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Von Rauhnächten zu Weihnachten gesendet am 30.12.2007 von Dr. Hans Frisch
 

Also, wenn ihr in dieser Zeit nachts unterwegs seid, und ihr begegnet der wilden Jagd, Wodan mit Hut und Mantel auf dem achtbeinigen weißen Roß, begleitet von seinen wilden Gesellen, einige ohne Kopf, andere mit nur einem Arm oder Bein, also, wenn die auf euch zureiten mit Geschrei Gejohle und Hundegekläff, dann tretet vom Feldweg zur Seite auf ein Saatfeld, und wenn da kein Saatfeld ist, dann werft euch nieder, ich garantiere euch, so überlebt ihr die grausige Begegnung. Wenn ihr zuhause bleibt in den 12 rauhen Nächten zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige, dann hütet euch, Wäsche aufzuhängen, sonst lockt ihr Frau Holle an mit ihrer Schar der ungetauft gestorbenen Kinder.

Und wenn ihr es genau wissen wollt, in welcher Zeit des Jahres wir jetzt leben, dann ruft die Internetseite der NPD auf über die "Rauhnächte", da werdet ihr auch gleich erfahren, wie die Kirche dieses hohe alte germanische Fest sich aneignete, um die ungläubigen Heiden zum jüdischen "Wüstengott" zu bekehren. Wem das noch nicht genügt, der kann in 20.000 Internetseiten zum Stichwort Rauhnächte sich das Passende aussuchen.

Doch im Ernst, etwas Besonders hat diese Zeit schon. Alle Jahre wieder die gleiche Hektik, die gleiche Besinnlichkeit, die gleichen Sehnsüchte nach Frieden und Liebe, das gleiche Glückwunschtrommelfeuer. Und auch in diesem Jahr waren an Heiligabend die Kirchen überfüllt, auch in diesem Jahr wird morgen um Mitternacht das Leuchten und Krachen losgehen und wird die Feststimmung irgendwie bis zum 6. Januar anhalten, auch wenn man nicht unbedingt unter den Sternsingern den Priester mit dem Weihrauch erwartet.

Wahrscheinlich hat Weihnachten tatsächlich den Namen von den germanischen "Weihenächten" bekommen oder behalten, denn das Fest der Wintersonnenwende ist viel älter als das Christentum. Wer verstehen will, warum Weihnachten sich so dauerhaft hält, ohne dass es noch einen allgemein gültigen Inhalt gibt, der muss nach der Wurzel fahnden - und die reicht tief, viel tiefer als wir vermuten.

Stellt euch vor, alle Kalender gingen verloren - der Weihnachtstermin wäre nicht schwer zu ermitteln. Ein Stab auf einer ebenen Fläche aufgestellt, und jeden Tag um 12:00 Uhr wird die Länge des Schattens markiert. Wenn der wieder etwas kürzer wird, dann war die Wintersonnenwende - am 21. Dezember. Der Rest ist leicht zu klären. Dass es dunkler und kälter wurde, das haben wir schon vorher gemerkt, das merken auch die Bären und kriechen in ihre Höhlen, dass ahnten die Zugvögel als sie ich auf ihre weite Reise machten, das spürten die Bäume und warfen das Laub ab.

Der Jahreszyklus hat sich dem Leben aufgeprägt, auch in uns ist er vorhanden, eigentlich biologisch gegeben. Wer in Stonehenge war oder bei anderen megalithischen Steinsetzung, wer die Ausstellung der Himmelscheibe aus Nebra besucht hat oder sich mit alten Mythen beschäftigt, der kann nachempfinden, welche Bedeutung der Sonnenlauf, besonders der tiefste Stand der Sonne im Winter, für die Menschen hatte. Hat das etwas mit dem christlichen Weihnachten zu tun? Eigentlich nicht - aber doch eine Menge.

Musik

Eigentlich hat der Weihnachtstermin nichts mit der Geburt von Jesus zu tun - dessen Geburtstag ist unbekannt, wahrscheinlich existierte nie eine Geburtsurkunde.
Am 17. Dezember begannen im alten Rom die "Saturnalien", ein Fest mit Geschenken, gemeinsamen Mahlzeiten, auch die Sklaven saßen mit am Tisch, es bedienten sogar die Herren, mit Fröhlichkeit und Festtrubel. Bald gingen diese Bräuche in das Fest der Wintersonnenwende ein, denn der Sonnengott, "sol invictus", "die unbesiegbare Sonne", wurde zum Staatsgott Roms ernannt. Einer seiner eifrigsten Verehrer war Konstantin der Große der sich als irdischer Vertreter des Sonnengottes ansah.

Dann wurde Konstantin Christ, und damit war die Weichenstellung zur Umwandlung des "sol invictus" zum "Christgeburtsfest" gegeben, mit Geschenken und mit Festessen, mit sozialer Annäherung - wie schon in den Saturnalien gehabt. Dass, vielleicht unbewusst, diese Geburtstagsfeier in den uralten Jahresrhythmus eingepasst wurde, garantierte, dass sie akzeptiert wurde und Bestand hatte und Bestand hat, selbst in unserer fast "nachchristlichen" Zeit. Wer allerdings dieses Fest lösen wollte von der Geburt Jesu, der müsste schon einen starken Mythos finden, um ein so starkes Datum zu füllen. Denn das spüren wir doch gerade zu Weihnachten, das "Religiöse" gehört dazu, der Mythos. Ohne Kind in der Krippe wäre der Christkindlmarkt kaum denkbar, ohne Weihnachtslieder kämen wir doch gar nicht in eine echte Weihnachtstimmung. Und wem das nicht reicht, der soll zur Christmette in die Sebalduskirche gehen - aber früh genug, wenn er noch einen Platz haben will.

Damit kommen wir zu der eigentlichen Wurzel solche Feste. In frühen Zeiten der Menschheit war die Deutung der Welt und es Seins nur mythisch möglich. Alles was ist muss einen Ursprung haben, und weil aus dem Nichts nichts kommen kann, mussten Gottheiten diesen Anfang gestiftet haben. So entstanden Mythen - Geschichten, wie zum Beispiel: durch das Opfer eines göttlichen Helden - aus dessen Blut und aus dessen Körperteilen - kamen Saat und Ernte. Im Frühjahr wurde der Jahrestag dieses Opfers gefeiert mit einem mythischen Fest. In einem heiligen Spiel wurde die Geschichte gegenwärtig gemacht wird, "hier und jetzt", "hic et nunc", ist das Opfer gebracht - und wieder konnte aus der Saat die Ernte hervorgehen. Absolut wichtig war der richtige Zeitpunkt, bestimmt durch Sternenstand und Sonnenlauf. Last euch das bei der Ausstellung der Himmelscheibe in naturhistorischen Museum erklären.

Wirklich gültige Zeit, heilige Zeit, die das Menschsein mit dem Weltenlauf verband, das waren diese mythischen Feste. In nördlichen Ländern war das wichtigste die Wintersonnenwende. Nur wenn das richtige Opfer zum richtigen Zeitpunkt gebracht wird, kann die Sonne wieder höher steigen. Das erklärt den Aufwand von Stonehenge und ähnlichen Heiligtümern.

Musik

Mancher der Zuhörer mag sich jetzt bestätigt fühlen: "Also doch, da wurde nur ein Mythos durch einen anderen, einen christlichen Mythos, ersetzt. Doch Jesus war keine mythische Gestalt sondern eine geschichtliche Person, Zeitgenosse des Augustus, des Herodes und des Pontius Pilatus. Seine Geburt, sein Leben und Sterben, seine Auferweckung haben die Weltgeschichte beeinflusst wie keine andere Person. Niemand kann sagen, wie die Entwicklung gelaufen wäre ohne ihn, aber bestimmt ganz anders. Auch wenn das Abendland schon lange nicht mehr eigentlich "christlich" ist, (wenn es das jemals war), ohne Christentum und seinen Einfluss auf das Menschen- und Weltbild, ohne die Formulierung "christlicher Werte", ohne Entstehung, Wachstum und Macht (auch Machtmissbrauch) der Kirche, wäre die westliche Welt eine völlig andere.

An Heiligabend waren wir mit unseren jüdischen Freunden zusammen. Die Kerzen brannten am Baum, wir sangen "Stille Nacht" und die Freundin sang ein spanisches Weihnachtslied. Da wurde mir klar, und ich sagte es: "Wenn er nicht geboren wäre, dann hätten wir uns nicht getroffen."
Am zweiten Feiertag waren unsere vier Kinder, die neun Enkelkinder und ihre Partner da, 22 Personen. Nach dem Gänsebraten und dem Kaffeetrinken brannten wieder die Lichter, und ich konnte ihnen sagen: "Wenn er nicht geboren wäre, gäbe es euch alle nicht. Meine Vorfahren wären nicht als Mennoniten in die Ukraine gekommen, wo meine Eltern sich fanden und ich geboren wurde; die väterlichen Vorfahren meiner Frau wären nicht als protestantische Exulanten in der Zeit der Gegenreformation aus dem Salzburger Land nach Ostpreußen gezogen, um ihren Glauben bewahren zu können; dort fanden sich ihre Eltern in Tilsit. Und wenn er nicht geboren wäre, dann gebe es auch AREF nicht - so konkret sind die Folgen seines Kommens, seines Lebens und Sterbens, und seiner Gegenwart.

Du hast recht, wenn du einwendest: "Das sind doch alles Zufälle!" - doch sind es Zufälle links und rechts eines Weges mit einer Richtung und einem Ziel. Die Richtung des Weges war das Fragen und Suchen nach Gott, nach Beziehung zu Gott - seit Anbeginn der Menschheit. Mit Jesus kam ein Fixpunkt in die Geschichte dieses Fragens und Suchens: "Hier bin ich!" ist die Botschaft Gottes in dieser Person, in seinem Leben und in seinem Sterben.

"Aus Liebe zu dir!" "So wichtig bist du mir!" so dürfen wir diese Botschaft hören und annehmen. Und weil Jesus diese Botschaft nicht verkündet hat sondern selbst die Botschaft war, deshalb ist seine Geburt der Beginn und sein Tod die Erfüllung der Botschaft. Wenn wir sie für uns annehmen, als Zuspruch von Gottes Liebe und Gnade, wenn wir berührt sind von dem Kind in der Krippe und erschüttert von dem der da aus Liebe zu uns am Kreuz starb, dann sind wir eingeschlossen in die Gemeinschaft, die er gestiftet hat, in der er gegenwärtig ist und die lebendig geblieben ist über tausende Jahre. Alle die Zufälle haben dann Beziehung zu seinem Kommen.

Ich glaube ein solcher Geburtstag verdient den tiefsten Punkt im Jahreszyklus, verdient Festlichkeit und Freude, Lieder und Geschenke, und Dank. Eine bessere Ablösung der alt-ehrwürdigen Mythen kann ich mir nicht vorstellen.

Dr. Hans Frisch

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