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Advent

gesendet am 19.12.2010 von Dr. Hans Frisch
 

Adventsstimmung - damals und heute

Advent, Advent - nun brennt schon das vierte Licht. Trotzdem noch eine Woche fürs Weihnachtsgeschäft, für die Weihnachtsvorbereitungen und für die Hoffnung auf die richtige Weihnachtsstimmung.

Eine beschwerliche Reise

Wenn das jemand Maria erzählt hätte, damals eine Woche vor der Geburt ihres ersten Kindes. Sie war wohl auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem - hoffentlich hatte sie einen Esel für den Weg von 150 km, besonders für den Aufstieg von Jericho hinauf nach Jerusalem, 1.000 m Steigung auf 30 km. Und dort oben konnte es kalt werden im Dezember (wenn denn das damals im Dezember war). Vorweihnachtliche Stimmung herrschte damals nicht, nicht bei Maria, und Josef, nicht in Jerusalem und auch nicht in Bethlehem.

Volkszählung im gesamten Römischen Reich

Wenn wirklich eine Volkszählung der Anlass für die Reise war, wie es die Geschichte erzählt, dann ging es da nicht feierlich zu. "Schätzung" nennt das Lukas Evangelium die Zählung, und das war es auch. Das Land gehörte zum römischen Reich, und der Boden in diesem Reich galt als Eigentum Roms. Nicht, dass römische Bauern kamen, um ihn zu bewirtschaften, das durften die Bewohner tun - und sie mussten es tun, denn von dem Ertrag waren Steuern zu zahlen. Deren Höhe hing ab von der Art, der Ertragskraft des Bodens. Das Land wurde vermessen, die Ölbäume wurden gezählt, der Ackerboden beurteilt, Weinberge geschätzt, alles wurde in Karten eingezeichnet. Und dann war zu klären, wem was gehört, d.h. wer wie viel Steuern zu zahlen hat an die kaiserlichen Steuereintreiber - "Zöllner" werden die in den Evangelien genannt.

"Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war." steht im Lukas Evangelium. Das war schwerste Arbeit für die Landvermesser und Steuerbeamten - erst die Karten anlegen, Feld für Feld, Garten für Garten - für jede eroberte Provinz - und dann die Listen. Es ging um Grund und Boden, dazu mussten die Besitzverhältnisse geklärt werden. Möglich war das nur, wenn alle möglichen Besitzer anwesend waren. Weil der Bodenbesitz aber meist geerbt war und damit auf Familien verteilt, mussten diese komplett vor Ort erscheinen. Sonst hätte sich für manchen steuerpflichtigen Besitz niemand gemeldet - einen nicht anwesenden Besitzer aber zu ermitteln, würde zumindest sehr langwierig gewesen sein, und die Listen mussten irgendwann komplett werden. Alle mussten da sein, und oft waren strenge Verhöre nötig, bis für den letzten Baum oder Weizenacker ein Steuerzahler in der Liste stand. In Gallien hat dieser Prozess 40 Jahre gedauert - in Israel ging es schneller.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, denn die Ländereien der Davidsfamilie lagen in Bethlehem - und er gehörte zu dieser Familie.

Musik

"Weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war" - das war der Grund, warum Josef mit Maria nach Bethlehem musste.

Kein Platz

Es gibt Weihnachtslieder und Krippenspiele, in denen die beiden als Fremdlinge von Tür zu Tür gehen, anklopfen und abgewiesen werden. Wahrscheinlich war es anders - sie hatten wohl Verwandte dort, doch auch die hatten keinen Platz frei. In den 1.000 Jahren seit dem Stammvater David war die Familie seiner Nachkommen gewachsen, und viele mussten dort in Bethlehem, der Stadt Davids, erscheinen. Da war kein Platz mehr in der Herberge - deshalb der Stall und die Krippe. Danach, als die meisten wieder weg waren, da wurden sie sicher aufgenommen, so dass die Weisen aus dem Morgenland sie wohl nicht im Stall angetroffen haben. (Aber die Bilder sind doch so schön, lassen wir sie da in unserer Vorstellung).

Nachkomme Davids

Kaum einer von uns wird seinen Ur, Ur, Ur, und noch dreißigmal Urgroßvater kennen, doch wenn wir Nachkommen von Karl dem Großen wären, wüssten wir es wahrscheinlich. Und David war nicht nur der erste große König Israels, er hatte Jerusalem zur Hauptstadt gemacht, auf ihn ging der Tempel zurück (den sein Sohn erbaute), seine Geschichte und seine Psalmen waren in der Bibel stets gegenwärtig, und einer seiner Nachkommen sollte der Messias sein, der Gesandte Gottes mit dessen Kommen das Reich Gottes anbricht. Sicher hat jeder seiner Nachkommen in 33 Generationen erfahren, dass er zum Hause und Geschlecht Davids gehört - auch Maria.

Die heidnischen römischen Besatzer weckten das jüdische Bewusstsein

Ohne die Erwartung des Messias hätte das Volk wohl kaum überdauert - die Zerstörung des Tempels und die babylonische Gefangenschaft, die Zeit des Wiederaufbaus und der griechischen Besatzung, die Befreiungskriege und jetzt die römische Besetzung. Doch 1.000 Jahre auf den Messias warten, das ist lang - jetzt wurde es Zeit!

Da hatte ein Priester beim Opfer im Tempel - dem Rauchopfer direkt vor dem Allerheiligsten - eine Engelserscheinung. Gabriel, ein Erzengel, verkündete ihm, dass ihm ein Sohn geboren wird - endlich! Der wird der direkte Verkünder des kommenden Messias sein, Johannes soll er heißen.

Ein halbes Jahr später erscheint Gabriel der Maria und verkündet ihr, dass sie Mutter des Messias wird, das war neun Monate vor Bethlehem - jetzt war es so weit. Die Kirche hat den Geburtstag Jesu auf die Wintersonnenwende gelegt, die Geburt des Johannes muss dann ein halbes Jahr früher, zur Sommersonnenwende sein - an Johanni.

Johannes tritt später auf als Täufer am Jordan, im Prophetenmantel. "Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!", ist sein Ruf - er wird gehört. Und es ging zu ihm hinaus das ganze jüdische Land und alle Leute von Jerusalem und ließen sich von ihm taufen im Jordan und bekannten ihre Sünden. Das mag etwas übertrieben sein, doch beschreibt es die Stimmung im Land.

Auch Jesus lässt sich taufen - doch liegen zwischen Bethlehem und der Taufe 30 Jahre. Wenn diese Zeit umgerechnet wird auf ein Kirchenjahr, von Weihnachten bis Ostern, dann entspricht die Zeit von heute bis Heilig Abend annähernd dem Zeitraum von der Ankündigung der Johannesgeburt bis zu Jesu Geburt. Das verringert meine Zweifel, ob das Thema unserer heutigen Sendung den richtigen Termin hat.

Musik

Wir haben geschaut auf die vorweihnachtliche Zeit, die so gar nicht weihnachtlich gestimmt war, damals in Bethlehem und damals im jüdischen Land. Und doch war es genau die Zeit, von der Paulus später sagt: Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.

In der Erwartung des Messias tauchen zwei Männer auf

Die Herrschaft des heidnischen Rom weckte das jüdische Bewusstsein: "Wir sind das Volk Gottes!" Der Tempel erstrahlte in neuem Glanz, doch erbaut hatte ihn Herodes, König von Roms Gnaden, und kein Jude. Der äußere Druck weckte die Hoffnung auf Befreiung, auf die Ankunft des Messias, den Anbruch des Gottesreiches. In diese Zeit wird Johannes geboren und ein halbes Jahr später Jesus - mit ihm verwandt.

Wie ein Prophet tritt später Johannes auf, als wiedergekommener Elia wird er angesehen. Er verspricht die unmittelbar bevorstehende Ankunft des Messias und den Anbruch von Gottes Reich und ruft zur Buße und Taufe. Wahrscheinlich sind viele von denen, die dann später zu Pfingsten die Predigt des Petrus verstehen und sich auf den Namen Jesus Christus taufen lassen, solche, die von Johannes getauft waren.

Jesus ist inzwischen 30 Jahre, es wäre Thema für einen spannenden Roman, sich in diese Jahre hinein zu denken. Eines Tages kommt auch Jesus an den Jordan, Johannes soll ihn taufen. "Du mich!" meint Johannes - doch Jesus besteht darauf.

Das wäre eins der spannendsten Kapitel in dem Roman, denn dieser Moment verändert das Leben Jesu völlig - und nicht nur das, es ändert den Lauf der Weltgeschichte. Auch diese Sendung ist eine der Folgen. "Du bist mein lieber Sohn", so hört Jesus die Stimme Gottes, als er aus der Taufe auftaucht. Es ist der Satz, welcher dem König in Israel zugesprochen wurde bei der Salbung, die ihn zum "Meschiach", zum Gesalbten Gottes machte. Für Jesus muss es das Siegel gewesen sein: "Du bist der Messias."

In Bethlehem, da begann sein menschliches Leben - jetzt tritt der ein in das Leben seiner Sendung. Es wird drei Jahre später am Kreuz enden, wenn er sagt: "Es ist vollbracht." Die Auswirkungen dieses Lebens und dieses Sterbens gehen nun schon ins dritte Jahrtausend. Millionen, ja Milliarden Menschen haben erlebt: Er war nicht nur für die Juden gekommen, sondern als Heiland für alle Menschen.

Manches ist im Gedicht deutlicher gesagt als mit vielen Worten. Friedrich Rückert, ein Franke und ein großer Orientalist, der vom Abendland, vom "abendlichen Strande", oft in den Orient, "hin durch die Morgenlande" fuhr, der hat es so gesagt:

Bethlehem und Golgatha

Er ist in Bethlehem geboren,
der uns das Leben hat gebracht,
und Golgatha hat er erkoren,
durchs Kreuz zu brechen Todes Macht.

Ich fuhr vom abendlichen Strande
hinaus, hin durch die Morgenlande;
und Größeres ich nirgends sah,
als Bethlehem und Golgatha.

Wie sind die sieben Wunderwerke
der alten Welt dahingerafft,
wie ist der Trotz der ird'schen Stärke
erlegen vor der Himmelskraft!

Ich sah sie, wo ich mochte wallen,
in ihre Trümmer hingefallen,
und steh'n in stiller Gloria
nur Bethlehem und Golgatha.

O Herz, was hilft es, dass du kniest
an seiner Wieg' im fremden Land!
Was hilft es, dass du staunend siehst
das Grab aus dem er längst erstand!

Dass er in dir geboren werde
und dass du sterbest dieser Erde
und lebest ihm, nur dieses ja
ist Bethlehem und Golgatha.

Friedrich Rückert

Dr. Hans Frisch