Mariä Himmelfahrtgesendet am 15. August 1999 von Dr. Hans Frisch | 
     
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Wer Nürnberg kennt, der kennt auch die Sebalduskirche. 
  Wer die Sebalduskirche kennt , der hat auch die Maria im Strahlenkranz in Erinnerung.
  Wer nicht, der sollte es nachholen.
Diese Strahlenkranzmadonna ist für mich eine der schönsten Mariendarstellungen. 
  Nicht die junge Jungfrau Maria mit dem Kind, eine reife, schon etwas ältere 
  Mutter hat ihr Kind auf dem Arm, sie hält es auf der linken Seite, herzt 
  es aber nicht, ihr Blick ist eher aufmerksam - ernst und ganz gesammelt. Es 
  ist ein ganz normales Kind. Da wo die Hand der Mutter zugreift, drückt 
  sich die Haut des Oberschenkels etwas ein.
  Die Mondsichel unter ihren Füßen , der goldene Strahlenkranz um ihren 
  Körper, die Krone, welche fliegende Engel ihr aufsetzten - das alles tritt 
  wie Beiwerk in den Hintergrund.
Erst als ich anfing über die heutige Sendung am 15. August , Mariä 
  Himmelfahrt, nachzudenken, bekam dieses Beiwerk wirklich Bedeutung.
  Johannes beschreibt in der Offenbarung, der Apokalypse, eine gewaltige Vision. 
  "Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der 
  Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt 
  eine Krone von zwölf Sternen." 
  Diese Frau ist schwanger und schreit unter dem Schmerz des Gebärens. Vor 
  ihr steht ein gewaltiger Drachen mit 7 Köpfen, sein Schwanz fegt ein Drittel 
  der Sterne vom Himmel, der Drache wartet, daß er das Kind verschlingt, 
  wenn es geboren ist.
  "Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte 
  mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron.
  Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von 
  Gott, daß sie dort ernährt werde tausendzweihundertundsechzig Tage."
  Daraufhin begann ein großer Krieg im Himmel. Der Erzengel Michael kämpfte 
  gegen den Drachen - den Teufel mit seinem Heer. Der besiegte Drache wurde auf 
  die Erde geworfen, seine Engel mit ihm. In gewaltiger Wut verfolgt er hier die 
  Frau und ihre gottesfürchtigen Genossen.
  Bei der Strahlenkranzmadonna zeigen Mond, Sonne und Sternenkrone, daß 
  es sich um diese Frau der Johannes-Vision handelt - um diese dramatische, apokalyptische 
  Geschichte. 
Aber davon ist bei der Maria in der Sebalduskirche nichts zu sehen. - Ein Bild des Friedens, ein Knabe von fast einem Jahr; nicht die Spur von Angst, Schmerz oder Schrecken bei der Mutter. Es ist eindeutig die Maria der Weihnachtsgeschichte, die da mit den Zeichen der apokalyptischen Frau dargestellt ist. Und damit wird Maria in eine neue Dimension gehoben. Die Plastik zeigt einen wesentlichen Schritt in der "Himmelfahrt Mariens".
Aus der einfachen jüdischen Frau, deren Demut Luther in den höchsten Tönen lobt, wird eine Gestalt im Himmel, die mit dem Kampf Michaels gegen den Teufel und sein ganzes Heer zu tun hat. Diese Verbindung von Weihnachtsgeschichte und Apokalypse hat mit der Bibel zwar nichts zu tun, aber um so mehr mit der Volksfrömmigkeit. Nach der Musik wollen wir einmal versuchen, da etwas genauer hinzuschauen.
* * * Musik * * *
 Die Volksfrömmigkeit hat sich Maria angeeignet, und das schon sehr früh.
  Es fing damit an, daß aus den bewunderten und verehrten Glaubensvorbildern 
  - die meist als Märtyrer in den Christenverfolgungen gestorben waren - 
  Heilige wurden, die man um Fürsprache bei Gott bitten konnte. Bald zählten 
  auch besonders fromme und wundertätige Menschen zu den Heiligen.
  Als dann die christliche Kirche in Rom zur Staatskirche wurde und als bei der 
  Christianisierung Europas sehr viele Menschen - oft fast über Nacht - zu 
  Christen wurden - da mußten feste Bräuche , heilige Feste und heilige 
  Orte auch christlich werden.
  Die Kapelle eines Heiligen mit einigen seiner Knochen konnte da schon ein heidnisches 
  Heiligtum auf einem Berg oder an einer Quelle ersetzen. Und ein Stoßgebet 
  zum diesem Heiligen ging leichter aus dem Herzen und über die Lippen als 
  ein Gebet an den neuen fernen Gott, - der wohl auch oft als recht streng und 
  sehr anspruchsvoll dargestellt wurde.
  Viel leichter ( und einträglicher ) war es für die Kirche, solche 
  Frömmigkeit zu fördern, als die Angst durch geduldiges Predigen des 
  Evangeliums zu überwinden. 
  Mittelpunkt und Zentrum in dem anwachsenden Heer der Heiligen,- die Königin 
  aller Heiligen - wurde seit dem 4, Jahrhundert Maria, die Mutter Jesu - die 
  "Gottesgebärerin". - ihr gebührte eine größere 
  Verehrung als allen anderen Heiligen. Und diese Verehrung wuchs in den Jahrhunderten, 
  sie brachte wunderbare Blüten in der Literatur, in der Malerei und in der 
  Plastik. Hervor, sie wurde zum Ziel ritterlichen Lebens, beeinflußte die 
  Architektur gotische Dome und brachte Millionen und Abermillionen Menschen Trost 
  und Hoffnung
* * * Musik * * *
Wir haben hingeschaut auf die Maria der Volksfrömmigkeit. Das ist nur 
  ein kleiner Teil der Marienverehrung und der "Mariologie" - aber es 
  ist der lebendigste Teil.
  Dieser Glaube wurde 1950 wirklich dogmatisch in der katholischen Kirche integriert 
  - als der Papst kraft seines "Unfehlbarkeitsanspruchs" die leibliche 
  Himmelfahrt Marias als Dogma verkündete. Sicher wurde dadurch die Bindung 
  sehr vieler Menschen an die katholische Kirche gefestigt - aber die Abgrenzung 
  gegenüber Menschen, die diesen Glaubenssatz nicht annehmen können 
  wurde verhärtet. So ging Maria gewissermaßen in den Besitz der katholischen 
  Kirche über - nur wenige evangelische Gruppen haben sich ihr stärker 
  zugewandt.
Aber hatte nicht Jesus selbst seine Mutter abgewertet? Als ihm gesagt wurde: Draußen sind deine Mutter und deine Brüder, antwortet er: "Wer sind meine Mutter, wer sind meine Brüder? Alle die den Willen meines Vaters im Himmel tun sind mir Mutter und Bruder."
Man könnte diese Worte aus dem Zusammenhang der sehr unruhigen Zeit vor der Passion herauslösen - als die Familie versuchte, Jesus von dem Weg in die Katastrophe zurückzuhalten. Doch ein Bild von Maria kann man nur bekommen, wenn alles, was die Evangelien von ihr berichten, zusammen gesehen wird: Eine fromme junge Frau - wahrscheinlich noch ein Teenager - bekommt die Botschaft und die Gewißheit: "Du wirst Mutter des Retters, den Gott deinem Volk verheißen hat." Und sie sagt JA dazu "Ich bin des Herren Magd."
Überliefert ist der Gruß der Elisabeth und das Lobgebet Marias, 
  das Magnifikat. Das sollte man von Zeit zu Zeit wieder einmal lesen im Lukasevangelium.
  Die Hirten, die Weisen aus Babylon und die Flucht nach Ägypten blieben 
  Maria gewiß in Erinnerung, aber als der 12-jährige Jesus beim Passahfest 
  in Jerusalem verschwunden ist, da reagierte sie wie eine ganz normale Mutter: 
  "Was fällt dir ein, wir haben dich überall gesucht!" Ihr 
  Sohn antwortet: "Mutter, weißt du nicht, daß ich im Hause Gottes, 
  meines Vaters sein muß?"
Bei der Hochzeit in Kana, da glaubt sie, daß ihr Sohn wunderbar Wein herbeibringen kann - aber, als dann 2 Jahre später das Gegenteil von dem passiert, was sie erwartet hat - er wird nicht begeistert begrüßt sondern angefeindet und mit dem Tode bedroht - da siegt ihre mütterliche Sorge über ihren Glauben.
Dann, unter dem Kreuz, da steht die Mutter zusammen mit dem Lieblingsjünger ihres Sohnes - und der Sterbende stiftet die Verbindung zwischen beiden - zwischen der Mutter und dem Jünger, zwischen seiner Herkunft und seiner Zukunft, zwischen dem Alten Testament und dem Evangelium.
Ich glaube, diese Frau verdient Beachtung und Achtung, Bewunderung und Verehrung, auch unser Mitgefühl und unser Mitleid. Daß sie später in Ephesus zusammen mit Johannes gelebt hat, ist glaubhafte Überlieferung. Wenn aber dieser Johannes bei seiner Vision von der Frau mit Mond, Sonne und Sternen die Züge der Maria mitgeschaut hätte, dann gewiß nicht die der Maria von Betlehem sondern der von Golgatha!
In der Sebalduskirche sind sie alle zu sehen: Hinter der Orgel die Jungfrau mit dem Buch und der Engel Gabriel, rechts an der Säule die Mutter Maria mit dem Kind, vorn beim Veit-Stoß-Kruzifix Maria und Johannes unter dem Kreuz und links an der Säule die Strahlenkranzmadonna.
Wenn wir Nichtkatholiken diese (und auch die anderen) Marienbildnisse und Mariendarstellungen bewußter sehen, dann hätte Mariä Himmelfahrt 1999 auch für uns eine gute Bedeutung.
Dr. Hans Frisch
mehr bei uns:
  Maria-Himmelfahrt - Wo 
  ist es in Bayern gesetzlicher Feiertag?
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