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40 Tage nach Ostern
gesendet am 21.04.2002 von Dr. Hans Frisch
 

Es gibt ein Buch über die sozialistische Oktoberrevolution von 1919.

"Elf Tage, die die Welt erschütterten" unter diesem Titel beschreibt ein Amerikaner, der es miterlebt hatte, die welterschütternden Tage - den Kampf und den Sieg.
Endlich, in einem gewaltigen Beben, waren die sozialen Spannungen zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern, zwischen Unten und Oben aufgelöst.

"Was das Christentum in zwei Jahrtausenden nicht geschafft hat, das schaffen wir in zwei Jahrzehnten" - das war die siegreiche Zuversicht - und von der Sowjetunion aus sollte die erlösende Erschütterung durch die ganze Welt gehen. Siebzig Jahre später brach das Reich des Sozialismus zusammen, auch das wurde als Erlösung erlebt - die Nachbeben dieses Zusammenbruchs sind noch längst nicht abgeklungen, aber die Hoffnungen auf eine Welt des Friedens und der Gemeinschaft schwinden schon.

Keine Angst, das soll jetzt keine politische oder gesellschaftskritische Sendung werden - obwohl der sozialistischen Erlösungsgedanke durchaus auch in einer christlichen Sendung Thema sein könnte.

"Drei Tage, die die Welt erschütterten", wäre ein passender Titel für einen Bericht über die Ereignisse von Karfreitag bis Ostern - und "40 Tage, die die Welt veränderten" für die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt, obwohl das Erdbeben von Karfreitag wohl nur in Jerusalem zu spüren war, und in der Zeit nach Ostern zunächst nur elf verängstigte Jünger und einige Frauen etwas erlebten. Es wurden dann mehr - von 500 auf einmal berichtet Paulus - die eigenartige Erscheinungen des auferstandenen Jesus hatten. Zehn Tage nach der Himmelfahrt wurden Tausende ergriffen von der Begeisterung. Wie Flammen kam der Geist Gottes auf die Jünger und wie ein Steppenbrand breitete sich die erlösende Botschaft in der Welt aus. Siebzig Jahre später gab es in den meisten Provinzen des römisch-griechischen Raumes Christengemeinden und nach 200 Jahren im ganzen römischen Weltreich.

Die Geschichte, die damals anfing geht jetzt schon bald ins dritte Jahrtausend und ist immer noch lebendig, lebendiger als es in unserem Land den Anschein hat.
In der Passionszeit und an Karfreitag hatten wir hingeschaut auf den Weg Jesu ans Kreuz und auf die Kreuzigung - wir hatten nachgedacht, warum er gekreuzigt wurde.

Vor ein paar Tagen fiel mir ein Buch in die Hand, mit dem Titel: "Wozu starb Jesus am Kreuz" - geschrieben von einen bekannten Theologen in Heidelberg. Mit dieser Frage sind wir in der Thematik der Zeit nach Ostern - eine Thematik die aktuell geblieben ist bis jetzt, so daß ein Theologe heute noch versucht, sie neu zu beantworten. Mit großem Scharfsinn, reichem Wissen und starkem Engagement findet er wirklich neue Antworten - er belegt diese auch mit vielen Bibelstellen - wobei er aber ganz am Anfang einige Stellen einfach streicht, und damit einen neuen, einen eigenen Kurs der Deutung einschlägt.
Nun soll das jetzt keine Buchbesprechung werden, auch keine Buchempfehlung, es wäre eh nur etwas für theologisch Vorgebildete - aber es lohnt sich, den Anfang dessen, was zur Entfaltung und Entwicklung des Christentums, des christlichen Abendlandes, mit seinen kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen, geführt hat, noch einmal genauer anzuschauen. Und dieser Anfang liegt in den 40 Tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt.

Musik

Was damals geschah, in den 40 Tagen vor eintausend-neunhundert-siebzig Jahren, das war ein rein jüdisches Ereignis. Ein frommer Jude war von einem jüdischen Gericht zum Tode verurteilt worden, so geriet er ans Kreuz. Seine jüdischen Jünger und Freunde hatten jüdische Messiaserwartungen auf ihn gesetzt, jetzt waren sie enttäuscht und verzweifelt.
Da öffnen die Begegnungen mit dem Auferstanden ihnen die Augen: Das Leiden und Sterben ihres Meisters ist nicht das Ende ihrer Hoffnungen sondern die Erfüllung seiner Sendung.
"Mußte nicht Christus solches leiden" - fragt der auferstandene Jesus die Jünger, die sich enttäuscht auf den Heimweg von Jerusalem nach Emmaus gemacht hatten, und offenbart ihnen das Messiasbild der Propheten, das ans Ziel kommt mit dem leidenden Gottesknecht, durch dessen Wunden wir geheilt werden.
Der Theologe in seinem Buch denkt nach und schreibt über "Vertretung", "Opfer", "Blut" als religiöse Begriffe die uns weitgehend fremd sind. Mit Sicherheit hätten die Jünger damals dieses theologische Buch nicht verstanden. Sie hätten damit nicht begriffen, wozu Jesus am Kreuz gestorben war, sie wären nicht ergriffen worden von der Erkenntnis und Erfahrung: "für uns ist er gestorben".
Ohne diese umstürzende Erfahrung der jüdischen Jünger damals hätte die Weltgeschichte einen ganz anderen Verlauf genommen.
Es wäre spannend, zu ergründen, warum die Theologen unser Tage so viel Mühe darauf verwenden, das Geschehen von Karfreitag umzudeuten oder sogar zu relativieren.

Jetzt wollen wir nur hinschauen, wie der Theologe Berger die Weichen stellt für seine Deutung.
Die Evangelien berichten von dem zunehmenden Konflikt zwischen Jesus und den frommen Kreisen sowie den religiösen Instanzen seiner Zeit. Brisant wurde der Konflikt besonders, weil er in einer explosiven geschichtlichen Situation auftrat: Ein Mann, dem Scharen rebellischer Galiläer folgten, konnte leicht zum Führer eines blutigen Aufstands gegen die römischen Besatzer werden - mit katastrophalen Folgen.
So nahmen die Mächtigen dankbar die Anklagen der Frommen zur Kenntnis und verurteilten diesen gefährlichen Volksverführer zum Tode - nicht wegen terroristischer Pläne, die er nicht hatte und die man ihm nicht hätte nachweisen können, sondern wegen Gotteslästerung, derer er sich schuldig machte vor dem Hohenpriester in Anwesenheit des ganzen Hohen Rates. So, dass er, der ganz gerechte nach dem Gesetz Gottes vom Priester und vom Gericht dieses Gottes verurteilt wurde.
Dies alles streicht der Theologe aus der Geschichte. - "Die Römer haben Jesus gekreuzigt, weil er als König aufgetreten ist - ein Justizskandal und ein grausamer Mord war das!
Durch die Auferweckung dieses Jesus hat Gott sich auf die Seite des Opfers gestellt, auf die Seite aller Opfer von Gewalt und Verfolgung; hat er die Gewaltlosigkeit als den einzigen Weg bestätigt.
Keinesfalls hatte der Tod Jesu am Kreuz für sich irgendeine erlösende Bedeutung; sein Blut reinigt nicht von Sünden; Gott hat kein Opfer nötig um gnädig zu sein" - so ähnlich ist die Zielrichtung des theologischen Buches.
Die jüdischen Jünger damals brauchten unbedingt eine Antwort auf die Frage: "Wozu starb Jesus am Kreuz" - und eine Antwort die sie verstehen sollten, die mußte jüdisch sein.
Wie konnten Juden damals verstehen, dass der Tod Jesu am Kreuz für sie die Erlösung bedeutet?

Musik

Wie konnten die jüdischen Jünger damals verstehen, dass der Tod Jesu am Kreuz Erlösung für sie bedeutete? Das war die Frage.
Jesus hatte ihnen erklärt, dass der Christus leiden muß, um in seine Herrlichkeit einzugehen. Er hatte es erklärt aus der Schrift, von Mose bis zu den Propheten, und als sie den Auferstanden erkannten, da hatten sie es verstanden.
Doch was für eine Erlösung? Die erwartete Befreiung von der römischen Besatzung war es nicht, der sichtbare Anbruch des Gottesreiches war's auch nicht.
Und doch war es der Anbruch des Gottesreiches. Um das zu verstehen muß die geistige Situation der Jünger in den Blick kommen.
Sie waren einfache Menschen, keine Schriftgelehrten. So konnten sie nie sicher sein ob sie alle Gesetze wirklich kannten und einhielten.
Sie waren auch keine Pharisäer, die als Einzige sicher waren vor Gott in Ordnung zu sein, weil sie gewissenhaft jedes Gebot einhielten. Deshalb nannten diese sich "die Reinen" und sahen auf das gemeine Volk herab.
Und doch hatte dieser Jesus sie berufen in seine Nachfolge - und sie spürten: Er hatte viel größere Autorität als alle Schriftgelehrten und Pharisäer. Er drohte nicht mit Strafe und Gericht, er sprach von der Barmherzigkeit und Liebe Gottes.
Jedoch waren seine Anforderungen noch radikaler als die der Pharisäer: "Du sollst keinen Meineid schwören" - ja, aber jede Lüge ist ein Meineid vor Gott.
"Du sollst nicht ehebrechen" - ja, aber schon daß Begehren der Frau eines anderen ist Ehebruch vor Gott.
"Du sollst nicht töten" - schon wenn du jemandem fluchst bist du ein Mörder vor Gott.
"Du sollst deinen Nächsten, deine Freunde lieben" - ja, aber ein Feind ist auch dein Nächster, du sollst ihn lieben.
"Du sollst deine Rache für erlittenes Unrecht begrenzen - für ein Auge nur Entschädigung für ein Auge, für einen Zahn nur für einen Zahn fordern", - ja, aber räche dich überhaupt nicht, wehr dich nicht mal, überlaß das Gottes Gerechtigkeit.
"Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist".
Wer konnte dem entsprechen, wer konnte das erfüllen?
So schärfte Jesus ihr Bewußtsein für die wahre Sünde - und sie mußten sich als Sünder erkennen mit diesem Maßstab.
Und er zeigte ihnen den gnädigen Gott, der ihn gesandt hatte zum Heil der Sünder.
Natürlich waren sie überfordert. Denn kaum konnten sie etwas davon verstanden haben, da setzte die zunehmende Bedrohung ein, eine Verfolgung die am Kreuz endete.
Und sie hatten ihn alle verlassen. Petrus, der Fels unter ihnen, hatte ihn sogar dreimal verleugnet. - "Verflucht will ich sein, wenn ich ihn kenne", hatte er gesagt.
So fühlten sie sich nicht nur verlassen, auch verloren waren sie, herausgefallen aus den Ordnungen ihres Volkes; Sünder, nicht nur nach den Maßstäben ihres Meisters sondern auch Sünder nach den Maßstäben der Thora. Eine ausweglose Situation - hoffnungslos. Der, auf den sie gehofft hatten, war tot.
Wer könnte sie erlösen?

Musik

Das war Erlösung für die beiden Jünger in Emmaus: Der ihnen auf dem Weg die Schriften ausgelegt hatte, ihnen erklärt hatte, dass der Messias leiden mußte, den erkannten sie, als er das Brot brach.
"Dies ist mein Leib, der für euch gebrochen wird", so hatte er am letzten Abend zu ihnen gesprochen - und vom Wein hatte er gesagt: "Mein Blut, dass vergossen wird zur Vergebung der Sünden".
Plötzlich sahen sie klar: "Es ist genau das geschehen, was geschehen sollte zu unserm Heil".
"Geduldig wie ein Lamm, das als Opfertier geschlachtet wird" - das war er.
"Durch seine Wunden sind wir geheilt" - das war er.
"Gott warf unsere Sünden auf ihn" - das war er.
So hatte es der Prophet verheißen, so hatte Gott gehandelt - durch ihn. Die Auferstehung war der Beweis, war das Siegel.
Und damit begannen die 40 Tage, in denen ihre Überraschung zur Freude und ihre Freude zur Gewißheit wurde - "Er hat für uns gelebt, hat für uns gelitten, ist für uns gestorben - weil er uns liebt, weil Gott uns liebt, obwohl er uns er kannte. Was könnte uns von seiner Liebe, von der Liebe Gottes trennen?"
Sie sagen es weiter - es ist ansteckend.
Menschen, die sich bemühen, vor Gott in Ordnung zu sein, die sich danach sehnen, von Gott angenommen zu werden, die erfahren: "Zwischen uns und Gott steht nur der am Kreuz für uns gestorben ist. Alles was gegen uns sprach, alles was uns anklagte, alles was uns zurückhielt - es gilt nicht mehr, es ist beseitigt, er hat es auf sich genommen".
Wenn wir die ängstliche Mühseligkeit betrachten, mit der die Pharisäer, die wirklich Frommen, ihren Weg gingen, dann können wir ermessen, welche Befreiung, welche Erlösung es war, völlig frei und unbelastet vor Gott zu sein. "Abba, lieber Vater" hatte Jesus Gott genannt - so dürfen seit Ostern alle sprechen, die sich auf Jesus berufen.
Ein Pharisäer, Paulus, der das erlebt hatte, fand die Worte und Bilder, um den Zugang auch den Heiden zu öffnen - aber das war schon nach den 40 Tagen von denen wir reden. Und immer wieder durch die Jahrhunderte fanden Menschen Worte, mit denen sie die Botschaft von Jesus dem Gekreuzigten in ihre Zeit sprachen, so daß Menschen den Zugang fanden und wagten.
Meine Erfahrung und die Erfahrung vieler Menschen in unserer Zeit beweisen, dass dieser Zugang immer noch offen ist, dass die Einladung Gottes, die er dort am Kreuz offenbart hat, immer noch gilt.
Freilich, wenige gibt es, die sich, wie die Pharisäer damals, bemühen, fromm und gerecht zu leben um von Gott angenommen zu werden - aber sehr viele gibt es, die gebunden und verstrickt sind in die Folgen von Schuld - eigener Schuld und Schuld der anderen - und die sich nach Befreiung, nach Erlösung sehnen, ohne zu sehen oder auch nur zu ahnen, woher sie kommen könnte. Denen gilt heute die gleiche Botschaft, die damals die Jünger frei gemacht hat zu einer begeisterten Freude. "Er hat für uns gelebt, er ist für uns gestorben - und er lebt. Wir können mit ihm leben."

Wen Du das im Herzen hörst, dann sag "Danke" und laß dich darauf ein. Ich verspreche dir spannende 40 Tage, die deine Welt verändern.

Dr. Hans Frisch