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Treue

gesendet am 12.09.2004 von Dr. Hans Frisch
 

Nachtcafé zum Thema Treue

Es ist gar nicht so leicht, ein Thema für die Sendung zu finden - besonders wenn nicht Feiertage als Anlass zu Hilfe kommen und wenn die aktuellen Themen nicht geeignet sind. Denn was sollten wir zum Terrorismus oder zu Harz IV sagen, wo Experten ratlos sind. In das Nachdenken kam vor zwei Wochen eine Fernsehsendung: "Nachtcafe". Die Aufzeichnung einer Gesprächsrunde zum Thema "Treue" - ich will davon erzählen.

Agentur für Seitensprung

Zuerst wurde eine Frau vorgestellt, die als Geschäft eine "Agentur für Seitensprung" betreibt. Gegen eine nicht geringe Gebühr bekommt der Interessent die Telefonnummer einer geeigneten und geneigten Frau - das weitere ist nicht mehr Sache der Agentur. Auch Damen können nach einem geeigneten Partner suchen, für sie ist es kostenfrei. Das Geschäft soll ganz gut laufen.

Treuetest

Als zweites eine junge Frau, die bei einem Jugendsender in Frankfurt als "Dienstleistung" für Mädchen und Frauen die Treue des Partners testet, durch einen verlockenden Anruf. Wenn er die Einladung zu einem "französischen Essen" mit eventuell "französischer Nachspeise" annimmt, übergibt sie das Telefon an die Auftraggeberin - es bleibt der Fantasie überlassen, wie die Gespräche dann weitergehen.

Oswald Kolle im Late-Night-Talk

Dann folgte die Gesprächsrunde. Außer dem Moderator waren dabei: Ein Filmregisseur. mit kurzem Vollbart, gelocktem Haar, lockerer Kleidung und auch sonst sehr locker ; eine Psychologin, etwas blass aber sehr einsichtig; ein junges Paar, die seit 10 Jahren zusammen leben und nun heiraten wollen; Oswald Kolle, der Autor ehemals sensationeller Aufklärungsbücher; eine Fernsehsprecherin und eine lesbische Frau.

Oswald Kolle als "Sexualspezialist" schilderte seine Ehe - seine Frau saß hinter ihm - als "offene Partnerschaft". "Wir sind uns treu, aber jeder hat das Recht zu sexuellen Beziehungen außerhalb der Ehe", so ähnlich formulierte er das.

Der Regisseur hatte keine Probleme mit der Treue, weil die meisten seiner Beziehungen nur eine Nacht oder einige Nächte dauerten. Das junge Paar betonte sehr sympathisch, wie selbstverständlich und wichtig die Treue für sie ist; die Fernsehsprecherin erzählte von der Untreue ihres Mannes, der sie jahrelang betrogen hatte und auch nach der Entdeckung und dem Versprechen der Treue sie weiter betrog - man konnte spüren, wie sehr sie verletzt war.
Die Psychologin machte kluge Bemerkungen zu dem allen.

Dann sprach die lesbische Frau von ihrer Partnerschaft und ihrem Verständnis von Treue. Als sie dem Regisseur ziemlich direkt und respektlos sagte, wie sie seine kurzen Beziehungen sieht: "Wenn Sie am Strand die Mädchen flach legen". Da verließ der empört die Runde. Dann erzählte sie von ihrer ehemals sehr bewegten und sehr wechselhaften Beziehungsgeschichte, und von ihrer jetzt bestehenden festen Partnerschaft. Einmal ist sie ihrer Partnerin untreu geworden. Sehr deutlich und beeindruckend schilderte sie die schlimmen Folgen. Lange hat es gedauert, bis das Verhältnis wieder heil war, und ich hatte das Gefühl, auch ihr Verhältnis zu sich selbst hatte Heilung erfahren.

Gegenüber den sympathisch-unschuldigen Treuebekundungen des jungen Paares stand hier das gereifte Treuebekenntnis in einer personalen Beziehung. Vielen Ehepaaren möchte man eine solche Haltung und Einstellung wünschen. So weit das Nachtcafe.

* * * Musik * * *

Treue - gestern und heute

Treue-Missbrauch

Viel wird diskutiert über das Ehegelöbnis bei der kirchlichen Trauung: "Bis dass der Tod uns scheidet".

Bei Berichten und Filmen über die Ereignisse des 20. Juli vor 50 Jahren wurde immer wieder das Treuegelöbnis der Offiziere sichtbar, das sie am Widerstand hinderte. Nicht selten lassen sich Jugendliche, die zu einer Bande gehören, trotz Bedenken in kriminelle Handlungen hineinziehen, aus dem Gefühl: "Ich muss treu sein".

So vielfach ist der Missbrauch der Treue, dass sie fast in Misskredit geraten ist, zumindest ihre verbindliche Gültigkeit verloren hat - ähnlich wie die Begriffe "Ehre" oder "Mut". Doch hier und da leuchtet Treue plötzlich auf, wie in dem, was die lesbische Frau von ihrer Beziehung berichtete. Und es lohnt sich, genauer hinzusehen, was es ist, was so oft missbraucht, verraten, geschändet wird.

Seit Menschengedenken gehört zur Lebensgemeinschaft von Mann und Frau die sexuelle Treue, und die Literatur ist voll von anrührenden Beispielen dafür und von erschreckenden Katastrophen durch Untreue. Nun könnte einer, wie der Regisseur in der Sendung, meinen: "Damals war die Folge einer sexuellen Beziehungen oft die Schwangerschaft, und da wurde es kompliziert. Heute ist das anders". Da hat er, mit seinen Maßstäben gemessen, schon recht - doch ist es eine Beleidigung der vielen, die für ihre Treue Opfer gebracht und gelitten haben. Es erklärt eigentlich die, welche unter Schwierigkeiten treu bleiben, für zurückgeblieben und dumm.

Die Maßstäbe, nach denen wir leben, machen uns zu den Menschen, die wir werden - und die Verbindlichkeit, die wir diesen Maßstäben geben, entscheidet über das Format, das wir erreichen. Nun wäre das ein verheerender Maßstab in einer Ehe: "Ich liebe dich nicht, aber ich bin dir treu", fast so verheerend wie: "Ich bin dir untreu, aber ich liebe dich". Liebe kann nur entstehen, kann nur leben und wachsen im Vertrauen - und Vertrauen basiert auf Treue. Das klingt einfach, aber es ist so ziemlich der schwierigste und komplizierteste.

"Vertrauen" ist ja erst Vertrauen, wenn es nötig ist, wenn Misstrauen möglich und nahe liegend ist. Es ist, wie eine Brücke über einen Abgrund bauen - von einer Seite, und die Angst vor dem drohenden Absturz aushalten. Wenn die Brücke von der andern Seite entgegenkommt und der Bogen sich schließt und stützt, dann lebt die Liebe - und wenn die Liebe erlebt wird, dann geschieht genau das. "Nie mehr werde ich an deiner Liebe, nie mehr werde ich an dir zweifeln" ist dann das Gefühl - bis wieder Vertrauen notwendig wird.

Wenn zwei Menschen wieder und wieder das erlebt haben, dann scheint die Brücke endgültig stabil. Die gemeinsame Familie, die gemeinsame Wohnung, die gemeinsamen Urlaubsreisen und, und, und.

Die Liebe ist nicht mehr das abenteuerliche Erlebnis über dem Abgrund sondern ein stabiler Zustand. Vertrauen ist abgelöst durch Wissen und Gewohnheit.
Dann kann es passieren, dass dem einen eine abenteuerliche Begegnung geschieht, dass er ganz neu die Spannung der Begegnung im Vertrauen erlebt - und er sich selbst neu und frisch erfährt. Die alte Beziehung hält den Vergleich damit überhaupt nicht aus, und er wendet sich ab von ihr. Plötzlich ist die Brücke der Gewohnheit und des Wissens eingestürzt und der Abgrund, den nur Vertrauen und Liebe überbrücken können, tut sich wieder auf. Das Vertrauen des Partners geht ins Leere - und er stürzt ab.

"Ich war vernichtet"

Vor einigen Tagen hat eine Kollegin mir erzählt, wie es ihr dabei ergangen ist. "Ich war vernichtet" sagte sie, und ich merkte, die übertreibt nicht. Auch nach einem halben Jahr kamen ihr noch die Tränen dabei. Ich hoffe, dass nicht viele von uns solche Erfahrungen gemacht haben oder noch machen müssen, doch sollte uns bewusst sein, um was es geht bei Treue und Vertrauen.

* * * Musik * * *

Warum Treue bei Christen leichter gelingen sollte

AREF ist ein christlicher Sender, besser: eine Sendung, die von Christen gemacht wird. Bei der Frage nach Vertrauen und Treue geht es nicht um ein christliches Thema sondern um ein menschliches. Jeder Mensch, unabhängig von Religion und Glauben, ist darauf angewiesen und wird durch Untreue oder Missbrauch des Vertrauens schwer verletzt. Liebe zwischen Menschen kann nur im Raum des Vertrauens bestehen und reifen. Bei Christen sollte das aber öfter gelingen. Warum ?

Ursache der Untreue ist in der Regel die Verlockung durch eine neue Beziehung, die neue Reize, neue Erlebnisse, neue Freude verspricht und auch schenkt. Von solchen Verlockungen sind wir ständig umgeben - ihnen zu widerstehen bedeutet Verzicht auf Lebensglück. Weil wir aber nur einmal leben, erscheint ein solcher Verzicht wie ein Stück Lebensverlust - dadurch wird er so schwer. Angesichts der frischen bunten Farben, in denen eine solche Verlockung erscheint, wirkt die alte Beziehung oft wie ausgebleicht. "Deine Sonne strahlt nicht mehr" sagte ein Mann seiner betrogenen Frau als Grund, und gab damit eigentlich ihr die Schuld an seiner Untreue.

Christen leben mit dem Wissen und mit der Erfahrung, dass sie geliebt werden, nicht wegen ihrer Vorzüge, wegen ihres Strahlens, sondern um ihrer selbst willen. Gott liebt uns nicht weil wir so gut und schön sind, er liebt uns, weil er Sehnsucht nach uns hat, je weiter wir von ihm entfernt sind, um so stärker! Im Gleichnis vom verlorenen Sohn hat Jesus von dieser Liebe des Vaters sehr klar uns sehr schön erzählt. Der Vater hielt Ausschau nach dem Sohn, der ihn verlassen hatte und lief ihm entgegen als der schmutzig, arm und verkommen zurückkam. Er hatte seinem Sohn das Erbteil gegeben, als er weggehen wollte, und hoffte und vertraute dass er zurückfindet - und wartete treu.

Es war die gleiche Liebe, die er zu seinem älteren Sohn hatte, der zu Hause geblieben war - der sie aber gar nicht richtig spürte.
So liebt Gott uns - und so sollten wir auch lieben, sollten es wenigstens versuchen. Denn Treue ist nicht die Schlagsahne auf einer gelungenen Beziehung, sie ist das Fundament für das Gelingen, wenn es fest genug ist und Druck und Spannungen aushält. Das kann es am besten, wenn es auf festen Grund ruht. Jesus hat das Gleichnis erzählt von dem Mann, der sein Haus auf Felsen baut und nicht auf Sand.

Christen haben die treue Liebe Gottes erfahren, und können auf diesen Felsen ihr Leben und ihre Liebe gründen, sie könnten es wenigstens. Den Mut zum Vertrauen und die Kraft zur Treue die müssen sie schon selbst aufbringen.

im Kino"Casomai - traun wir uns?"

Wer einen guten Eindruck bekommen will von der Wichtigkeit und der Schwierigkeit einer solchen Beziehung, der sollte einen Film nicht verpassen, der in den Lammlichtspielen in Erlangen angelaufen ist. "Casomai - traun wir uns?" das trauen sich zwei und lassen sich trauen. Ihre Vorstellung von der Ehe beschreibt sie als Paarlauf auf dem Eis, und wenn dann zu sehen ist, wie der Läufer seine Partnerin in schneller Drehung herum fliegen lässt, dann kommt unwillkürlich der Gedanke: "Wenn der sie jetzt losläßt!"

Untreue ist wie weggeworfen

So ist Untreue, die Losgelassene kracht aufs Eis, wie weggeworfen - und unweigerlich stürzt der sie losläßt auch. Ob sie dann aufstehen und neu anfangen oder ob der Tanz zu Ende ist, das bleibt offen. In der Fernsehsendung hatte die lesbische Frau davon erzählt, wie schwer ein solcher Neuanfang ist und man konnte spüren, dass die Beziehung danach noch tiefere Bedeutung hatte - die beiden haben sich danach "getraut".

Einer trat in den Riss

Das Evangelium von Jesus Christus sagt, dass unsere Untreue - die Untreue zu uns selbst, zu denen, die uns vertrauen, zu dem der unser Heil will - dass diese Untreue nicht das Ende ist, sondern die Chance zu einem Neuanfang - mit Gott, mit dem Nächsten, und mit uns selbst. Im Vertrauen darauf, dass Menschen das begreifen und annehmen ist er am Kreuz gestorben. Casomai - traun wir uns!

Dr. Hans Frisch