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Muttertag
gesendet am 9. Mai 1999 von Dr. Hans Frisch
 

Muttertag ist heute.
Mutterliebe, mütterlich , bemuttern - die Reihe der guten Erinnerungen und Gefühle kann jeder von uns hoffentlich noch verlängern.
Rabenmutter, stiefmütterlich, Muttersöhnchen, - es gibt einige Worte, die Dunkles andeuten - und viele Erinnerungen gibt es, in denen die Mutter durchaus nicht strahlt - im Gegenteil !

So oder so - das Leben, unser Leben ist geprägt von unserer Mutter.
Das ist nicht verwunderlich. Das Werden eines Menschen ist von allem Anfang an mütterlich geprägt: Die Eizelle bekommt zwar die väterliche Erbinformationen im Kern - doch eingebettet ist auch der befruchtete Zellkern in der mütterlichen Zelle - die für Stoffwechsel und Wachstum sorgt - verbunden mit dem Kreislauf der Mutter, ihrem Stoffwechsel, ihrer Atmung , ihren Lebensrhythmen - und später wohl auch ihren Emotionen.
Geboren werden die Menschenkinder in die jahrelange Fürsorge der Mutter - ohne die sie nicht überleben können - erst dann fängt väterlicher Einfluß an.
So ist es verständlich, daß ihm Judentum gilt: Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde.
Lichtblick in die Bibel am Muttertag.

Über 300 mal kommt der Begriff Mutter in der Bibel vor; das sagt aber nicht viel.
"Wie einen seine Mutter tröstet", "kann auch eine Mutter ihres Kindleins vergessen?" und ähnliche Sätze sagen, daß Gott der Herr durchaus auch mütterlich ist in seiner Zuwendung und Liebe.
Es werden nicht viele Geschichten von Müttern erzählt, aber bei den wenigen handelt es sich um Schlüsselszenen. Am bekanntesten ist die Geschichte von Maria, der Mutter Jesu.

Es lohnt sich schon, da einmal genauer hin zu schauen.
Das Lukas Evangelium erzählt das meiste davon - und da geht es gleich los mit zwei Müttern - Elisabeth und Maria.
Es wird erzählt, daß er der Engel Gabriel erst die Geburt von Johannes dem Täufer angekündigt - dem Vater, und dann die Geburt von Jesus - der Mutter Maria.
Diese Szene der Verkündigung ist oft Thema in der Kunst gewesen - mit am bekanntesten ist der "Englische Gruß" in der Lorenzkirche.
Bei den Darstellungen ist in der Regel auf einer Seite der Engel - etwas von oben her - auf der anderen Maria. Auch der Heilige Geist ist meist dabei als Taube. Maria wendet dem Engel und der Taube ein Ohr zu. Manchmal wird gezeigt, wie ein kleiner Mensch durch das Ohr in sie hineinschlüpft - denn empfangen hat sie ja durch das Wort Gottes.

Solche Symbolik ist uns heute reichlich fremd - aber etwas anderes wird auch regelmäßig dargestellt. Achtet mal darauf, wenn ihr wieder Bilder oder Plastiken von der Verkündigung seht: Ein Buch liegt vor Maria auf dem Pult oder auf ihren Schoß, manchmal hat sie es auch in der Hand. Beim englischen Gruß, da fällt es ihr gerade aus der Hand. Das Buch ist das Alte Testament, die Bibel. Dieses Buch - es ist Gottes Wort für Maria und für ihr Volk. Und in diesem Buch ist die Geschichte ihres Volkes, ist die Offenbarung Gottes und ist eine Vision für die Geschichte enthalten. Maria kannte es - sonst hätte sie den Engel gar nicht verstanden.
Heute ist nicht Marientag sondern Muttertag - da muß gefragt werden: Wie ist das bei normalen Müttern, die nicht mit der Bibel in der Hand schwanger werden.

Musik

Wie das bei normalen Müttern ist, war die Frage. Auf diese oder jene Weise sind wir alle verbunden mit der Geschichte unseres Volkes und haben Anteil an den Geschichtsvisionen - und lange vor der Geburt besteht für jedes Menschenkind ein Platz, den es einnehmen wird. Und gut, wenn die Mutter eine Ahnung und eine Vorstellung davon hat - damit sie JA sagen kann zu dem Kind.

Bei Maria ist es der Heilige Geist, durch den das Kind kommt - ich glaube, es ist erlaubt, auf etwas niedrigerer Ebene davon zu sprechen: Maria war begeistert. Wovon und wofür? Es war nicht viel Grund für Begeisterung da. In Nazareth lebte sie, ein kleines Nest in Galliläa, das erst durch ihren Ruhm und den Ruhm ihres Sohnes in zwei Jahrtausenden zu einer mittelgroßen Stadt wurde. Verlobt war sie mit Josef, einem braven Handwerker. Da war nicht allzu viel zu erwarten. Das Land wurde ausgenommen von der römischen Besatzungsmacht - und zusätzlich von dem König Herodes, der weniger für seinen Luxus als für seine gewaltigen, prächtigen Bauten das Volk zur Kasse rief.

Wir sprachen von dem Buch. Hier ist der Grund zu finden für die Begeisterung!
Das Alte Testament, die Bibel war der Grund für die Begeisterung.
Schon als Buch ist es unglaublich gut - selbst nach Jahrhunderten von Kritik und Demontage. Für die fromme junge Frau war es fraglos das Wort Gottes. Und mit allen den Personen, von denen da berichtet wird, war sie verwandt.
Ob der überlieferte Stammbaum stimmt oder nicht - für das Bewußtsein Marias spielt das keine Rolle. Für sie war klar - am Ende der Geschlechtterreihe von Adam über Abraham, Isaak, Jakob und König David da stand sie als die Verlobte Josefs.
Kaum einer von uns kennt seinen Stammbaum über viele Generationen, aber in den meisten Familien gibt es eine Familiengeschichte, in der man sich weiß.
Meine Vorfahren sind als Mennoniten in die Ukraine gezogen als Siedler. Dort bin ich geboren. Das verbindet mich mit einer ganzen geistigen Welt und Tradition -, obwohl ich schon als Kind nach Deutschland kam und obwohl ich nicht zur Mennoniten-Gemeinde gehöre.
Die Vorfahren meiner Frau sind als Protestanten zur Zeit der Gegenreformation aus dem Salzburger Land vertrieben worden - sie wurde in Ostpreußen geboren. Für ihr Selbstverständnis hat das eine nicht geringe Bedeutung.

So dürfte bei jedem das Bewußtsein auch durch seine Familien-Herkunft geprägt sein - weitergegeben meist durch die Mutter.
Wenn Maria auf den Spuren dieses Stammbaums den Weg durch die Geschichte ihres Volkes verfolgte: Wie Adam und Eva das Geschick der Menschheit vorbestimmten - "jenseits von Eden", wie Abraham Gott, den einen Gott, entdeckt und sich bedingungslos mit ihm auf den Weg macht, wie Isaak, der spät geschenkte und knapp dem frühen Opfertod Entkommene, wie der Fuß faßt im Land der Verheißung, wie aus Jakob im Kampf mit dem Engel "Israel" wird - vielleicht hat sie Jakobs Forderung im Kampf: "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn", im Stillen zu ihrem eigenen Gebet gemacht - und all die vielen Geschichten von den zwölf Kindern Israels, den daraus entstandenen zwölf Stämmen, der Befreiung aus Ägypten und dem Zug durch die Wüste ins gelobte Land. Die Eroberung des Landes, die Siege und die Katastrophen, wenn die vielen Geschichten um David und sein großes Reich auch in ihr den Traum weckte , daß so ein König noch einmal kommen und das Reich Gottes errichten würde.

Musik

Die Propheten hatten es immer wieder verheißen das kommende Gottesreich - trotz und gerade in völlig anderen Verhältnissen: Bei der Vernichtung der meisten Stämme Israels durch die Assyrer, während der babylonischen Gefangenschaft der Juden nach der Zerstörung des Jerusalems und des Tempels, in der Zeit griechischer Besetzung - die durch den siegreichen Aufstand abgeschüttelt wurde. Wenn sie diese Geschichten von Katastrophen und Rettungen kannte als Geschichte ihrer Familie und Ihres Volkes, dann konnte es leicht geschehen, daß sie angesteckt wurde von der Hoffnung und der Erwartung, daß jetzt Gott einen Retter schicken muß. Ein König müßte das seien - noch größer als David, der Gesalbte Gottes müßte kommen um die Herrschaft Gottes durchzusetzen gegen das Weltreich Rom. Das hofften, das glaubten viele. Maria bekam die Gewißheit: Einen Sohn wirst du bekommen, der ist dieser Retter.

Wahnsinn - wirst Du denken. Aber zu was für wahnsinnigen Ideen sind junge Menschen nicht fähig - und Maria war jung - 15 oder 16.
Und wenn diese Idee erst einmal Besitz von ihr ergriffen hatte, da war nichts, was um die Begeisterung hätte konkurrieren können - keine Beatles und kein neuer Mode-Gag, kein Filmschauspieler und keine Fernsehserie. Sie lebte in Nazareth vor 2.000 Jahren.
So sagte sie von ganzem Herzen Ja zu dem Kind. Daß sie noch nicht verheiratet war, das machte ihr keine Probleme.
Du Erstgeborener, wenn es heute beim Muttertag ruhig wird und du hast deine Mutter einmal für dich allein, frage sie doch, was sie erwartet hat, als sie merkte, du bist in ihr. Aber frag vorsichtig - das ist etwas ganz sensibles und absolut persönliches. Und sei nicht enttäuscht, wenn sie das vergessen hat - denn, wenn erst das Kind da ist, dann hört das Träumen auf. Es wird abgelöst von der Realität des kleinen, geliebten Menschen der gestillt werden muß - und oft trotzdem schreit, der trocken gelegt werden muß - und manchmal trotz Pampers und Penaten wund wird - bis er endlich in die Schule kommt. Aber dann geht es oft erst richtig los - von der Pubertät will ich nicht reden.

Wenn deine Mutter sich erinnert und ehrlich antwortet, dann wirst du vielleicht verstehen, daß bei Maria sich die wahnsinnige Erwartung zu Gewißheit entwickeln konnte - mit einer Engelserscheinung am Anfang und mit einem eigenartigen Erlebnis beim Besuch der Elisabeth, die den Johannes erwartete und ein Loblied auf Marias werdendes Kind anstimmte. Dieses Magnifikat wurde weltberühmt und viele Komponisten haben es vertont. Die nächste Musik ist allerdings keine solche Vertonung!

Auch bei der Geburt von Jesus geschah Eigenartiges - doch, die Schwierigkeiten mit der Versorgung des Babys im Stall, drei Tagereisen von der Wohnung in Nazareth entfernt, die Nervosität Josefs, der nicht zu seiner Arbeit zurückkehren konnte und diese und jene ganz reale Kleinigkeit, die dürften auch Maria ernüchtert haben. Und schließlich war es ja einen ganz normales Kind (aber wer erliegt nicht dem Zauber eines Babys, des eigenen Babys?)

Josefs könnte erfreut gewesen sein - nach den sehr hochgespannten Erwartungen seiner jungen Frau während derer vergangenen neun Monate. So hätte es eine ganz normale Familie werden können, wie es Gott sei Dank, bei den meisten Familien geschieht. Ich bin sicher, Josef hat die Sprache nicht auf das Engels-Thema gebracht!

Aber, wir wissen, daß es nicht normal ging. Und Gott sei Dank, geht es nicht in allen Familien ganz normal weiter - manches Kind wäre nicht zu dem Menschen geworden, der er dann wurde, und wohl auch werden sollte.

Es sollte nicht normal werden bei Maria und ihrem Kind. Und wenn der Mutter Zweifel kamen an Ihren Schwangerschaftsphantasien und der Engels-Erscheinung, wenn auch die Erzählungen von den Hirten über Engels-Licht und Engels-Gesang verblaßten, plötzlich waren da drei imponierende Männer erschienen, priesterliche Gestalten - sehr ernst und sehr feierlich hatten sie das Kind verehrt, hatten reiche Geschenke überreicht und dann erzählt, daß er helle Stern, der ihr schon öfter am Abendhimmel aufgefallen war, mit einem weniger hellen daneben, daß diese Sterne ihnen in Babylon verkündet hatten, wer dieses, ihr Kind ist.
Da war auch Josef sprachlos - und für Maria war plötzlich alles klar, gewiß und selbstverständlich.
Was sich wie ein Fest anließ, es wurde schnell zum Schrecken. "Zu König Herodes gehen wir morgen zurück, er will auch das Kind verehren, den Messias". So hatten sie zum Abschied gesagt - und als Josef mit dieser Mitteilung im Ohr einschlafen wollte, da wurde es ein Alptraum und eine Warnung: Herodes will das Kind umbringen, flieht!

So war die junge Familie schon in der gleichen Nacht unterwegs auf ihrem Weg über die Sinai-Halbinsel nach Ägypten. Hinter Berscheba in der Wüste, da konnten sie dann ruhig ziehen, weil hier das Reich des Herodes endete.

Und jetzt geschah etwas, was vieles verständlicher macht von der weiteren Entwicklung dieses Kindes. Nach der Musik wollen wir da einmal hinschauen.

Musik

Da auf der Flucht ist etwas geschehen, was zum Verständnis hilft:
Inzwischen ist es Allgemeinwissen, wie tief in die Persönlichkeit Einflüsse wirken, die in der frühen Kindheit auftreten. Und dieses Kind wurde von dieser Mutter jetzt den weiten Weg durch die Wüste getragen. Ihr Wissen aus der Zeit der Schwangerschaft war besiegelt durch das Urteil der Weisen aus Babylon, der strahlende Stern am klaren Wüstenhimmel bestätigte es jeden Abend: "Du bist der Retter".
So ging es von Oase zu Oase von Herberge zu Herberge den Weg, den einst ihr Volk durch die Wüste gezogen war. Bis nach Ägypten. Dort gab es jüdische Gemeinden, und sicher hatten die Flüchtlinge dort Gastrecht. Aber das Kind wuchs auf im Exil - mit Fragen des heranwachsenden Jungen nach der Heimat und Erzählungen der Mutter über das Besondere seiner Geburt, über die Weisen aus Babylon und die Flucht vor Herodes.
Wenn daraus keine bleibende frühkindliche Prägung entsteht - dann gibt es so etwas gar nicht.

So hat diese Mutter, weil sie sich begeistern ließ von der Botschaft der Bibel und des Engels, weil sie Bestätigung für ihren Glauben und ihre Hoffnung bekam und weil sie einen ganz besonderen Weg geführt wurde, so hat sie ihren Jungen auf den Weg gebracht, der ihn zum Messias werden ließ, zum Retter.
Die nächsten Kinder Marias waren ganz normal. Auch aus Maria wurde eine ganz normale Mutter. Als Jesus zwölf Jahre war und sie ihn lange suchen mußte, weil er in Tempel mit dem Priestern diskutierte - da sagt ihr Sohn zu ihr: "Mutter, weißt du nicht, daß ich hier sein muß?"
Sie wußte es nicht mehr.

Und so wird es mancher Mutter gehen, wenn sie plötzlich dem Bewußtsein ihrer heranwachsenden Kindern begegnet, daß sie ihnen doch mitgegeben hatte.
Gott sei Dank - von keiner Mutter wird mehr verlangt, daß ich sie ihren Sohn auf einen Weg schickt, der so am Kreuz endet wie bei Jesus.
Von Maria berichtet die spätere Überlieferung, daß sie danach wußte, wer ihr Sohn wirklich war, daß sie mit Johannes, den Lieblingsjünger Jesu zusammen in Ephesus gelebt hat.

Wenn ihr in die Türkei kommt, fahrt unbedingt nach Ephesus und dort ins Haus der Maria - es ist ein Ort des Friedens in wundervoller Landschaft. Lest danach, was der Koran sagt zu dieser Mutter Mirjam - die Texte sind in einer kleinen Kapelle an der Wand angebracht. Mit mehr Ehrfurcht und Liebe können auch Christen nicht von der Mutter Jesu reden.

Allen Müttern wünsche ich, daß Sie sich heute dankbar erinnern können an die frühen und späteren Zeiten mit ihren Kindern.

Dr. Hans Frisch