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Kommentar zum Papst-Besuch

gesendet am 23. Oktober 2011 von Dr. Hans Frisch
 

Ein Jahrtausendereignis liegt einen Monat zurück – und ist schon fast vergessen. Ein deutscher Papst hat im Deutschen Bundestag eine Rede gehalten.

Vor einer Reihe von Jahren hat Kardinal Ratzinger beim Regensburger Ärztekongress über „christliche Moral“ gesprochen – ein sehr guter Vortrag, doch ohne großes Echo – und ich konnte anschließend einfach zu ihm hingehen und noch eine Frage stellen. Viele werden sich erinnern, dass sie mit ihm zusammen studiert haben, oder noch früher, mit ihm zur Schule gingen, mit Joseph Ratzinger, nicht mit dem Papst Benedikt XVI. Schon der Name sagt: Da ist ein anderer!

Ein Papst, der den Namen „Benedikt“ gewählt hat, wie schon 15 vor ihm - in der Reihe von Päpsten seit Petrus. Dass er es geworden ist, war nicht die Folge einer zielstrebigen Ausbildung oder Karriere – es war seine Berufung, so wie Jesus damals Petrus berufen hat zum „Felsen“, auf dem er seine Kirche bauen will.

„So wie Petrus seiner Berufung treu blieb, erst in Jerusalem, dann in Rom bis zum Märtyrertod, so bleibe ich felsenfest in der Treue zur Kirche Christi“ – so könnte man die Äußerungen des Papstes verstehen, wenn es um Änderungen geht, die an die heiligen Aussagen und Strukturen der katholischen Kirche rühren. Die zentrale Aussage lautet: „Kein Heil außerhalb der Kirche!“, der römischen Kirche! „Allenfalls mit der orthodoxen Kirche wäre eine Heilsgemeinschaft denkbar“ ist die vorsichtige neue Botschaft – dabei heißt „Heilsgemeinschaft“ - „Abendmahlgemeinschaft“, denn das Zentrum, der Mittelpunkt ist die „Eucharistie“, die Heilsvermittlung durch den geweihten Priester im Sakrament des Abendmahls.


Die Weihe der Priester geht vom Papst, dem Nachfolger des Petrus aus. Dem hatte Jesus zugesprochen: „Welchem du die Sünden vergibst, dem sind sie vergeben“ – und diese Vollmacht beanspruchen (oder behaupten) die Nachfolger des Petrus für sich, sie geben sie weiter in der Bischofsweihe, und durch den Bischof geht sie über auf die Priester.

Evangelische Bischöfe und Pfarrer haben diese Weihe nicht, deshalb auch nicht die Vollmacht zur Vergebung – ihr Abendmahl ist deshalb nicht heilskräftig, es ist deshalb etwas anderes als die Eucharistie und darf mit dieser nicht verbunden oder vermischt werden. Wer diesen Grundsatz aufweicht, der weicht das Fundament auf, das die römische Kirche trägt – und wer es versucht, der beißt beim Papst dieser Kirche auf Granit. Warum versucht die evangelische Kirche immer noch und immer wieder zur Abendmahlgemeinschaft zukommen, oder sich wenigstens zu nähern? Luther hätte sicher wütend protestiert! Nun ist es bis zur Fünfhundertjahrfeier der Reformation zwar noch sechs Jahre hin, doch wir wollen nach der Musik schon einmal versuchen, darüber nachzudenken.

Musik

Das waren noch Zeiten, als die Menschen Angst vor der Hölle und dem Fegefeuer hatten und glaubten, die Sakramente der Kirche könnten sie davor bewahren. Auch Martin Luther lebte in dieser Angst – noch schlimmer als die meisten – und die verschwand nicht, trotz Beichte, Absolution und Eucharistie, trotz Fasten und Bußübungen – auch nicht, als er Mönch wurde in Erfurt.

Doch eines Tages las er, was Paulus an die Gemeinde in Rom geschrieben hat: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.
Nicht Strafe wird angedroht, sondern Gnade, Vergebung und Liebe wird angeboten - umsonst!

Dieses Evangelium, die frohe Botschaft, sollten alle erfahren. Doch ohne Angst der Menschen konnte die Kirche aus ihrer Vollmacht keine Macht gewinnen (und kein Kapital schlagen), wie es seit Jahrhunderten etabliert war – und, wie vielen anderen Ketzern vor ihm, drohte Luther der Scheiterhaufen. Doch er fand mächtige Beschützer – konnten doch die Fürsten sich von Rom lossagen, wenn sie evangelisch wurden, und es kostete nichts.

Sie brauchten nur beim Abendmahl auch aus dem Kelch trinken, der dem Priester vorbehalten war - dafür bekamen sie Klöster mit Ländereien und Gebäuden, sie bekamen die Kirchengüter, sie wurden Kirchenherrn und blieben auch ohne päpstliche Segen „Herrscher von Gottes Gnaden“.

So kam es notwendigerweise zur Verbindung der neuen Kirche mit der politischen Macht - zur „Landeskirche“. Über Nacht wurden aus Millionen katholischen Untertanen evangelische Christen, wenn der Landesfürst evangelisch wurde (gemäß Augsburger Religionsfrieden 1555). Wären denen die Sakramente einfach weggenommen worden, sie wären ausgewandert! So blieben auch bei den Protestanten Taufe, Beichte, Abendmahl, Trauung sakramentale Handlungen - ohne Weihe und Segen des Papstes. Für die römische Kirche ein Gräuel.

Luther behauptete das „allgemeine Priestertum“ – und der Papst verstand, der damalige und die folgenden bis zum heutigen, das wäre das Ende der römisch-katholischen Kirche. Unheimlich viel Leid ist aus dem Konflikt entstanden – nach dem dreißigjährigen Krieg war die Bevölkerung in manchen Gebieten Deutschlands um die Hälfte reduziert, insgesamt wohl um ein Drittel – und es ist eine Illusion, zu meinen, mit etwas guten Willen eines Mannes in Rom wäre der Konflikt aufzulösen oder ein Kompromiss zu finden.

Doch, Gott sei Dank, aus Feindschaft ist ein brüderliches (und schwesterliches) Nebeneinander und Miteinander geworden. Es entsteht dabei die Frage, ob Annäherung an das katholische Sakramentverständnis nicht eine Entfernung vom evangelischen Auftrag wäre, der teuer erkauft ist – auch wenn der evangelische Landesbischof beim Abschied aus seinem Amt den Ökumenepreis der Katholischen Akademie in Bayern bekommen hat.

Musik

Durch sein Bündnis mit den Fürsten wurde Luther vor dem Scheiterhaufen bewahrt, doch es entstanden „Landeskirchen“. Alle Bürger im Land waren katholisch, denn jeder war, und jedes Kind wurde getauft – und gehörte damit zu der einen katholischen Kirche. Wurde nun der Fürst evangelisch, waren alle Untertanen evangelisch – über Nacht.

Das Sakrament der Kindertaufe konnte nicht abgeschafft werden, denn „ein Kind, das ohne Taufe stirbt, kommt in die Hölle“ – diese Angst saß tief und fest. Dem Herrscher war es recht, dass alle Kinder in seine Landeskirche hineingetauft wurden, nicht nur wegen der Kirchensteuer, die sie später zahlen würden.

Verständlich, dass die mächtigen Kirchenherren (in beiden Kirchen) nicht akzeptieren wollten, wenn plötzlich Menschen sie nicht als Herren über ihren Glauben anerkannten, weil Christus ihr Herr ist; dass sie das Abendmahl feierten ohne Priester und ohne ordinierten Pfarrer; dass sie, die als Kind getauften, nun sich taufen ließen als Bekenntnis ihres Glaubens und ihre Kinder nicht zur Taufe brachten. Das waren die „Glaubensväter“ und „Glaubensmütter“ der Freikirchen. Ihre Zahl wuchs schnell – obwohl beide Kirchen sie verfolgten mit Feuer und Schwert, die „Wiedertäufer“!

Hat das etwas mit dem Papstbesuch zu tun? Eigentlich nicht - denn die Feindschaft ist endlich beendet und es besteht auch hier ein gutes Nebeneinander und Miteinander. Allerdings fällt es mir schon auf, dass in der Berichterstattung, in der Kommentierung, auch in der Kritik zum Papstbesuch - und allgemein zu den Kirchen - die Freikirchen nicht vorkommen, auch in den Reden der Kirchenführer kommen sie nicht vor. Das scheint verständlich, denn das Bestehen und das Wachstum von Christengemeinden aus freier Glaubensentscheidung, ohne geistliche Hierarchien wie Bischöfe und Papst, ohne Verbindung zur politischen Macht, ohne Kirchensteuer, mit Heilsgewissheit ohne Sakramente – das stellt einiges an den beiden etablierten Kirchen in Frage, worauf sie angewiesen sind – und ihr Bestand ist durchaus auch in öffentlichem Interesse.

Da ist es gut, dass wir Freikirchen nicht nach öffentlichem Ansehen und nach Anerkennung oder Einfluss streben - wo es leider trotzdem geschieht, da sind es Fehlentwicklungen.
Freikirchen und freie Gemeinden sind Gemeinschaften aufgrund des bewusst angenommenen Glaubens an Jesus Christus, unseren Erlöser und Herren – und sie laden nicht ein zur Mitgliedschaft, sondern zum Glauben an Jesus Christus.

Selbstverständlich haben viele Menschen in der katholischen und in der evangelischen Kirche den gleichen Glauben, sie alle sind uns Brüder Schwestern in Christus, selbst wenn sie Bischof oder Papst sind. Die wirkliche „Eine Kirche Christi“ ist die Gemeinschaft aller, die an Jesus Christus glauben - und ich bin schon sehr froh, dass dazu auch so prächtige Messen wie die in Erfurt gehören, so schöne Kirchen wie in Nürnberg und so große Sozialwerke wie die Diakonie in Bayern.
Nur mit den Freikirchen wäre die Kirchenlandschaft sehr viel ärmer - doch ohne sie erst recht!