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delirious? gesendet am 01.05.2008 von Heiko Müller
 

Das neue Album der Südengländer delirious? "Kingdom of Comfort" verarbeitet eindrückliche Erlebnisse der Band aus ihren Tourneen.

Stu G, Stew, Tim und Jon erzählen, wie alles angefangen hat
Stu G, Stew, Tim und Jon von Delirious? erzählen, wie alles angefangen hat - zum Anhören hier klicken
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Stu Garrard (Gitarre): Vor ein paar Jahren tourten wir durch Südamerika und wurden mit extremem Reichtum und extremer Armut konfrontiert. Du bist da mitten drin und denkst: was mache ich denn jetzt damit? Auf Tournee rund um die Welt, angefangen in Asien, Ruanda und Südafrika haben wir Orte mit extremer Armut selbst gesehen. Das hat sich zu einer persönlichen Herausforderung für uns zugespitzt: Was bewirken wir eigentlich mit dem, was wir singen?

Stew Smith (Schlagzeug): Man fühlt sozusagen diese Hoffnungslosigkeit, weil diese Armut schon sehr schlimm sein kann. Aber es gibt Hoffnung. An vielen Orten, wo wir waren, hatten wir das Gefühl, dass unser ganzes Dasein hoffnungslos ist. All diese Erfahrungen berührten und beunruhigen mich zutiefst.

Tim Jupp (Tasten): Wir besuchten mal eine städtische Müllhalde, auf der 3000 Menschen lebten. Ich war dort mit meinen Kindern und dachte die ganze Zeit: das ist ja wohl der ungemütlichste Ort, an dem ich je war, und ich wusste nicht, wie ich die ganzen Gefühle einordnen sollte, die mir da durch den Kopf gingen.

Jon Thatcher (Bassgitarre): In der einen Minute noch auf der Müllhalde, in der nächsten im 5-Sterne-Hotel. Ich versuchte, das zu rechtfertigen, irgendwo daraus klug zu werden, fühlte mich aber nicht gut dabei, weil ich zwar irgendwas Schlaues dazu sagen kann, aber in der Seele schmerzen die beiden Extreme ja weiterhin.

Stu G.: Und dann kam ich wieder heim, und wir sind umgezogen in ein noch besseres Haus. Damit fühlte ich mich irgendwie nicht gut. Damals hörte ich Pastor Rob Bell etwas über König Salomo reden, der ein unglaubliches Vermögen angehäuft hat, viel Weisheit und tolle Paläste - und dabei übersehen, dass das am Ende alles Sklaven gebaut haben.
Und die Frage ist doch: Woran bauen wir eigentlich? Bauen wir uns ein Königreich der Bequemlichkeit oder des Himmels?
Genau darum ist das Album entstanden.

Das neue Album hat seinen spezifischen Sound, Martin Smith erzählt, wie die Band diesen Sound gefunden hat
Das neue Album von von Delirious? hat seinen spezifischen Sound, Martin Smith erzählt, wie die Band diesen Sound gefunden hat - Zum Anhören hier klicken
O-Ton 2
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Martin Smith: Ich glaube, wir haben bis jetzt noch kein Album, das sich so stark auf dieses Thema und die Texte konzentriert. Als wir im Januar in Indien gespielt haben, kam ich zurück in dieser Spannung und all dem Geruch in der Nase und den Sorgen und was jetzt unsere Antwort darauf ist. Wie können wir uns selbst Christen nennen, wenn wir nicht wissen, wie wir darauf reagieren sollen?
Ich erinnere mich, dass Stu im Studio Gitarrenverstärker anschloss und mit einem Mal dieser Klang herauskam, der genau das ausdrückt: Verzweiflung, Ärger, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Ich fühlte gleich: wir müssen diesen Klang festhalten und in unseren Liedern verarbeiten, irgendwie diese Spannung aufnehmen, von der das Album "Kingdom of Comfort" lebt.

Tim Jupp: Es ist vergleichbar mit der Kirche, die uns wieder erfasst mit diesem großen Auftrag, etwas nicht nur für uns drinnen zu sein, sondern auch etwas für die Menschen draußen anzubieten.

Martin Smith: Alles, was uns dieses Jahr passiert ist, hat uns klar gemacht, dass wir als delirious? nicht in einem Königreich der Bequemlichkeit leben wollen, und mit unsere Musik und wo wir spielen nicht einfach so weitermachen wollen wie bisher. Du musst dich einfach auch mal herausfordern, ein bisschen mehr wagen. Und genau das sollte zurück in die Band fließen. In den neuen Songs auf dem Album kann man hören, dass wir uns wieder verändert haben und ganz klar sagen, das hier brauchts, das andere nicht. Das ist schon spannend.

"Kingdom of Comfort" ist ein Gesamtkunstwerk, das beim Cover anfängt, erklärt Stew Smith
"Kingdom of Comfort" von von Delirious? ist ein Gesamtkunstwerk, das beim Cover anfängt, erklärt Stew Smith - Zum Anhören hier klicken
O-Ton 3
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Stew Smith: Ich denke, wir hatten noch nie so ein klares Gesamtkonzept für ein Paket. Sogar in der Gestaltung: Auf dem Umschlagbild ist ein umgekippter Einkaufswagen mit verschieden, weiß angesprühten Sachen, die alle auf dem Boden rumliegen.
Manche dieser Dinge bedeuten viel für uns im Westen, wo uns so etwas wie eine Flasche Wasser wertlos erscheint. Aber für ein Kind in Afrika sind ein iPod oder ein MP3-Spieler wertlos, die Flasche Wasser bedeutet dagegen wahres Leben. Weißt du, das ist der Unterschied.
Das Bild drückt irgendwie all diese Fragen und Kämpfe aus und dass wir uns den Glauben so bequem gemacht haben, ja, uns der gleichgültig geworden ist.
Wir haben vielleicht noch nie ein Album herausgebracht, das so umfassend ist, mit Liedern, um die Kirche zu inspirieren und auch Lieder, die die Leute beim Radiohören anregen sollen.

Martin Smith: Es ist ein sehr ehrliches Album, auf manchen Gebieten mutig, aber es könnte zukünftig noch mutiger werden. Hoffentlich kann es ein kleines Puzzelteil für Menschen werden, zu entdecken, wie sie sich einsetzen und die Welt verändern können. Und das ist aufregend.

Quelle Originaltoninterview: Gerth Medien www.gerth.de
Übersetzung und Produktion: Heiko Müller

Homepage delirious?: www.delirious.co.uk

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