Die Weihnachtsgeschichte im 
        historischen Zusammenhang
      Es begab sich aber zu der Zeit, 
        dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt 
        würde.  
        Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius 
        Statthalter in Syrien war.  
        Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder 
        in seine Stadt. (aus Lukas 2) 
        So wird es in neun Tagen wieder von vielen Kanzeln gelesen werden - und 
        den Menschen wird weihnachtlich ums Herz. 
        Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, 
        in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, 
        weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,  
        damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; 
        die war schwanger. 
        Über 150 km Entfernung, Maria vielleicht auf dem Esel, Joseph bestimmt 
        zu Fuß. Es könnte sein, dass er gerade heute vor 2013 Jahren 
        aus Nazareth aufgebrochen ist.  
        Kenner wissen, das Datum stimmt nicht, denn der König Herodes ist 
        im Jahr 4 vor Beginn unserer Zeitrechnung gestorben, und der lebte noch 
        als Jesus geboren wurde. Auch der 24. Dezember steht nicht in der Geburtsurkunde 
        - der wurde eingeführt, als die frühe Kirche das römische 
        Fest der Wintersonnenwende zum Geburtstag Jesu ernannte. Ich hoffe das 
        hat Eurer Vorweihnachts-stimmung keinen Abbruch getan. 
        Schwieriger in der Weihnachtsstimmung zu bleiben wird es, wenn wir versuchen 
        das junge Paar auf seinem Weg zu begleiten.  
        Schon der Anlass war alles andere als festlich. "Ein Gebot vom Kaiser 
        Augustus" war ausgegangen, dass "alle Welt" geschätzt 
        wird.  
        "Alle Welt", das war die römische Welt, das römische 
        Weltreich, mit Frankreich, Spanien, Nordafrika, Ägypten, Kleinasien 
        und dem Vorderen Orient. Dieses ganze Land - das meint den Grund und Boden 
        - war Eigentum von Rom. 
        Und von allem, was darauf wuchs oder erwirtschaftet wurde, kassierte Rom 
        Steuern. Also musste festgestellt werden, wem welcher Acker, welcher Weinberg, 
        welcher Olivenhain gehört, wer also dafür zahlen muss. Und Augustus 
        schickte seine Landvermesser in alle seine Länder, dazu gehörte 
        auch das Reich des Vasallenkönigs Herodes. Damit das vermessene Land 
        den einzelnen Steuerpflichtigen zugeordnet werden konnte, mussten alle 
        in die Heimatorte ihrer Familien, denn, nur wer persönlich zusammen 
        mit seinem Landanteil erfasst wurde in den Steuerlisten, konnte persönlich 
        belangt werden. Unsere Fantasie ist wohl kaum in der Lage, uns auszumalen, 
        wie es da zuging - doch Augenzeugen haben so eine Schätzung beschrieben. 
      Musik 
      Im Jahr 300 berichtete ein 
        römischer Schriftsteller von einer Volkszählung, einem "Zensus", 
        in Syrien. «Die Zensitoren erschienen allerorts und brachten alles 
        in Aufruhr. Die Äcker wurden Scholle für Scholle vermessen, 
        jeder Weinstock und Obstbaum wurde gezählt, jedes Stück Vieh 
        jeder Gattung wurde registriert, die Kopfzahl der Menschen wurde notiert, 
        in den autonomen Städten wurde die städtische und ländliche 
        Bevölkerung zusammengetrieben, alle Marktplätze waren verstopft 
        von herdenweise aufmarschierenden Familien, jedermann erschien mit der 
        ganzen Schar seiner Kinder und Sklaven, überall hörte man das 
        Schreien derer, die mit Foltern und Stockschlägen verhört wurden, 
        man spielte die Söhne gegen die Väter aus und preßte die 
        treuesten Sklaven zu Aussagen gegen ihre Herren, die Frauen gegen ihre 
        Ehemänner. Wenn alles vergeblich durchprobiert war, folterte man 
        die Steuerpflichtigen, bis sie gegen sich selber aussagten, und wenn der 
        Schmerz gesiegt hatte, schrieb man steuerpflichtigen Besitz auf, der gar 
        nicht existierte."  
        Nach diesen Zensitoren erschienen Kontrolleure die dann nochmals von Kontrolleuren 
        kontrolliert wurden, und jeder musste "Erfolg" erzwingen.  
        So schlimm dürfte es unter Augustus nicht gewesen sein. Doch besinnlich 
        und festlich ging es damals in Bethlehem und in den anderen Städten 
        bestimmt nicht zu - und das mit dem Quartier im Stall und der Krippe als 
        Wiege ist durchaus verständlich. In Kerzenlicht, mit Heuduft und 
        der Wärme von Esel und Rind könnte das sogar etwas gemütlich 
        gewesen sein. Wahrscheinlich war die kleine Familie auch nur abends und 
        in der Nacht zusammen, denn an den Meldestellen der Registratoren dürften 
        die Wartezeiten lang gewesen sein. Da waren Widersprüche zu klären, 
        Zeugen aufzurufen, fehlende Urkunden zu besorgen, Aussagen im Kreuzverhör 
        zu überprüfen bis schließlich die Angaben in der Liste 
        standen, durch einen Eid auf den Kaiser bekräftigt, und der Nächste 
        aufgerufen wurde. Auch Josef musste da sicher lange warten. Es war schon 
        gut, dass die Hirten in der Nacht kamen mit ihrer Geschichte und der Engelsbotschaft. 
         
        So geriet das Kind mitten hinein in die unruhige Geschichte seines Volkes, 
        und schon am Anfang seines Lebens ist die römische Macht präsent, 
        die auch seine Hinrichtung drei Jahrzehnte später in die Hand nehmen 
        wird. 
        Wenn man die Evangelien liest, könnte man meinen, mit Rom hätte 
        Jesus nicht viel zu tun gehabt in diesen Jahrzehnten. Die Flucht nach 
        Ägypten war ja eine Flucht vor dem König Herodes - doch der 
        war König von Roms Gnaden und wurde gehasst, besonders von den ganz 
        Frommen, den Zeloten, denen schon der Eid auf den römischen Kaiser 
        ein Gräuel war. Für die wäre das Auftreten eines Messias 
        Signal zum Aufstand gewesen, denn sie erwarteten ihn als Befreier. Und 
        eben deshalb wollte der König das Kind beseitigen. 
        Nicht von den Zeloten hatte Herodes erfahren, dass der Messias geboren 
        ist, sondern von Weisen aus dem Morgenland, aus Mesopotamien - und da 
        sehen wir das Kind eingebunden nicht nur in die Geschichte seines Volkes, 
        sondern in die Geschichte der Völker, wenn man will, des Kosmos, 
        denn es war ein Sternenzeichen, das die Weisen geführt hatte.  
       
      Musik 
      Ich weiß, das klingt 
        für manche zu einfältig, den Bericht der Bibel so wörtlich 
        zu übernehmen. Generationen von Theologen haben sich daran abgearbeitet, 
        mit Beweis und Gegenbeweis (die aber auch nicht bewiesen waren). 
      In diesem wissenschaftlichen 
        Denken bleiben die Wunderberichte, die Engelserscheinungen, der wandernde 
        Stern und manches andere ausgespart. Wenig bleibt übrig von der Lebensgeschichte 
        dieses Kindes - am Ende nur die Ahnung von einem sehr eindrucksvollen, 
        edlen, frommen Menschen, den es schon gegeben haben muss - sonst wäre 
        die Entstehung des Christentums ja nicht zu erklären. Die Christen 
        der frühen Kirche hätten dann ihrem Gründer (der selbst 
        eigentlich keine Religionsgemeinschaft gründen wollte) die Geschichten 
        zugeschrieben oder angedichtet, damit er als der verheißene Messias 
        erscheint - nicht in böser Absicht sondern aus innerem Bedürfnis. 
        Es gibt Dutzende Varianten solcher Deutungen und Ansichten, doch geht 
        es im Grunde nur um eine Alternative. War Jesus der verheißene 
        Erlöser oder war er es nicht? 
        Wenn er es nicht war, dann bleibt er immer noch eine der wichtigsten Personen 
        der Weltgeschichte, denn ohne ihn gäbe es kein christliches Abendland 
        mit allen Errungenschaften und Gefahren. Die Welt wäre anders, vielleicht 
        besser, vielleicht schlechter - doch sicher anders. 
      Wenn er der verheißene 
        Erlöser ist, dann ist er die deutlichste Offenbarung Gottes für 
        den Menschen. Dass eine solche Biographie nicht einfach "normal" 
        verlaufen kann, ist klar. Da mussten schon Dinge geschehen, die den Eltern 
        klarmachen, dass dieses Kind der ist, denn nur von ihnen konnte er es 
        erfahren, dass er es ist. Da mussten die Erzählungen von den Weisen 
        und von der Flucht dem Jungen dort im Exil in Ägypten das Bewusstsein 
        seiner Besonderheit geben, mit dem er dann die prophetischen Texte des 
        Alten Testaments aufnahm als Texte die von ihm reden, so dass er mit 12 
        Jahren die Priester in Erstaunen versetzte mit seiner Kenntnis der Schriften, 
        damals im Tempel. 
        Erst mit 30 Jahren wird ihm die Gewissheit geschenkt. Als er sich von 
        Johannes taufen lässt, hört er eine Stimme: "Dies ist mein 
        lieber Sohn", und danach geschehen wunderbare Sachen, die ihm bestätigen, 
        dass er es ist, und welche die Aufmerksamkeit des Volkes auf ihn lenken. 
         
      Weil aber immer noch das Auftreten 
        eines Messias das Signal zum Aufstand gegen die Römer wäre, 
        ohne Aussicht auf Erfolg, deshalb geriet er zunehmend in den Blick der 
        Verantwortlichen. Nach einem spektakulären Wunder, der Auferweckung 
        eines Toten, da sagt der Hohepriester: "Wenn wir ihn lassen, dann 
        werden alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen 
        uns Land und Leute" - er kann damit nur den Aufstand gemeint haben 
        - und der Hohe Rat fällt den Todesbeschluss. 
        Auch darin erkennt Jesus für sich die Erfüllung der Verheißung, 
        der Verheißung vom leidenden Gottesknecht, welcher für die 
        Sünden des Volkes stirbt - und er geht seinen Weg weiter bis ans 
        Kreuz. 
        Wie hätte die Biographie anders verlaufen können, wenn er es 
        wirklich war?  
        Und wenn es der Schöpfer der Welt ist, der sich darin, der sich durch 
        ihn, offenbart, sollte der ein Problem damit gehabt haben, es so laufen 
        zu lassen, dass es zu verstehen ist? Zu verstehen ist dies aber nicht 
        durch wissenschaftliche Forschung, durch konsequente Meditation oder durch 
        hohe geistige Anstrengung, sondern durch Glauben, so wie das Ja der Liebe 
        nur geglaubt werden kann und keinen Beweis verlangt. 
        Und wie Liebende staunend zurückschauen auf den zarten Beginn ihrer 
        Beziehung, so dürfen wir staunend und froh hinschauen auf die Krippe 
        im Stall, auf das Kind in der Krippe, auf Maria und Joseph, den Ochsen 
        und den Esel, die Hirten und die Weisen.  
      Dr. Hans Frisch 
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