexuellen Lustgewinn verlor, sondern in Treue mit seiner Frau lebte, der die Katastrophe kommen sah und für die Rettung arbeitete – nicht nur für die eigene Familie sondern auch für die der Tiere – unter Einsatz aller Mittel und aller Kräfte.

Filmszene von "Noah": Das Leben nach der Sintflut beginnt unter der glückbringenden Erscheinung eines immensen Regenbogens. © 2014 Paramount Pictures

So gelesen kann die alte Geschichte uns die Augen öffnen für die Bedrohung unserer Freiheit durch die instinktiven Bedürfnisse und Verführungen. Die Gefahren und Bedrohungen des Menschseins sind gerade in den vergangenen 100 Jahren offensichtlich geworden - und es gehört schon Blindheit dazu, sie für die Zukunft nicht zu sehen.

Gott hat Noah nach der Flut versprochen, dass er die Menschheit nie wieder ausrotten wird – der Regenbogen bezeugt es immer wieder neu. Doch auch nach dem Ende des kalten Krieges mit der Bedrohung durch Atomraketen wächst die Möglichkeit und die Gefahr, dass der Mensch die Katastrophe erzeugt.

Es wird sein wie zu Zeiten Noahs

Von der Endzeit sagt Jesus: Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird's auch geschehen in den Tagen des Menschensohns: Sie aßen, sie tranken, sie freiten, sie ließen sich freien (was Sex meint, nicht Eheschließung), bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und brachte sie alle um.

Jeder ist eingeladen, sich auf die Hilfe Gottes beim Standhalten in der Freiheit zu verlassen. „Wen der Sohn freigemacht, der ist recht frei“ hat Jesus gesagt und ist dafür - für mich und dich - in den Tod gegangen.

Im Film zeigt sich Gott in der Katastrophe als der Gerechte – in der Katastrophe von Golgatha offenbart er sich als der Gnädige. Wir dürfen die Gnade annehmen oder Gerechtigkeit fordern – für uns. Eine andere Chance verspricht er der Menschheit in der apokalyptischen Zukunft nicht - auch nicht in der unruhigen Gegenwart.

Dr. Hans Frisch