zur AREF-Startseite
Albanienhilfe
gesendet am 27. Januar 2001 von Heiko Müller
 

    Ende Januar denkt ja keiner mehr an Weihnachten, keiner ist mehr in Spendenlaune, nur die Not in der Welt, ja, die macht leider keine Pause. Und deswegen fahren die Mitarbeiter vom Christlichen Hilfsverein in Wismar (CHW) auch das ganze Jahr über in ein Land, das ärmste in Europa ist: Albanien.

    Wir werden in der nächsten Stunde ein bisschen über Land und Leute dort hören und etwas über den Verein erfahren, dessen Mitglieder in Albanien durch ihren selbstlosen Einsatz schon eine ganze Menge bewegt haben.

    Albanien-Info

    Albanien, das kleine Land rechts vom Stiefelabsatz Italiens, eingeklemmt zwischen Griechenland, Mazedonien und Jugoslawien. 3 Millionen Einwohner leben dort in ärmsten Verhältnissen. Trotzdem ist es das Land, wohin die meisten Kosovaren aus dem Nordosten fliehen - damals im Kosovokrieg, als sie von den Serben vertrieben werden.

    Albanien selbst ist erst ab 1991 offen, als die stalinistische Diktatur unter Enver Hoxha ein Ende hat. Die plötzliche Demokratie danach kann nicht halten, was sich das Volk von ihr verspricht. Viele Albaner verlassen ihr Land, fliehen vor der Korruption und materiellen Not, um im Ausland Hoffnung zu schöpfen.

    Seit 1992 fahren Mitarbeiter des Christlichen Hilfswerks Wismar regelmäßig nach Albanien. Sie wollen nicht nur die materielle Not lindern, sondern auch Strukturen verändern und den Leuten eine Perspektive zur Selbsthilfe geben. Ich habe mich dazu mit dem Leiter der Albanienhilfe Wismar, Pastor Frieder Weinhold unterhalten. Und wir hören einige Stimmen seiner Mitarbeiter, die die Hilfstransporte machen und die die Arbeit vor Ort leisten.

    Telefoninterview mit Vorsitzendem des CHW

    Pastor Frieder Weinhold. Seit Februar 1992 rollen Hilfstransporte aus Wismar in die Bergregion um Pogradec in Albanien. Durchgeführt werden diese Transporte vom Christlichen Hilfsverein Wismar. Ich darf am Telefon den Leiter der Albanienhilfe Frieder Weinhold begrüßen.

    Herr Weinhold, wie kommt man auf die Idee, so eine Aktion zu starten?

    "Man kommt auf die Idee, indem man mit der Nase draufgestoßen wird. Ich war 1986/87 Sylvester von der Evangelischen Allianz delegiert, damal aus der DDR, zu einer großen Missionskonferenz in Utrecht in den Niederlanden. Und da sprach mich einer an, ob wir aus dem Osten doch nicht irgendwann mal nach Albanien kommen könnten. Das wäre doch so ein verschlossenes kommunistisches Land. Es war natürlich nicht leichter für uns aus dem Osten, da hinzufahren, aber der Gedanke blieb bei mir im Herzen hängen. Und 1991, im Herbst, gab es dann einen Aufruf von dem Missionswerk "Jugend mit einer Mission", ob denn nicht Gemeinden sie unterstützen, in das nun offen gewendete Albanien zu gehen. Und da haben wir uns dann entschlossen, als Wismarer Evangelisch-methodistische Kirchengemeinde, den ersten Transport duchzuführen."

    Jetzt hatten Sie ja auf dem Transport Hilfspakete dabei. Hatten Sie damals über die materielle Hilfe hinaus irgendwelche Ziele ?

    "Das ist ganz eminent wichtig, dass die Menschen nicht nur Hilfsgüter vor die Füße gekippt bekommen - ich sag das mal so despektierlich. Die Menschen brauchen mehr! Die Leute in Albanien sind im Grunde ihrer Seele durch diesen starken Stalinismus und harten Atheismus kaputtgemacht worden. Man sieht das auch ganz besonders im Vergleich zu den Menschen, die im Kosovo leben, die zwar unter anderer Verfolgung gelebt haben, aber Sie haben etwas mehr auch an ihrer eigenen Kultur bewahrt. Die Menschen in Albanien brauchen neue Hoffnung, brauchen einen neuen Halt. Und so haben wir von Anfang an es so gehalten, dass wir ab Sommer 1992 für eine längere Zeit dann in die Bergdörfer gegangen sind und den Leuten auch gesagt haben, warum wir das machen, und sie auch eingeladen haben zum Gottesdienst, ohne dass wir sie sofort bekehren wollten, aber wir wollten ihnen einfach zeigen, wo unsere Kraftquelle ist. Und einige haben das sehr gut begriffen."

    Jetzt haben Sie ja damals schon so eine Außenstelle vor Ort in Bishnice errichtet.

    "Die Außenstelle haben wir 1997 dann erst errichten können. Da hatten wir dann Mitarbeiter, und ich glaube, es war auch der richtige Zeitpunkt. Vorher sind wir immer so etappenweise hingefahren, 14 Tage dageblieben, etwas repariert, etwas gemacht, und dann waren wir froh, dass wir Mitarbeiter gefunden haben, die - erstens einen Stützpunkt für unsere Hilfseinsätze hatten, die die Vorbereitung von Hilfseinsätzen durchführen konnten. Pakete müssen gerecht verteilt werden, das ist immer sehr viel Arbeit. Man braucht Listen von den Bürgermeistern, wir geen Coupons aus, dass die Leute sich ihre Hilfspakete von Transportern abholen können. Es muss geklärt werden, was an Reparaturarbeiten im Dorf gemacht werden kann und, was eben sehr wichtig war, dass eine Gemeinde aufgebaut werden kann, damit Menschen, die auf der Suche nach mehr Halt sind, auch dieses Gefäß der Gemeinde finden. Und das ist eben erst möglich gewesen, als wir junge Leute gefunden haben, die bereit waren, die Mühen eines Lebens in den albanischen Bergdörfern auf sich zu nehmen."

    Jetzt haben Sie ja damals schon so eine Außenstelle vor Ort in Bishnice errichtet.

    "Die Außenstelle haben wir 1997 dann erst errichten können. Da hatten wir dann Mitarbeiter, und ich glaube, es war auch der richtige Zeitpunkt. Vorher sind wir immer so etappenweise hingefahren, 14 Tage dageblieben, etwas repariert, etwas gemacht, und dann waren wir froh, dass wir Mitarbeiter gefunden haben, die - erstens einen Stützpunkt für unsere Hilfseinsätze hatten, die die Vorbereitung von Hilfseinsätzen durchführen konnten. Pakete müssen gerecht verteilt werden, das ist immer sehr viel Arbeit. Man braucht Listen von den Bürgermeistern, wir geen Coupons aus, dass die Leute sich ihre Hilfspakete von Transportern abholen können. Es muss geklärt werden, was an Reparaturarbeiten im Dorf gemacht werden kann und, was eben sehr wichtig war, dass eine Gemeinde aufgebaut werden kann, damit Menschen, die auf der Suche nach mehr Halt sind, auch dieses Gefäß der Gemeinde finden. Und das ist eben erst möglich gewesen, als wir junge Leute gefunden haben, die bereit waren, die Mühen eines Lebens in den albanischen Bergdörfern auf sich zu nehmen."

    Die Mitarbeiter vor Ort

    Bishnice ist ein kleines Bergdorf in Albanien - ohne Konsumgüter, kein High-Tech, fernab westlicher Mentalität. Trotzdem sind zwei Deutsche im Oktober 1997 dorthin aufgebrochen: Claudia und Michael Hanisch. Sie leiten dort die Missions- und Hilfsstation des Christlichen Hilfsvereins Wismar. Sie koordinieren die Hilfe aus Deutschland und betreuen auch die christliche Gemeinde vor Ort. Die Erwartungen der Albaner an die Deutschen sind am Anfang groß. Claudia Hanisch meint, es war nicht so einfach den Einwohnern zu vermitteln, dass die Deutschen... "...wirklich ihnen nur dann helfen können, wenn wir auf einer Ebene sind und sie nicht von uns erwarten, dass da jetzt was Großartiges passiert, sondern dass sie merken, si müssen sich im Prinzip selber helfen, und ihre eigene Aktivität zählt. Je länger wir dort sind, desto mehr merken die Leute, dass wir nicht 'die Wundertäter' sind, was sie am Anfang gedacht haben." Auch wenn das für manche Albaner ernüchternd war und sich auch einige wieder abgewendet haben, die beiden Christen aus Adorf wollen freundschaftliche Beziehungen zu den Bewohnern aus dem Bergdorf Bishnice aufbauen. Und sie wollen ihnen von ihrem Glauben erzählen, nicht abgehoben, sondern als jemand unter ihnen. "Wir versuchen, nicht zu abgetrennt von den Albanern zu leben, sondern halt schon, was eben auch anstrengend ist, halt in ihrem Lebenskreis die Arbeiten zu machen, die sie machen. In der Hauptsache halt, dass wir Besuche machen, dass wir uns versuchen, da so mit ihnen auseinander zu setzen. Gehen halt in Dörfer und so. Wir haben nicht den deutschen Stress. Wir machen eigentlich viel zu Fuß und gehen viel zu den Leuten hin, und es eigentlich viel menschlicher Kontakt da." Kontakt, der für Claudia und Michael auch wichtig ist, die Traditionen im Dorf kennenzulernen und sich an die albanische Kultur anzupassen. Das Ziel der beiden ist die Hilfe zur Selbsthilfe, die Albaner so weit zu bringen, dass sie die Missions- und Hilfsstation in Bishnice selber leiten können. Von außen ist das Bergdorf nämlich nur schwer zu erreichen, berichtet Michael Hanisch. "Wir haben halt bis zur nächsten Teerstraße erstmal fast 30 km halt zu fahren. Stein-, Schotterstraßen. Dann halt, dass öfters der Strom weg ist, da halt elektrische Geräte nicht funktionieren, Waschmaschine oder Kühlschrank oder so."

    Bildung vor Ort

    Drill und Ordnung, Reih und Glied, das waren die Methoden in albanischen Kindergärten und Schulen während der Zeit des Kommunismus. Nach dessen Zusammenbruch ging die Schulausbildung in Albaninen rapide zurück. Die Gebäude sind ausgeplündert, es fehlt am nötigsten Schulmaterial, Hefte, Bänke, Tafeln. Die Lehrergehälter sind äußerst niedrig, es fehlt an Motivation, und auch die Ausbildung der Lehrer ist dürftig, meint Majlinda Prifti aus Pogradec. Sie arbeitet im Gemeindezentrum des Christlichen Hilfswerks Wismar unten in Bishnice mit:

    "In der Stadt müssen die Lehrer natürlich studiert haben, wenn sie unterrichten wollen. Aber auf dem Dorf ist das etwas anderes. Aus den Dörfern, die weit abgelegen sind, gehen oft die jungen Leute mit einer höheren Ausbildung, weg. Das Leben in der Stadt erscheint ihnen einfacher. Und deshalb haben die Lehrer auf den Dörfern oft nur einen normalen Schulabschluss, aber keine pädagogische Ausbildung. Manche von ihnen sind erst 19 oder 20 Jahre alt."

    Das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land wird zum Problem in Albanien. Majlinda Prifti setzt auf stärkere Kontrollen in den Dörfern:

    "Wenn man in Albanien der Schulpflicht nicht nachkommt, muss man Strafe bezahlen. Im Kommunismus wurde das schärfer kontrolliert, da hat sich keiner getraut, die Schule zu schwänzen. Heute wird es nicht mehr so kontrolliert. Da gehen eben manche nicht zur Schule. In der Erntezeit zum Beispiel, wenn viel zu tun ist. Oder wenn eine Familie viele Kinder hat, und die Mutter braucht das älteste Mädchen zur Hilfe. Es müsste einfach besser kontrollier werden, dann würde es auch funktionieren."

    Der christliche Hilfsverein Wismar hat eine Lösung gefunden, wie Kinder auch ohne Stress die Schule besuchen können. Zusatzlehrangebote und Hausaufgabenbetreuung gibt es in einem extra dafür errichteten Internat in Bishnice. Dort haben vor allem die Kinder aus den weit abgelegenen Bergdörfern eine Chance. Mehr dazu gleich im Gespräch mit Pastor Frieder Weinhold.

    Telefoninterview mit Frieder Weinhold, Teil 2:

    Schulen in den Bergdörfern 1999 gabs von der Robert-Bosch-Stiftung den Förderpreis Humanitäre Hilfe für Mittel- und Osteuropa für den Christlichen Hilfsverein Wismar. Er hat viel Unterstützung geleistet beim Wiederaufbau und Ausstattung von Schulen in Albanien. Auch ein Internat ist von ihm errichtet worden. Am Telefon habe ich den Vorsitzenden Frieder Weinhold. Herr Weinhold, das Projekt, für das Sie den Preis bekommen haben, heißt: 'Voneinander lernen - Partnerschaft im albanischen Bergdorf Bishnice'.

    "Ja, wir haben gesehen, dass es ganz nötig wird, den Kindern in diesen entlegenen Bergdöfern zu helfen. Wir haben daran gearbeitet, dass die Bedingungen in den Schulen besser werden, haben Schulmöbel transportiert. Wir haben jetzt schon alle Schulen, die am laufen sind, in den Bergdörfern mit neuen Schulmöbeln - gebrauchte Schulmöbel aus Deutschland - hingebracht. Wir haben einen Deutschunterricht und Englischunterricht installiert, den unsere jungen Mitarbeiter machen. Und damit bekommen die albanischen Kinder, die daran mit teilnehmen, eine besondere Förderung. Sie lernen das Lernen etwas besser, und sie bekommen einen Vorsprung zu anderen, die diese Möglichkeit nicht haben. Und dann war es nötig, ein Internat aufzubauen. Das war dann der vorläufige Höhepunkt dieser Hilfe."

    Warum war das nötig damals?

    "Ja, das Internat war nötig, weil in einem der Dörfer die Schule ab Klasse 5 geschlossen wurde. Klassenstufen 5-6 fanden nicht mehr statt. Und die Kinder hätten tagtäglich 20 km im günstigsten Fall, 30 km im ungünstigeren Fall zu Fuß laufen müssen, und das bei jedem Wetter! Es wäre abzusehen gewesen, dass diese Kinder aus dem Dorf Jolle beizeiten nicht mehr zur Schule gekommen wären. Im Winter wärs zu schwierig gewesen, und im Frühjahr und im Sommer hätten die Eltern gesagt: 'Ach, eh du zur Schule gehst, geh lieber aufs Feld, hüte die Ziegen, oder ernte das Getreide, das ist jetzt nötiger!' "

    Wie viel Schüler finden denn da jetzt Platz?

    "Wir haben jetzt zur Zeit ungefähr 12 Schüler da. Es ist noch mehr Platz vorhanden. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir die Kapazität des Internats erhöhen könnten. Man müsste nicht mehr Betreuer anstellen, das würde völlig ausreichen. Wir könnten die Kapazität besser auslasten und könnten noch mehr Schülern diese Hilfe angedeihen lassen. Dazu müsste man aber noch eine Wohnung dazumieten in diesem Wohnblock, in dem unsere Station untergebracht ist."

    Jetzt ist das für die Eltern der Kinder nicht ganz kostenlos. Sie wollen einen kleinen Betrag von denen haben.

    "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass Albaner daran gewöhnt werden, nicht alles kostenlos zu bekommen, wie es im Kommunismus war. Zum Beispiel die ganzen Stromprobleme und Energieprobleme, die es in Albanien gibt, hängen damit zusammen, dass die Leute kein Geld für den Strom bezahlen. Eine Leistung muss etwas kosten. Aber diese Internatsleistung können wir natürlich nicht mit den eigentlichen Kosten den Eltern in Rechnung stellen, sondern es ist ein symbolischer Preis. Wir haben gesagt, die Hälfte der reinen Lebensmittelkosten sollen die Eltern tragen, und das können sie auch in Naturalien tragen, was ihnen noch am ehesten leicht fällt. Das ist ungefähr 10 Mark pro Monat."

    Jetzt gibts ja auch die Möglichkeit, von Deutschland aus so einen Internatsplatz dort zu unterstützen. Was würde denn da im Monat noch fehlen? Was haben Sie denn noch so an Kosten?

    "Wir haben einmal überschlagen, dass wir so circa 100 Mark pro Internatsplatz brauchen. Da würden dann also noch 90 Mark fehlen pro Kind. Und wir würden uns freuen, wenn es so etwas wie Patenschaften geben könnte für Internatsplätze. Können sich ja auch mehere Leute miteinander da einen teilen, so einen Internatsplatz zu finanzieren." Vielen Dank bis hierhin, wir hören uns gleich nochmal. Die Kontaktadresse - wer so einen Internatsplatz fördern will - gibts nachher. Sitten und Gebräuche Der Christliche Hilfsverein Wismar hat 1992 damit begonnen, humanitäre Hilfe in Albanien zu leisten. Nicht nur die Hilfsgüter, sondern auch der Kontakt zu den Menschen ist bei den Einsätzen wichtig. Sprachkenntisse allein sind aber noch nicht ausreichend, um mit den Albanern zusammenzuleben. Auch die Kultur muss man kennen. Majlinda Prifti unterstützt den Verein in der Außenstelle in Bishnice. Sie lebt in dieser Kultur: "In Albanien ist die Familie sehr wichtig. Der Vater ist das Oberhaupt der Familie, und er hat immer das letzte Wort. die Kinder leben, bis sie 18 oder 20 sind, in der Familie. Die Familie ist also immer eng zusammen, und in der Familie wird auch über alles geredet. Und wenn ich ein Problem hab, dann rede ich eher mit meiner Familie darüber als mit einem engen Freund."

    Aber auch Kontakte über die Familie hinaus spielen eine wichtige Rolle, zum Beispiel zu den Nachbarn. Man besucht sich, fragt, wie's geht.

    "Und wenn wir in Albanien Gäste haben, dann ist es so, dass wir das Beste für sie auftischen. Also wenn wir kein Fleisch oder keinen Wein haben, dann gehen wir eben schnell noch welchen kaufen. Bloß ihr in Deutschland, ihr habt das ja, ihr braucht das nicht zu opfern." Einer der Helfer des Christlichen Hilfsverein Wismar ist Ole Dost aus Tübingen. Dass die albanische Höflichkeit auch ihre Tücken hat, weiß er durch seine Frau Oriana, selber Albanerin. "Ja, das ist eben die höfliche Unehrlichkeit. Also, man kann in die Leute überhaupt nicht reinschauen. Die Gastfreundschaft und die Freundlichkeit, die ist ein ganzes Stück weit ehrlich gemeint, aber ein ganzes Stück weit ist sie auch einfach Kultur und Etikette. Wenn man irgendwas macht, was in der Kultur völlig anstößig ist, das wird man nie erfahren, weil die Leute einem das nicht sagen. Das hab ich alles erst über meine Frau gelernt." Und anstößig ist so einiges in Albanien, das in Deutschland selbstverständlich wäre: Als Mann darf man zum Beispiel keine Frau begrüßen, man darf auch nicht mit ihr allein auf der Straße gehen, es sei denn, beide sind verlobt. Sie sind so gar nicht europäisch, die Sitten der Albaner. "Sie waren über 500 Jahre unter osmanischer Herrschaft, haben sehr viel Orientalisches mitbekommen. Und das prägt ihre Kultur. Wahrscheinlich noch mehr, als die türkische."

    Telefoninterview mit Frieder Weinhold, Teil 3

    Ausblick und Früchte der Hilfe zur Selbsthilfe

    Schon über 9 Jahre in Albanien aktiv mit Hilfstransporten und Arbeit an und in Einrichtungen vor Ort, das ist der Christliche Hilfsverein Wismar, dessen Vorsitzenden Frieder Weinhold habe ich am Telefon. Herr Weinhold, ein Ziel ist ja: Hilfe zur Selbsthilfe. Wie weit haben Sie da Erfolge bei den Albanern?

    "Wir können sagen, dass in der Gemeinde in Bishnice die Menschen von selbst sich umgeschaut haben und gesagt haben: es gibt unserem Dorf noch Leute, die sind viel ärmer als wir. Und wir haben Kommission gebildet in der Gemeinde mit unseren deutschen Mitarbeitern zusammen. Und sie haben gesagt, wir legen Geld zusammen, wir legen Sachspenden zusammen. Und das wird dann monatlich an die Ärmsten im Dorfe verteilt. Es ist sehr gut, dass Menschen das erkannt haben, dass sie selbst etwas abgeben können und abgeben sollten und nicht nur aus Deutschland oder sonstwo her empfangen müssen. Die Menschen selbst haben viel Hilfe gebraucht, aber sie haben den ersten Schritt getan, Engagement zu zeigen."

    Auf welchem Stand ist denn Albanien inzwischen allgemein?

    "Man kann in Albanien schon fast alles kaufen, aber nicht immer dann, wenn man's braucht. Das meiste, was auf den Märkten angeboten wird, hat nicht die Qualität, die wir natürlich hier aus Deutschland gewohnt sind. Und man muss sich auf den Märkten gut auskennen, und man muss wissen, wie man die Leistungen auch bezahlen kann. Die Qualität albanischer Arbeit ist noch sehr weit - oftmals sehr weit entfernt von dem, was wir eigentlich an Forderungen stellen, darum ist es gut, wenn man kooperiert, wenn man zusammenarbeitet. Die Bedingungen in Albanien sind halt wie in einem afrikanischen Land. So wurde einmal von einer Mitarbeiterin aus dem Diakonischen Werk mir gesagt, die sich noch ein bisschen besser in der Welt auskennt als ich. Albanien, das Afrika in Europa, also, es ist als einziges Land noch als Entwicklungsland geführt, auch bei der deutschen Regierung."

    Wird denn die Albanienhilfe irgendwann mal überflüssig werden, haben Sie da was im Ausblick? Was müsste sich da noch alles ändern?

    "Was sich ändern müsste, ist vor allem das Engagement der Leute in Albanien. Und das sind Dinge, wir kennen das ja auch so ein bisschen aus der ehemaligen DDR, das braucht eine Weile, und in Albanien, denke ich, braucht es ein, zwei Generationen, dass die Menschen in einen ganz normalen Wirtschaftsrhythmus kommen. Da muss sich vieles im Denken verändern, und das ist ja unsere Hauptarbeit, an der wir sind. Und ich denke, da haben wir Ergebnisse! Es ist ja nicht nur so, dass die Menschen im Bergdorf den Ärmsten etwas geben, ich hab eine andere Beobachtung: junge Leute aus der Stadt, die sich zusammengetan haben, eine kleine Organisation gegründet haben. Es haben viele Leute sie beraten, wir auch. Sie haben von uns so das Vorbild: wir haben in Wismar ja neben unserem Gemeindehaus auch ein Vereinshaus, wo wir offene Jugendarbeit anbieten, und dieses Modell haben die sich auch abgeguckt und gesagt, wir wollen auch so ein Jugendhaus machen. Wir wollen für junge Leute in Albanien selber dasein. Es ist schön, so etwas zu beobachten. Und mit diesen jungen Leuten aus der Stadt kann ich wiederum gemeinsame Projekte machen, wo ich Jugendliche aus Deutschland hinbringe und wo sie gemeinsame Baueinsätze in Albanien machen wollen, um Schulen zu reparieren. Es gibt also verschiedene Ansätze, wie die Menschen es lernen, selbst aktiv zu werden, etwas, was wir angeschoben haben, als ihr Eigenes zu begreifen. Das könnte man genauso auch jetzt sagen von dem kleinen Kirchgebäude, das wir dort hingesetzt haben, ganz, ganz einfach. Aber jetzt fangen sie an, weiter zu arbeiten, das in Stand zu halten. Auch ganz eingenständig. Und das macht Spaß, das zu sehen."

    Ja, dann wünsche ich viel Erfolg die Projekte des CHW und wünsche auch viel Unterstützung und Spenden von den Mitbürgern. Danke nach Wismar an Frieder Weinhold !

    Zusammenfassung

    Wir haben eine ganze Menge gelernt in der letzten Stunde über das Land Albanien, das ärmste Land Europas. Seine Sitten sind so gar nicht europäisch, das hat aber Leute nicht davon abgehalten, Hilfe anzubieten. Sie haben den CHW, den Christlichen Hilfverein Wismar gegründet, haben Pakete, Möbel und Menschen heruntergefahren und Aufbauhilfe geleistet. Die ersten Früchte der Hilfe zur Selbsthilfe werden vorsichtig geerntet, doch die Albaner engagieren sich eher zurückhaltend. Zur Verbesserung der Bildung in der Bergdorfregion Bishnice unterhalten die Leute vom CHW ein Internat. 12 Schülerinnen und Schüler sind durch die Betreuung im Internat bereits die besten in ihrer Dorfschulklasse. Eine gute Sache, die ausgebaut werden soll und die natürlich auch Geld kostet.

    Für knapp 100 DM im Monat lässt sich über eine Patenschaft so ein Platz für ein Schulkind finanzieren. Von Deutschland aus. Natürlich steuerlich absetzbar. Und auch sonst sucht der Christliche Hilfsverein Wismar Leute, die ihre Gaben und Begabungen für die Sache einsetzen. Für dieses Jahr sind weitere Aufbauarbeiten an Schulen vorgesehen, die zusammen mit der Arbeit vor Ort rund 70.000DM an Spenden erfordern.

    Heiko Müller, AREF

     

mehr bei uns :
über CHW und Interview mit Pastor Weinhold 2006