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Ist Rache süß?

gesendet am 25.04.2004 von Jan Henning Mehlfeldt
 

Heute Nacht hat nun also doch Vitali Klitschko in einem viel beachteten Boxkampf um die WBC-Weltmeisterschaft Corrie Sanders in der achten Runde durch technische K.O. geschlagen und damit, so sagt man, Rache für die Niederlage seines Bruders Wladimir im vergangenen Jahr genommen.

Tausende haben live in der Arena in Los Angeles zugesehen und weitere Millionen von Zuschauern haben den Kampf an den Fernsehbildschirmen verfolgt.
Haben zugeschaut, wie sich zwei erwachsene Menschen, der eine sogar mit Doktor Titel, so richtig auf die Rübe gehauen haben.

Zwar hatte sie keiner dazu gezwungen und sie wussten was auf sie zukommt, aber dennoch hat es etwas archaisches, wenn sich zwei Menschen nur mit ihren Fäusten bewaffnet in einem Ring gegenüberstehen und bis zu einem möglichen "K.O." austragen, wer nun der Stärkere ist.

Dabei gibt es nur zwei Reaktionen auf so einen Boxkampf:

  • Die einen (meistens die Frauen) werden von dieser Art des zur Schau gestellten Kampfes einfach nur abgestoßen und sind fassungslos, daß es so etwas in unserer aufgeklärten Welt überhaupt noch geben kann.
  • Die anderen (meistens die Männer) sind fasziniert von dieser wohl älteste aller Sportarten und stehen dafür sogar am frühen Sonntagmorgen um vier Uhr auf und schauen sich gespannt jede Runde solch eines Kampfes an.

Schließlich muss Vitali ja noch die Familienehre retten, die durch die klare K.O.-Niederlage seines kleinen Bruders damals angeblich abhanden gekommen ist.

Wenn auch die Klitschkos das Wort Rache nie selbst in den Mund genommen haben, so wurde dennoch diese Assoziation bei diesem Rückkampf des Bruders in allen Interviews erzeugt und die Zeitungen im In- und Ausland titelten in der gleichen Weise, das nun der "große Bruder" Rache für die Niederlage des kleinen Bruders nehmen wird.

Die Faszination eines Boxkampfes scheint gerade dadurch zu entstehen, daß neben Geschicklichkeit, Taktik und Ausdauer auch solche Begriffe wie Ehre, Mut und Rache hineingelegt werden können und direkt wie in kaum einer anderen Sportart so klar Mann gegen Mann ausgefochten wird.

War es denn nun also der Wunsch nach Rache, der Vitali Klitschko zu diesem Sieg verholfen hat? Und wenn er verloren hätte, hätte ihn dann die Rache blind gemacht?

Es ist so schön einfach im Boxen, man fordert seinen Gegner heraus, tritt mit ihm in den Ring und nach spätesten 12 Runden ist die Ehre wieder hergestellt, wurde Rache genommen oder man erlebte eine klare Niederlage, an der es nichts zu deuteln gibt, tritt vom aktiven Sportlerleben zurück und ist heraus aus der Tagespresse. Und im Leben?

Hier gibt es eine Vielzahl von Feindbildern:

  • Der Arbeitskollege, der einen hinter dem Rücken beim Chef anschwärzt.

  • Der Nachbar, der schon vor Jahren einen Kleinkrieg angezettelt hat.

  • Der Lehrer, der permanent schikaniert und bei Prüfungen ungerecht behandelt.

  • Der damalige Freund, der einem die große Liebe ausgespannt hat.

  • Der Chef, die Schwiegermutter, der Mitschüler... die List könnte man sicher endlos fortführen.

Hass staut sich oft über Jahre auf, und der Wunsch nach Rache erst ganz klein im Herzen entdeckt, wächst oft über Monate und Jahre zu einem tiefen Wunsch nach Vergeltung.

- Musik -

Hat sich erst einmal solch ein Haß aufgestaut, kann sich die Rache zwei Wege suchen:

Zum einen kann sich die Rache allein im Kopf abspielen.
Man malt sich vor seinem geistigen Auge aus, was man wohl demjenigen alles mal sagen oder antun würde, und man legt sich zurecht, wie man ihm mal so richtig eine auswischen könnte und natürlich auch, daß man sich nach dieser Rache endlich besser, souverän und überlegen fühlt.

Zum anderen, kann sich die Rache aber auch einen weg nach Außen suchen und es wird langsam aber stetig an einer Strategie der Vergeltung gearbeitet. Vielleicht wird zuerst der Gegner bei Gesprächen mit anderen diskreditiert und schlechtgemacht, danach werden viele kleine Gemeinheiten gestreut, die nicht unbedingt auf einen zurückgeführt werden können, oder es kommt zum offen Streit und Schlagabtausch.

Rache und verletze Ehre sind mächtige Gefühle und nicht umsonst sind sie in vielen Krimis das entscheidende Tatmotiv.

Aber woher kommt eigentlich unser Wunsch nach Rache?
Was treibt uns an und was soll sie bewirken?

Grundsätzlich soll die Rache eine Bestrafung für ein zuvor geschehenes Unrecht sein.
Sie soll also gewissermaßen die "alte Ordnung" wieder Herstellen und uns daher von einem Gefühl der Ungerechtigkeit befreien.

Aber kann Rache tatsächlich so etwas wie Recht schaffen? Kann Rache etwas mit Gerichtsbarkeit und Ordnung zu tun haben oder ist sie nicht vielmehr immer destruktiv und schafft konsequent eigene Schuld.

Auch im Tatort bekommt der Rächer am Ende seine gerechte Bestrafung, wird als schuldiger gefaßt und verhaftet.

Rache schafft immer auch eine eigene Schuld und demütigt darüber hinaus den anderen, der somit selbst nach Rache sinnt.

Schreckliche Beispiele für solch einen verhängnisvollen Kreislauf, sind die Tragödien der Blutrache, die in alten Zeiten ganze Sippen ausgelöscht hat, nur weil die eine Familie den Tod eines Familienmitgliedes rächen wollte und die Anderen wiederum für diesen Mord Rache verübte. So entstand ein verhängnisvoller Kreislauf, der Jahre und Jahrzehnte andauerte und nur immer mehr Leid und Elend auslöste.

Rache die selbst Schuld schafft, kann daher niemals Gerechtigkeit sein.

Wenn die persönliche Rache also nicht als Gerichtsbarkeit taugt, ist sie nur Blitzableiter der selbst empfundenen Ungerechtigkeit. Ist sie nur der Wunsch nach Selbstjustiz einer nicht erfolgten gerechten Bestrafung.

Man will es dem anderen einmal so richtig zeigen.

Ist das nicht der eigentliche Ursprung unseres Sprichwortes "Rache ist süß" oder etwas salopper ausgedrückt: "Rache ist Blutwurst"?

Gibt es denn keinen anderen Weg, diesem Kreislauf der Rache zu entkommen?
Diesem Wunsch nach Vergeltung zu begegnen?
Diese zerstörerische Kraft in uns zu bändigen?

- Musik -


Dem Prinzip der Rache setzt Jesus den radikalsten Ansatz entgegen, den man sich nur denken kann! Eine Aufforderung die noch heute jeden Bibelleser dreimal schlucken oder zumindest einmal tief durchatmen lässt: In der Bergpredigt in Matthäus 5, Vers 44 heißt es:
"...Liebet eure Feinde, segnet die euch fluchen,, tut wohl denen die euch hassen..."

Diese Botschaft Jesu klingt beim ersten hören einfach realitätsfremd, so weit weg ist sie von unseren täglichen Erfahrungen in dieser Welt.

Die Aussage klingt nach einer übermenschlichen, nicht erfüllbaren Anforderung, denn wer könnte beim Lesen dieser Worte sagen "ja, klar, kein Problem, liebe ich halt meine Feinde!".

Auch für die Jünger von Jesus war zwar die Vergebung ein durchaus bekanntes Element in der Botschaft Jesus, aber irgendwann, so dachten sie muss doch auch mal mit der Vergebung Schluß sein: "Soll ich meinem Bruder sieben mal vergeben oder Siebzig mal" fragten sie einmal Jesus.
Und mit der von Jesus gepredigten Feindesliebe war spätesten bei der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane Schluß, wo ein Jünger der Wache, die Jesus verhaften sollte mit dem Schwert ein Ohr abschlug.

Uns Menschen liegt anscheinend schon seit je her die Aussage des Alten Testamentes näher: "Auge um Auge, Zahn um Zahn" Ich räche mich mit dem gleichen was mir angetan wurde.
Ich zahle mit gleicher Münze zurück.

Aber genau diese Regel wollte Jesus abschaffen, denn wohin es uns bringt, immerzu Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sehen wir zurzeit überall auf der Welt.

Aus diesem Grunde antwortete Jesus auf die Frage der Jünger wie oft man nun vergeben soll mit den Worten: "nicht sieben Mal oder siebzig Mal, sondern sieben mal siebzig Mal" und aus dem selben Grund praktizierte er tatsächlich die Feindesliebe selbst in der größten Not und heilte dem Soldaten, der ihn im Garten Gethsemane verhaften sollte noch an Ort und Stelle das abgeschlagene Ohr.

Jesus will den Kreislauf der Rache durchbrechen und durch seinen Tod am Kreuz hat er ihn auch ein für alle Mal durchbrochen. Denn er rächte sich nicht an uns Menschen dafür dass wir ihn ans Kreuz geschlagen haben, sondern er starb für die Sünden der Menschheit.

Wohin also mit meiner Rache?
Wohin mit meiner inneren Wut über eine schreiende Ungerechtigkeit?
Wohin mit meinem Wunsch nach Vergeltung oder zumindest Bestrafung?

Wenn ich annehmen kann, daß Jesus mir meine Verfehlungen vergibt und ich nicht zur Rechenschaft für meine Sünden gezogen werde, so muss ich auch dieses meinen Mitmenschen zugestehen.

Nicht mehr nach dem Motto handeln: "Wie du mir, so ich Dir!" sondern ganz anders:

"Wie Gott mir so ich dir!"

Dabei sagt die Bibel nicht, das es keine Bestrafung von Ungerechtigkeit gibt, aber sie gibt eine eindeutige Aussage, daß nur Gott dieses Recht der Gerichtsbarkeit hat.

Denn nur Gottes Urteil ist wirklich gerecht und hat daher Bestand, und daher kann und muss ich ich auf Gottes Urteil vertrauen.

Aus diesem Grund gibt es auch einen Absolutheitsanspruch für Rache in der Bibel. Da heißt es im 5. Buch Mose, Kapitel 32, Vers 35:

"Mein ist die Rache, ich will es vergelten, spricht der Herr."

Jan Henning Mehlfeldt