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Jakobs Kampf
gesendet am 15. November 1999 von Dr. Hans Frisch
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Das Jahr 1998 geht seinem Abschluss entgegen. Einige Gedenktage und Feiern hat es gegeben - eines der wichtigen Ereignisse, derer gedacht wurde, war: Die Gründung des Staates Israel vor 50 Jahren.

Die Geschichte des Volkes Israel ist aber viel älter!. Sie fing an mit Abraham, Isaak und Jakob - wir haben in früheren Sendungen schon darüber nachgedacht. Das war zunächst eine Familiengeschichte - soviel Jahre vor Christus wie wir heute nach Christus zählen.

Israel - das heißt "Gott kämpft" oder "Gott wird kämpfen" - und ein Kampf war es, der damals Jakob und seinen Nachkommen den Namen gegeben hat. Es ist eine der großen Geschichten, die Geschichte dieses Kampfes - auch wenn man sie kennt bleibt sie spannend. Jakob - eigentlich der Zweitgeborene nach seinem Zwillingsbruder Esau - er hatte schon bei der Geburt die Hand an Esaus Ferse, so als wollte er ihm den Vortritt streitig machen.

Später verkaufte Esau ihm sein Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht und schließlich hatte Jakob sich den Erstgeburtssegen vom Vater Isaak erschlichen.
Als Esau die Konsequenzen bewußt wurden, da bereute er nicht etwa sein Geschäft mit dem Linsengericht sondern er bekam Wut auf Jakob - der floh nach Mesopotamien - in die Uhrheimat Abrahams - kam dort zu Reichtum und Familie und machte sich dann auf den Weg nach Palästina, ins Land der Verheißung, zurück - denn nur dort galt der Segen des Vaters.
Wir kennen das wohl auch: Ein verheißungsvolles Ziel haben wir erkannt und uns auf den Weg gemacht, haben Entscheidungen getroffen, die kaum noch aufzuheben sind - und dann, je näher wir der Prüfung, der letzten Entscheidung oder der endgültigen Festlegung kommen, um so deutlicher werden die Gefahren und Risiken - und es wächst die Angst.
So muß es Jakob gegangen sein: Zwei Mal sieben Jahre war er Hirte dort am Euphrat. Das erste Jahrsiebt hat er wohl von seiner lieben schönen Rahel geträumt - die er dann auch bekam - danach gingen seine Gedanken wahrscheinlich immer öfter nach Berscheba, wo er die Kindheit verlebt hatte, in das Gebiet, auf dem der Segen des Vaters lag.
Die Brüder seiner Ehefrauen waren neidisch geworden über den Reichtum, den er - einigermaßen clever - erworben hatte. Das war der Anstoß, sich auf den Weg zu machen.
So zog ein Nomadentroß ungefähr da, wo heute die Straße von Bagdad im Irak nach Amman in Jordanien verläuft. Und hier, in der Nähe des heutigen Amman, da packte ihn die Angst.
Boten hatte er zu Esau geschickt, die ihm die Rückkehr seines inzwischen reich gewordenen Bruders ankündigen sollten - und die kamen zurück mit der Meldung: "Schon eilt Esau dir entgegen - und vierhundert Männer sind bei ihm." "Da fürchtete sich Jakob sehr, und es wurde ihm sehr bange."
Aber Not macht erfinderisch: Jakob teilte seine Leute und sein Vieh in zwei Gruppen, damit eine entfliehen könnte, wenn Esau die andere überwältigt.
Und Not lehrt Beten: Es ist ein anrührendes Gebet, das da im ersten Buch Mose überliefert wird.
Oft kommen im Gebet die besten Ideen: Jakob läßt eine Kaskade von Geschenken auf seinen Bruder los: Erst eine Gruppe mit zweihundert Ziegen und zwanzig Böcken, dann ebensoviel Schafe und Widder, dreissig Kamelkühe mit Jungen, vierzig Kühe und zehn Stiere, zwanzig Eselinnen mit zehn Fohlen - in kurzen Abständen ziehen Knechte mit diesen Geschenken Esau entgegen - und dessen Frage nach dem Woher-Wohin sollen sie beantworten: "Es ist ein Geschenk das Jakob seinem Herrn Esau schickt. Er selbst kommt hinter uns her."
Und dann überschritt er den Fluß Jabbok an der Furth, - Esau entgegen.
Er selbst aber blieb am Fluß, im Ufergebüsch. Und hier kam es zum Kampf.

Musik

Die meisten von uns haben wohl den Film verpaßt:" Tango lesson!" Da steht an wichtiger Stelle - wo es zur Entscheidung und zur Wende kommt - die Geschichte von "Jakobs Kampf mit dem Engel".ein großes Wandbild in einer Kirche von Paris. Zwei Männer im Ringkampf am Flußufer.
Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.
26 Und als er sah, daß er ihn nicht übermochte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt.
27 Und er sprach: Laß mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.
28 Er sprach: Wie heißt du? Er antwortete: Jakob.
29 Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel; denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen.
3o Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißt du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst.

So erzählt die Bibel den Kampf.
Im Film erzählt Sie Ihm die Geschichte durchs Telefon auf den Anrufbeantworter.
"Er kämpfte mit Gott - oder vielleicht hat er auch mit sich selbst gekämpft" schließt sie.
Das ist wohl eine gute erste Annäherung an den Bericht: Versteckt im nächtlichen Uferwald, allein - da packt ihn die Angst mit voller Wucht. Esau der Jäger, wütend, mit vierhundert Mann, waffenstarrend. Seid ehrlich, hättet ihr euch gewagt aus dem Versteck herauszutreten, ihm entgegen?
Und wer schon erlebt hat, wie Angst und Sorge ihn nicht schlafen ließen, der weiß, wie diese Gegner wachsen in der Nacht, wie sie jeden Ausgang der suchenden Phantasie verstellen, wie sie die Kräfte lähmen.
Durch diese Nacht hindurch hat Jakob sein Ziel, das Land des Segens, festgehalten, hat sich durchgerungen und durchgekämpft zu der Entscheidung: Ich gehe weiter!
Ein anderer Film kann uns helfen: Der Soldat Brian.
Da wird die Angst sichtbar, als die Sturmboote auf die waffenstarrende Küste zu fahren. So beklemmend ist die Angst, so grausam, das der Ausbruch des Infernos fast befreiend wirkt.
Von dieser Art muß man sich die Angst des Jakob dort in der Nacht vorstellen - und da ist es eigentlich unwichtig, ob da ein Engel als Person war, der ihm die Hüfte verrenkte, oder ob die Angst ihn getrieben hat durchs Gebüsch und er sich die Hüfte im Sturz verletzte - es war ein gewaltiger Kampf.
Und anders als die Soldaten war Jakob nicht durch Befehle gebunden.
Ist dir dieser Umgang mit der Geschichte zu frei? Es ist ja nur die erste Annäherung!
Also weiter.
"Ich lasse dich nicht - du segnest mich denn!" das ist der entscheidende Punkt, das ist der Sieg Jakobs.
Um den Segen geht es! Nicht so einen etwas diffusen Segen wie wir ihn bei dem Wort meinen - um den Erstgeburtssegen, den er vom Vater, von Isaak erhalten hatte. Es war der Segen, den Gott Abraham zugesprochen hatte - die Verheißung einer großen Nachkommenschaft in eben diesem Land - der war Isaak übergeben worden und lag nun auf ihm - einzulösen in der Heimat
Als die Dunkelheit der Nacht sich lichtete, da hatte Jakob sich durchgerungen - "Auf Gedeih und Verderb - ich lasse nicht ab von deiner Verheißung, Gott!"
So sieht "Glaubenskampf" aus, ein Kampf in dem Gott sich besiegen läßt.
Das muß nicht immer so gewaltig sein, und selten wird der Ausgang des Kampfes eine solche Wirkung auf die Weltgeschichte haben, aber - wenn ich Biographien von großen Menschen lese, oder in meine eigene kleine Lebensgeschichte hineinsehe - die entscheidenden Situationen hatten einen ähnlichen Charakter: "Auf Gedeih und Verderb - ich lasse nicht ab von dir, Gott!"

Und nun noch eine ganz vermessene Frage: Warum hat Gott dort gekämpft?
Die Frage ist etwas falsch gestellt: "Worum hat Gott dort gekämpft?" - da könnten wir eine Antwort erhoffen.


Israel - das ist Gottes Antwort auf Jakobs Sieg. Israel - das ist der Name den das "Volk Gottes" trägt.
Wenn wir unterstellen, das es für Gott keine zufälligen Ereignisse gibt, dann hat er dort um Israel, um sein Volk gekämpft. Um Menschen, die trotz und in ihrer Angst sich festhalten an ihm, die auf seinen Verheißungen bestehen, die ihm trotz allem vertrauen, die ihn lieben.
Um eine Liebe kämpft er, wie sie Erich Fried in seinem Gedicht benennt:

Es ist Unsinn sagt die Vernunft
Es ist was es ist sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz sagt die Angst
Es ist aussichtslos sagt die Einsicht
Es ist was es ist sagt die Liebe

Es ist lächerlich sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich sagt die Erfahrung
Es ist was es ist sagt die Liebe

So will Gott geliebt werden und so liebt ER. Und der Kampf um diese Liebe, der hat seinen Sohn Jesus mehr verletzt als nur an der Hüfte.
Um die Geschichte zu Ende zu bringen: Esau hat sich seinen Zorn abkaufen lassen durch die Geschenke, Jakob-Israel kam in seine Heimat, aus den zwölf Kindern Israels wurde "Gottes Volk" und wir erleben nach einer fast viertausendjährigen Geschichte das fünfzigjährige Jubiläum des modernen Staates Israel in dem Land der Verheißung mit.

Dr. Hans Frisch