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Allerheiligen für alle

gesendet am 01.11. 2008 von Dr. Hans Frisch
 

Heilige - das sind doch die, zu denen Menschen beten, wenn sie etwas verloren haben, wenn Gewitter toben - "heiliger Sankt Florian, schütz unser Haus zünd andere an". Oder die einen magischen Schutz verleihen, wenn der Christophorus im Auto baumelt.

So leicht wollen wir es uns nicht machen. Denn so von den Heiligen zu reden, wäre, als ob man von der Liebe reden will und Geschichten aus in der "Bunten" oder aus "Frau mit Herz" zitiert. Andererseits, wenn wir die Bibel befragen nach Heiligen, dann finden wir: Paulus nennt alle Christen "die Heiligen" - und so ist der Tag Allerheiligen sicher nicht gemeint.

Ursprung im alten Rom

Vielleicht finden wir eine Spur, die auch Nichtkatholiken näher zu diesem Tag führt. Wir müssen weit zurückschauen, bis zur Zeit der Christenverfolgungen im alten Rom. Nur selten und nur über kurze Zeiten waren die so schlimm wie unter Nero - es wurde den Christen meist leicht gemacht, dem Martyrium zu entgehen: ein Eid auf den Kaiser, ein Opfer vor seiner Statue.

Viele retteten sich so, aber mit schlechtem Gewissen. Die aber, welche standhielten bis zum Kerker oder bis zum Tod, die wurden bewundert und verehrt. Christen, die für ihren Glauben im Kerker saßen, bekamen die Vollmacht zugesprochen, reumütigen Sündern zu vergeben. Am Jahrestag ihres Todes wurde besonders an die Märtyrer gedacht - mit Gottesdiensten und Gebeten. Bald betete man zu ihnen, in der Hoffnung, dass sie im Himmel Fürbitte einlegen könnten.

Als es dann keine Märtyrer mehr gab, wurde die Verehrung auf besonders fromme Menschen gelenkt - als erster war da der St. Martin. Die Kirche kam diesem Bedürfnis der Menschen nach und bestätigte die Heiligkeit solcher Menschen, bis in unsere Tage. So entstand ein ganzer Heiligenkalender, der für die meisten Tage des Jahres sogar mehrere Heilige kennt. Das wäre ein eigenes Thema.

Doch heute ist nicht der Tag irgend eines Heiligen, heute ist Allerheiligen - und das hat tiefe Wurzeln: 27 Jahre vor Christi Geburt baute der Schwiegersohn des Kaisers Augustus einen Tempel für alle Götter, dass Pantheon in Rom. Dieser Tempel brannte später ab, wurde wieder aufgebaut, brannte wieder ab und 120 nach Christus baute der Kaiser Hadrian sein berühmtes Pantheon mit einer Kuppel von über 43m Durchmesser und oben einer 9m weiten Lichtöffnung. Das Himmelsgewölbe mit der leuchtenden Sonne - ein architektonisches Wunder. Als später die Päpste den Petersdom bauen ließen, da wollten sie die Kuppelgröße noch überbieten, doch die Architekten mussten passen.

Musik

Mit dem Pantheon wurde ein Stück Heidentum in die Kirche integriert

Nach dem Sieg des Christentums im 4. Jahrhundert, da stand das Pantheon, wie ein Mahnmal des überwundenen Götterglaubens, verschlossen in der Stadt.
Schließlich schenkte der Kaiser Phokar es dem Papst Bonifatius III. Der wandelte den Tempel in eine Kirche um. Reich geschmückte Wagen brachten Überreste von Märtyrern aus den Katakomben, die einst im Namen der Götter des Pantheon getötet wurden, in die Kirche. Sie wurde am 13. Mai des Jahres 610 der "Maria und allen Märtyrern" geweiht.

Diese Kirchweih wurde ein Fest zu Ehren Marias und aller Märtyrer in der ganzen Kirche - und wieder war ein Stück Heidentum in die Kirche integriert, so wie manches alte Fest. Die Heiligenverehrung hat dadurch wohl einen erheblichen Schub bekommen - gewissermaßen "die höheren Weihen", und, Maria thronte über ihnen allen. Auch die Reliquienverehrung dürfte hier ihren Ursprung haben.

Kirchweih das heißt: Feiern, Essen, Trinken - so ähnlich wird es wohl auch bei in diesem Fest zugegangen sein. Aber im Mai, da sind die Vorräte schon aufgebraucht. So wurde das Fest vom Papst Ottilo im 9. Jahrhundert auf den Herbst verlegt, da dann "nach der Ernte und Weinlese alle Pilger leichtlich gespeiset und getränket" werden konnten. Seitdem ist der 1. November Allerheiligen.

Ob der Wechsel nur mit der besseren Vepflegunssituation im Herbst zusammen hängt, darf bezweifelt werden.
Im römischen Pantheon hatten die Menschen für ihre Verstorbenen gebetet zu der Göttin Kybele und den anderen Göttern - jetzt konnten sie dies im Namen der Heiligen und der Jungfrau Maria tun.

Die Kelten feierten am 31. Oktober ein Totenfest

Die Kelten im Norden feierten ein Totenfest am 31. Oktober, dem keltischen Sylvester-Abend. In dieser letzten Nacht des Jahres erlaubte der Herr der Toten den Seelen der im vergangenen Jahr Gestorbenen die Rückkehr nach Hause. Um sie zu versöhnen wurden Speiseopfer, Tieropfer und sogar Menschenopfer gebracht und allerlei unternommen, um böse Geister, Hexen und Dämonen zu verjagen. Im Halloween finden sich davon noch Reste, allerdings sind die leuchtenden Kürbisfratzen vor den Häusern nur ein spaßiger Rest.

Durch die Verlegung von Allerheiligen auf den 1. November wurde auch dieses Fest christianisiert - allerdings brauchte das Totengedenken doch noch zusätzlich seinen eigenen Tag, Allerseelen, am 2. November.

Wir haben keine Bedenken, Weihnachten zu feiern zum Termin der alten römischen Saturnalien, am Tag der Wintersonnenwende - wir könnten auch an einem ehemals keltischen Totenfest der vielen Märtyrer gedenken - nicht nur aus römischer Zeit.

Luther aber hat den Festtag abgelehnt, auch die anderen Reformatoren, denn zu ihrer Zeit war der Missbrauch sowohl der Heiligenverehrung, als auch des Marienkultes und der Reliquien gewaltig und wurde von der römischen Kirche nicht nur geduldet, sondern gefördert und schamlos ausgenutzt.

Dass Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel einen Tag vor Allerheiligen angeschlagen hat, das ist sicher kein Zufall.

Musik

Viele heidnische Feste wurden in das Christentum integriert

Was damit angefangen hatte, heidnische Bräuche und Vorstellungen unter christlichem Namen zu dulden, dass hatte dahin geführt, dass solche Bräuche und Vorstellungen schon als Christentum angesehen wurden, was ein recht undifferenziertes aber auch recht populäres Christsein hervorbrachte.
Diese Bräuche und Vorstellungen treffen meist allgemein-menschliche Ängste und Hoffnungen, sie rühren an magische Bereiche in uns und finden deshalb Interesse und Zustimmung bei vielen. Ernsthaftes Christsein aber fordert eine Entscheidung, vor der viele zurückschrecken.

Wir werden auch in diesem Jahr zu Weihnachten erleben, wie die Kirchen voll werden von Menschen, die wenigstens an diesem Tage ein religiöses Erlebnis haben wollen - in der dunkelsten Zeit des Jahres ein Lichterfest. Jedem ist aber auch möglich, am Weihnachtsfest der Ankunft des Gottessohnes auf der Erde zu gedenken. So wäre es uns auch möglich, heute aller Heiligen zu gedenken; der Menschen, die unter großen Opfern das Evangelium durch die Jahrhunderte und durch zwei Jahrtausende getragen haben - bis auf uns. Ich spüre bei diesem Gedanken und bei diesem Gedenken Ehrfurcht und Dankbarkeit.

Was ist mir heilig?

Vielleicht sollten wir versuchen, das Fest Allerheiligen auch von einer ganz anderen Seite zu betrachten.
Paulus nennt alle Christen Heilige, weil Christus sie geheiligt hat durch seinen Opfertod am Kreuz.
Auch wir, wenn wir uns auf Christus berufen, stehen also in der Reihe aller Heiligen - es wäre unser Fest.

Dass ich nicht vor die Frage gestellt bin - opfere dem Kaiser, der sich als Gott bezeichnet, oder stirb - das beruhigt mich schon. Ich möchte mich nicht festlegen, ob ich mein Leben opfern würde für meinen Glauben - ich habe ja schon Schwierigkeiten von meiner Zeit oder meinem Geld dafür zu opfern.

Das heutige Fest könnte ein Anlass sein, einmal darüber nachzudenken, wie billig uns der Glaube ist. Wenn heute aus dem Erinnerungstag an die vielen Märtyrer, die bis in unsere Zeit für ihren Glauben gestorben sind, ein Spaß-Ereignis gemacht wird - "feiern bis der Kürbis lacht" titelte der Wochenspiegel vom letzten Sonntag - und wenn noch dazu das aus tiefer Angst entstandene alte keltische Fest als Anlaß für Super- Partys herhalten muss - dann ist das eigentlich kein Spaß. Wer die Glaubenstreue und auch die Lebensangst anderer Menschen nicht ernst nimmt, der kann sich selbst auch bald nicht mehr ernst nehmen. Und irgendwann ist der Spaß vorbei - die Treue verlangt Opfer und die Angst läßt sich nicht mehr wegfeiern - allenfalls noch mit Pillen und Promillen - darüber zum Beispiel könnten wir heute nachdenken.

Auch was Heiligkeit bedeutet und was sie bedeuten könnte für uns - denn zu denen wollen wir ja nicht gehören, denen nichts heilig ist. Ob wir Menschen werden, an deren Treue und Glaubensmut sich noch spätere Generationen erinnern, so weit wollen wir gar nicht denken. Aber ob wir wenigstens so ernsthaft unseren Glauben leben, dass die Menschen um uns etwas davon merken - das könnten wir heute einmal überprüfen (was riskieren ihr schon - allenfalls manchmal etwas Spott.).

Wer dann noch anfängt, zu überlegen, wie viele Opfer gebracht worden sind für uns - von unseren Eltern für unser Leben und unsere Entwicklung, von Generationen vor uns für unsere Freiheit und unsere Sicherheit, von früheren Menschen für unsere Glaubens- und Gewissensfreiheit, dann können wir ganz schön beschäftigt sein an diesem Feiertag.

Dr. Hans Frisch