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       gesendet am 7. November 1999 von Jürgen Valenta  | 
     
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In unserer Reihe "Personen im Alten Testament" geht es heute um Elia. Elia gilt nach Mose als der größte Prophet im Judentum. Seine Geschichte wird im Alten Testament der Bibel geschildert, im 1. Buch der Könige. Elia lebte ein aufregendes Leben. Er ließ sich von Gott auf Himmelfahrtskommandos schicken. Die Aufträge, die er ausführte, waren in der Regel extrem lebensgefährlich. Elia konnte sie nur ausführen, weil er gelernt hatte, sein eigenes Leben loszulassen. Er hing nicht an seinem eigenen Wohlergehen und er drehte sich nicht egoistisch um seine eigenen Bedürfnisse. Dabei erlebte er: Es geht. Wenn ich mein Leben Gott anvertraue, dann versorgt er mich mit dem was ich brauche. Gott läßt mich nicht hängen. Wie alle Propheten hat auch der Dienst von Elia zwei Seiten: Er kämpft einmal gegen Religionsvermischung und dann auch für Gerechtigkeit im Umgang der Menschen miteinander.
Man schreibt das Jahr 875 v. Chr. Im Nahen und Mittleren Osten geht es genauso drunter und drüber wie es dort in unserem Jahrhundert zugeht. Die Staaten stehen sich waffenklirrend gegenüber. Und schon damals waren diese Auseinandersetzungen nicht nur politisch, sondern auch religiös begründet. Es waren in gewisser Weise Glaubenskriege: Wer den stärkeren Gott hat, der siegt.
Aber es war nicht nur außenpolitisch eine unruhige Zeit. Auch in Bezug auf das geistliche Leben in Israel war ein Tiefpunkt erreicht. Der Grund dafür lag in der religiösen Ausrichtung des politischen Führers. König Ahab regierte mit seiner Frau Isebel 22 Jahre lang. Ahab hat aber nicht nur den Götzendienst seiner Väter weitergeführt. Durch seine Frau beeinflußt, hat er auch noch eine neue Religion in Israel eingeführt, den Baalskult.
Und dagegen steht Elia. Er hat den Beruf eines Propheten. Propheten sind Menschen, 
  die an der Schnittstelle zwischen Gott und seinem Volk leben. Sie hören 
  auf die Wünsche und Weisungen Gottes und vermitteln sie an das Volk weiter. 
  
1. Teil: Elia, der Mutige
Stellen wir uns folgende Stellenanzeige in der Zeitung vor:
 Fette Überschrift: Freiwillige gesucht! 
   Bedingung: Irrer oder Selbstmörder. 
    
   Aufgabe: 
   Nach Bagdad fliegen, sich vor den Schreibtisch von Sadam Hussein stellen 
  und dort verkünden, daß sein Allah in Wirklichkeit kein Gott ist 
  und daß der islamische Glaube für die Ewigkeit nicht taugt. 
    
Wer würde sich auf diese Stellenausschreibung melden? Wer würde sich um diesen Job bewerben?
Kaum jemand. Die Wahrscheinlichkeit, daß man dieses Himmelsfahrtskommando überlebt, ist gleich null.
Um das Jahr 875 vor Christus schreibt Gott so einen ähnlichen Posten aus. Und er findet tatsächlich jemanden, der zur Ausführung dieses Auftrags bereit ist. Elia heißt er.
Elia ist bereit, Todesangst auszuhalten. Er ist bereit, sein Leben zu riskieren, um die Botschaft Gottes loszuwerden. Es ist ihm wichtiger, daß Gottes Wille ausgeführt wird, als daß er selbst ein sicheres Leben führen kann.
Elia ist als Prophet für die geistliche Situation des Volkes Israel verantwortlich. Gemeinsam mit dem politischen Herrscher, dem König, bildet er die Führung des Volkes. Gott stellte oft neben einen König einen Propheten (Saul - Samuel, David - Nathan, Ahab - Elia). Der Job eines Propheten ist es, auf das zu hören, was Gott sagt und dieses dann seinem Volk weiterzusagen. Der Prophet bildet im Alten Testament sozusagen die Schnittstelle zwischen Gott und Menschen.
Der politische Führer zur Zeit des Elia ist der König Ahab. "Elia und Ahab" - diese beiden Namen tauchen 19 Mal als Wortpaar auf, eine feste Formulierung. Nur das Wortpaar "Elia und Gott" lesen wir öfter, nämlich 22 Mal.
Ahab ist der politische Herrscher, der König. Ihm gegenüber steht 
  Elia, die geistliche Autorität im Lande, der Prophet. 
    
Insgesamt 22 Jahre lang regiert Ahab. Mit seiner Frau Isebel führt er 
  einen neuen religiösen Kult in Israel ein, den Baalskult. Und deshalb erreicht 
  das geistliche Leben in Israel während der Regierungszeit von König 
  Ahab seinen absoluten Tiefpunkt. 
  Das Urteil Gottes über diesen König Ahab ist vernichtend: "Ahab tat 
  mehr als alle Könige Israels, um Gott zu erzürnen." (1. Kö. 16,33) 
Eine durchaus kritische Situation. Denn wir dürfen ja nicht vergessen, daß das damalige Israel als Staatsform keine Demokratie ist, sondern eine Theokratie. Gott, griechisch Theos, ist der eigentlich Regierende. König und Prophet sollen seine Anweisungen umsetzen und auf die Einhaltung seiner Regeln und Gesetze achten.
Was der König Ahab anstellt, mißfällt Gott. Es bedroht den Frieden in Israel. Deshalb beauftragt Gott in dieser Phase seinen Propheten Elia. Er soll Ahab zurechtweisen und wieder auf den richtigen Weg bringen.
Der Name von Elia ist so etwas wie sein Programm: Elia heißt auf Deutsch: Mein Gott ist Jahwe.
"Elia", das heißt:  Mein ganzes Volk kann abtrünnig werden, 
  es kann hingehen   und fremde Götter anbeten. Mein Gott ist und 
  bleibt Jahwe.   Ich halte an Jahwe fest. 
    
Dieser Elia taucht eines Tages vor dem Schreibtisch Ahabs auf. Gott hat ihn 
  geschickt und Elia verkündet: 
   "Es soll weder Tau noch Regen kommen, bis ich es wieder sage." 
   (1. Kö. 17,1) 
Diese Botschaft bedeutet für Elia Todesgefahr. Warum? Was bedeuten seine Sätze? Was hat der Regen, ob er fällt oder nicht, mit dem Götzendienst von Ahab und Isebel zu tun?
Die Brisanz der Botschaft von Elia wird deutlich, wenn wir uns anschauen, was 
  
  für ein Götze dieser Baal eigentlich gewesen ist. Baal heißt 
  auf deutsch eigentlich soviel wie "Herr". 
Jahwe, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, also der Gott des Volkes Israel, heißt auch "Herr".
Baal beansprucht also den Namen Gottes für sich. Er soll Jahwe vergessen machen. Israel soll sich von dem Gott der Väter abwenden und diesen Baal als Herrn anbeten. Das ist ja, kurz gesagt, das Ziel eines jeden Götzen, auch unserer Götzen, sie wollen, daß wir Gott vergessen.
Baal wird als Wettergott verehrt. Er bestimmt Sonne und Regen. Er regiert über 
  Hitze und Kälte. Von ihm hängt die Ernte ab. Ist er böse mit 
  dem Volk, bedeutet dies Trockenheit und eine schlechte Ernte. Baal, der Herr 
  des Wetters. Klar, daß man sich mit ihm gut stellen muß. 
    
Als Elia seine Botschaft dem König Ahab entgegenschleudert, nimmt er damit den Kampf auf gegen Baal. Und das war unerhört. Dafür gab es bislang kein Beispiel. Dieser Mut hat eingeschlagen wie eine Bombe. Vielleicht hat Ahab mitsamt seinem Hofstaat darauf gewartet, daß sein Wettergott den Elia mit einem Blitz zu Boden schleudert und ihn vernichtet. Aber das geschah nicht.
Nichts geschah. Außer, daß Elia sich aus dem Staub macht. 
    
        
2. Teil: Elia, der Depressive 
    
Elia hat also den Kampf aufgenommen um das Wohl seines Volkes. Und das Wohl des Volkes hat im jüdischen und auch im christlichen Glauben ganz eng etwas zu tun mit dem Gehorsam der Menschen gegenüber Gott. Zur Zeit des Elia geht es um die Frage des Synkretismus, der Religionsvermischung.
Da hat Elia nicht die Augen zugemacht und gesagt: "Was geht es mich an, was 
  die andern glauben. Glaube ist doch Privatsache. Bin ich verantwortlich dafür,  
  ob es meinem Volk gut geht oder nicht? Sie sind doch selber schuld. Warum müssen 
  sie auch an diesen Götzen Baal glauben." 
    
  Nein, Elia hat sich nicht egoistisch in sein Haus zurückgezogen und hat 
  die Entwicklung in der Gesellschaft von außen betrachtet. Er hat gewußt, 
  daß bei dem Kurs von König Ahab nicht nur der innen- und außenpolitische 
  Friede in Gefahr ist, sondern auch auch die Identität des Volkes. Diese 
  Identität Israels fußt bis heute auf dem Wissen, daß Gott Israel 
  als sein Volk auserwählt hat. Das heißt: Gott hat sich entschieden, 
  durch sein Handeln an Israel und durch seinen Umgang mit Israel deutlich zu 
  machen, wie er ist. 
Und diese Identität steht auf der Kippe. Das erkennt Elia und er zieht daraus verantwortungsvoll die Konsequenzen. Er weiß,was dran ist. Deshalb steht er auf und macht seine Sache.
Natürlich kostet das Kraft. Und die Auseinandersetzung um den Baalskult ist mit dem vorhin geschilderten Auftritt vor dem Thron des Königs noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil - sie fängt erst richtig an und dauert fast drei Jahre. Elia hat zu erkennen gegeben, daß er mit dem Kurs vom König Ahab nicht einverstanden ist. Der Machtkampf um den rechten Weg gipfelt darin, daß Elia die Priester des Baalkultes tötet, 450 Baalspriester müssen ihr Leben lassen. Eine grausame Angelegenheit.
Aber: Der Tod der Priester des Wettergottes bedeutet auch das Ende der Trockenzeit. Nach fast drei Jahren regnet es wieder in Israel. Und damit ist deutlich für alle in Israel, daß nicht Baal, sondern Jahwe der Gott ist, der angebetet werden soll.
Das erkennt natürlich auch der König Ahab. Seine Frau Isebel aber gibt nicht so schnell auf. Sie will ihre Verehrung von Baal nicht so schnell aufgeben. Deshalb schickt sie einen Boten zu Elia, der ihm ausrichten soll, daß sie ihn innerhalb der nächsten 24 Stunden umbringen wird.
Diese Ankündigung läßt den Elia in eine tiefe Depression fallen. Es scheint, als ob die bisherige Auseinandersetzung seine ganze Energie und Kraft aufgebraucht hat. Und obwohl er anfangs furchtlos in den Königspalast von Ahab und Isebel gegangen ist und gegen ihren Baalskult gewettert hat - jetzt stürzt er innerlich ab.
In der Bibel heißt es, ich zitiere:
 "Da packte Elia die Angst, und er floh, um sein Leben zu retten... und 
  
                  
  wünschte den Tod herbei. "Herr, ich kann nicht mehr", seufzte er, 
                 
  "Laß mich sterben. Ich bin nicht besser als meine Vorfahren." 
                 
  Dann legte er sich unter einen Ginsterstrauch und schlief ein." (1. Kö. 
  
                 
  19, 3-5) 
    
Elia will sterben. Er hat genug von den ständigen Auseinandersetzungen und Kämpfen. Er fühlt sich leer. Er will sterben. Er kann nicht mehr.
Gott sieht das. Aber Gott läßt den Elia nicht los, so nach dem Motto: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan." Nein, Elia ist ihm nicht gleichgültig. Gott hat noch was mit ihm vor. Deshalb schickt Gott einen Engel, der den Elia mit Brot und Wasser versorgt und dann gibt er ihm einen neuen Auftrag. Er soll einen anderen zum Nachfolger des Königs Ahab einsetzen. Und für sich selber soll er auch einen Nachfolger berufen.
Gott läßt den Elia also nicht in seiner Depression versumpfen. Er richtet seinen Blick auf ein neues Ziel. Gott gibt ihm eine neue Perspektive.
Und Elia läßt sich darauf ein. Er hängt sich nicht an seinen 
  Gefühlen fest, sondern er entschließt sich: Ich mache weiter. Wenn 
  Gott mich nicht hängen läßt, wenn er zu mir steht, wenn er mir 
  eine neue Perspektive gibt - dann kann ich mich auch nicht hängen lassen. 
  Dann werde ich auch zu meinem Auftrag stehen, dann mache ich weiter. 
    
    
      
3. Elia, der Gerechte 
    
Die Tätigkeit des Elia ist aber nicht nur gegen drohende Religionsvermischung gerichtet. Er hat auch seine sozialpolitische Verantwortung als führende Persönlichkeit in der Gesellschaft wahrgenommen.
Die Geschichte um den Weinberg von Nabot macht das deutlich. Elia macht hier klar, daß jeder einzelne seine unantastbaren Rechte in der Gesellschaft hat und daß es nicht richtig ist, wenn der stärkere, in dem Fall der König, sich auf Kosten des schwächeren bereichert.
Die Geschichte vom Weinberg Nabots ist schnell erzählt: Nabot ist ein einfacher Bürger mit etwas Besitz. Ein kleiner Weinberg, der in seiner Familie von Generation zu Generation weitervererbt wurde. Direkt angrenzend an seinen Weinberg liegt die Sommerresidenz des Königshauses.
Schon oft hat Ahab mit dem Grundstück von Nabot geliebäugelt. Er könnte es gut gebrauchen, um seinen Gemüsegarten zu erweitern. Aber alles verhandeln mit Nabot nützt nichts. Nabot ist zum Verkauf nicht bereit.
Der Grund für sein Nein liegt darin, daß es sich bei dem Weinberg um ein Familienerbstück handelt, das bereits seit Generationen weitergegeben wurde. Es hat eben nicht nur einen materiellen, sondern auch einen ideellen Wert. Daher ist der Weinberg für Nabot einfach nicht verkäuflich, unabhängig vom Gebot eines Interessenten. Und wenn's der König selber ist.
Ahab ist auch Nabot ziemlich sauer - und das merkt man ihm auch an. Seine Frau 
  Isebel, denkt sich einen teuflischen Plan: Nabot soll sterben. 
  Dazu werden Leute bestochen, die mit einer Falschaussage Nabot etwas anhängen. 
  Er wird wegen Gotteslästerung angeklagt, dem Gesetz gemäß zum 
  Tode verurteilt und gesteinigt. 
Der Weg zu seinem Weinberg ist frei für Ahab.
Als Elia von der Geschichte hört, platzt ihm die Hutschnur. Er, der geistliche 
  Führer geht schnurstracks zum König Ahab, dem politischen Führer. 
  Und Elia bezichtigt den Ahab des Mordes und des Raubes. Und er kündigt 
  ihm und seiner Frau Isebel einen grausamen Tod an. 
    
Was ist passiert?
Ahab und Isebel haben die Rechte eines anderen gebeugt. Sie, die als politisch Verantwortliche eigentlich das Wohl der Bürger zu fördern haben, haben Leben und Besitz von Nabot nicht geachtet. Und da muß Elia eingreifen, ja, da muß Gott eingreifen. Gott kann es nicht hinnehmen, daß sich der einzelne auf Kosten eines anderen bedient. Es geht nicht an, daß der sich durchsetzende Egoismus des einzelnen den Besitz, die leibliche Unversehrtheit ja sogar die nackte Existenz des anderen gefährdet. Und das hat aktuellen Bezug. Da werden in der Bibel Handlungsmaxime und Wertmaßstäbe deutlich, die dem Wohlergehen eines Volkes und einer Gesellschaft förderlich sind - auch dem Wohlergehen unseres Volkes und unserer Gesellschaft.
Johannes Rau, unser heutiger Bundespräsident, sagte bereits 1994 in einem 
  Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT: 
   "Es gibt in den letzten Jahrzehnten einen Prozeß der Individualisie 
  rung, der auch Akzente der Entsolidarisierung hat. Es gibt eine Art von  
  Selbstentfaltung, die so absolut gesetzt wird, daß dabei ihr Bezug zur  
  Solidarität oder zur Nächstenliebe nicht mehr vorkommt. Das  
  Gefährliche ist, die Solidarität immer nur von denen einzufordern,  
  die sie nötig haben, und nicht von denen, die bereit sein müßten, 
  sie zu  geben. Mich stört jene Diskussion, in der ein Fabrikdirektor 
  sagt: "Wir  müssen den Gürtel enger schnallen" und damit Lohnverzicht 
  meint -  aber Lohnverzicht nicht für Fabrikdirektoren, sondern für 
  die, die ihre  Löhne vom Fabrikdirekor bekommen. Ich will damit keinen 
  veralteten  Klassenkampf führen, sondern ich glaube, daß dies 
  auch etwas mit der  Vorbildfunktion derer zu tun hat, die in dieser Gesellschaft 
  Leitbilder  darstellen und herstellen." 
   (Johannes Rau: Ich möchte ein guter Patriot sein. Ein Interview in:  
  DIE ZEIT, Nr. 19, vom 6.5.1994, Seite 3) 
Soweit das Zitat von Johannes Rau. 
    
Die Reaktion von Elia in der Geschichte vom Weinberg des Nabot macht genau 
  dies deutlich: Es geht darum, Ungerechtigkeit und falsches Handeln beim Namen 
  zu nennen und auch zu bestrafen. Und zwar unabhängig von der gesellschaftlichen 
  Stellung des Täters. Ahab ist immerhin der König. Aber Elia kneift 
  nicht, sondern geht zu ihm hin, stellt ihn zur Rede und verurteilt ihn. 
    
Da kann Elia uns zum Vorbild werden: 
  Elia hat Rückgrat bewiesen. Nein, ihm geht es nicht nur um Religion, nicht 
  nur um den richtigen Glauben. Es geht ihm um das ganz praktische Leben. Um den 
  Umgang miteinander in der Gesellschaft. Da hat er die Augen und die Ohren offen 
  gehalten. Da hat er sich von Gott Maßstäbe setzen lassen, die ihn 
  kritik- und urteilsfähig machen. Und er hat den Mumm gehabt, auch seinen 
  Mund aufzum 
Jürgen Valenta
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