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Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.
  Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden;
  und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. 
  Mathäus 7, 1+2
Wir leben in einem Rechtsstaat - und da muss Recht gesprochen, also 
  gerichtet, werden. Das kann Jesus nicht untersagt haben. Er sprach ja auch 
  nicht auf einen Juristentag oder vor dem Bundesverfassungsgericht, er sprach 
  zu einfachen Menschen, auch zu Pharisäern und Schriftgelehrten, vielleicht 
  waren auch einige Priester dabei. Und deren „Gericht“ war so wie unser „Richten“ doch etwas anderes.
  Sicher, wir müssen urteilen und beurteilen, manches müssen wir auch 
  verurteilen, doch ehe wir einen Menschen verurteilen, müssten wir genau 
  hinschauen - auf ihn, und auf uns.
  Wir verlangen Wahrhaftigkeit von den anderen, meist strenger als von uns.
  Wir verurteilen Habgier, und merken nicht, dass unsere Zurückhaltung beim 
  Helfen oft schon Geiz ist. Und so könnten wir die Reihe der Verurteilungen, 
  die uns so leicht fallen, durchgehen - und sollten lieber keinen Spiegel 
  dabei haben. Den Maßstab, den wir an andere anlegen, denn sollten wir zunächst an uns 
  eichen.
Da hatte ein Bundeskanzler zusammen mit dem amerikanischen Präsidenten auf 
  einem deutschen Soldatenfriedhof einen Kranz niedergelegt, 40 Jahre nach dem 
  Kriegsende. 
  Ob er's wusste er nicht, dort lagen auch einige Soldaten der Waffen-SS, 
  zumeist sehr junge Menschen, die ihr Leben verloren hatten im Finale des 
  wahnsinnigen Krieges.
  Die Reaktionen in den Medien, von links bis grün, waren heftig. Man kann 
  vielen der jüngeren „Richter“ zugute halten, dass ihr Maßstab aus 
  Friedenszeiten stammt und keinen Test einer Diktatur zu bestehen brauchte.
  Einer der sichersten Veruteiler war ein sehr bekannter Schriftsteller, und 
  der hätte es wissen können, wie junge Menschen ohne eigene Entscheidung, 
  oder in unreifem jugendlichen Eifer, in die Waffen-SS geraten konnten, denn 
  ihm war es so gegangen. Und er hätte leicht einer von denen sein können, die 
  dort begraben sind.
  Viel später hat er sich als ehemaliger SS-Soldat geoutet, und war erstaunt, 
  als er jetzt von den andern mit dem gleichen Maß gemessen wurde, ich meine 
  mit dem gleichen Unrecht, mit dem er gemessen hatte. 
  Ob Günter Grass sich bei Helmut Kohl entschuldigt hat, weiß ich nicht - 
  doch, dass die Worte Jesu auch heute noch aktuell sind, das hat er uns 
  deutlich gezeigt.
Wie ich Jesus kenne, hat er diese Worte aber wohl positiv gemeint:
Wer barmherzig richtet und einen gnädigen Maßstab anlegt, der wird auch so beurteilt werden.
Dr. Hans Frisch
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