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Jahreslosung 2005
gesendet am 06.01.2005 von Dr. Hans Frisch
 

„Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhöre“
Lukas 22, Vers 32

Das klingt wie ein frommer Wunsch, den wir uns von Zeit zu Zeit gegenseitig zusprechen sollten!

Dass der Glauben verloren gehen kann, das wissen wir. Wahrscheinlich ist bei vielen, die betroffen sind von den furchtbaren Folgen der Flut in Südostasien der Glaube schwerer geworden. Auch wir, die nur Zuschauer sind, haben auf die Frage: „Wie kann Gott das zulassen?“ keine Antwort. Da kann der Glaube schon scheitern. – „Davor möge Gott uns bewahren!“ ist da ein ernsthaftes Gebet.

Oft ist es so: Wenn wir ein Wort aus der Bibel für sich nehmen, es herauslösen, dann fängt es an zu reden in unsere Situation, wir können es hochhalten und drehen und wenden und es beginnt zu scheinen wie ein geschliffener Stein. So dürfte auch diese Jahreslosung uns in den kommenden 12 Monaten immer wieder aufleuchten in verschiedenen Situationen und antworten auf verschiedene Fragen.

Meistens verliert ein so heraus gelöstes Wort aber an Spannung und Tiefe - so auch dieser Vers.

Wer sagt es wem, wo, wann, warum?

Jesus spricht hier Petrus an, den Petrus, von dem er gesagt hatte: „Du bist der Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will“, Petrus, der zu Jesus gesagt hatte: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“

Es ist in Jerusalem, am Gründonnerstag, dem Tag vor Karfreitag. Jesus hatte mit seinen Jüngern das letzte Mahl gefeiert, am Passahfest, hatte das Brot gebrochen und den Segensbecher des jüdischen Passamahls als Symbol für seinen Tod gesetzt, hatte dem Judas das Stichwort gegeben, so daß der Verrat im richtigen Zeitpunkt geschieht und brach auf, um im Kidrontal, in Gethsemane zu beten und seine Verhaftung zu erwarten. Da sagt er unvermittelt zu Petrus:

„Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“

Jetzt haben wir hingeschaut, wer es wem sagt, wo und wann das war, aber warum?, das ist immer die schwierigste Frage, selten gibt es darauf eine klare Antwort.

Wir wollen sie nach der Musik trotzdem stellen.

* * * Musik * * *

Warum sagt Jesus zu den Jüngern: „Der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen...“, und warum spricht er Petrus direkt an?

Man wird sagen: „Jesus war der Sohn Gottes und wußte Bescheid um Satan und seine Absichten; er wußte auch im voraus, was geschehen wird.“ Doch Jesus war Mensch, er war ein Jude unter Juden und hatte sein Wissen von sich, von seiner Sendung und seinem Schicksal aus dem Wort Gottes, dem Alten Testament.

Er kannte das Buch Hiob und den Auftritt des Satans vor Gott.

Wie jedes Jahr tritt der zusammen mit den „Gottessöhnen“, den Erzengeln zum Rapport an, und hat eigentlich nicht viel zu berichten. Als Gott ihn nach seinem Liebling Hiob befragt, diesen ganz Frommen, da sagt Satan: „Du hast ihn ja bestochen mit all dem Segen und Reichtum, den du ihm schenktest. Nimm alles weg, und du wirst sehen, er flucht dir ins Angesicht!“

Gott gibt Satan freie Hand - und eine Katastrophe nach der andern kommt über Hiob, bis er ein armer Mann ist, alle seine Söhne sind tot.

„Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt“ sagt Hiob zu seiner Frau, die ihn verspottet ob seiner Frömmigkeit.

Doch Satan macht einen zweiten Versuch: „Alles gibt der Mann für seine Haut, noch ist Hiob gesund. Wenn er leidet, wird er dir fluchen.“

Es wird ein schlimmes zweites Jahr der Versuchungen. Hiob sitzt in der Asche, schabt sich den Eiter aus den Geschwüren, wünscht sich den Tod. Eine Woche sitzen die Freunde wortlos bei ihm, man muß das lesen im Buch Hiob. Er rechtet mit Gott. Die Freunde reden in theologischer Correctness vom „gerechten Gott“, der keinen Unschuldigen straft, und Hiob wird immer wütender. Bis Gott ihm in seiner Macht und Herrlichkeit erscheint - und ihm recht gibt.

Es ist eine gewaltige Geschichte die billige und banale Gottesbilder zerschmettert. Und diese Geschichte zitiert Jesus hier. Was Luther übersetzte mit „der Satan hat begehrt euch zu sieben wie den Weizen“ heißt eigentlich: „Satan hat sich ausgebeten, euch zu sieben“, er hat sich „ausbedungen“, er hat „eure Auslieferung“ aus der Gewalt Gottes verlangt - wie damals bei Hiob!

Jesus wußte aus dem Wort Gottes, was jetzt auf dem Spiel stand, er spürte und konnte nachempfinden, welche Anfechtung sein Tod für die Jünger sein wird, und er kannte die geistigen Widerstände gegen seine Sendung, die durch den Opfertod am Kreuz Erlösung der Menschheit bringen sollte.

„Und führe uns nicht in Versuchung“ hatte er als letzte Bitte im Vaterunser den Jüngern mitgegeben - und jetzt mußte eine Versuchung kommen, der sie nicht standhalten konnten. „Du wirst mich dreimal verleugnen, ehe der Hahn einmal kräht“, das war absehbar trotz aller echten guten Vorsätze, die Petrus hatte.

Wie Gott damals gehofft hat, daß Hiobs Glaube die Anfechtung übersteht, so hofft hier Jesus, daß Petrus seinen Glauben nicht verliert, trotz allem was kommt - und er bittet Gott seinen Vater und unsern Vater darum. Und er hat die Zuversicht, daß Petrus sich dereinst bekehrt, daß er zurückfindet in den Glauben und danach so gestärkt ist, daß er seine Brüder, die anderen Jünger, stärken kann. Auch diese Zuversicht konnte er aus der Hiobsgeschichte herauslesen, sie hat wahrlich ein Happy-End.

Ich meine, es lohnt sich schon, solche Verse in ihrem Zusammenhang zu lassen und zu betrachten.

Ob sie auch für uns zu leuchten beginnen, danach wollen wir nach der Musik fragen.

* * * Musik * * *

Als im Jahr 1755 ein Erdbeben, verbunden mit einer Flutwelle die Stadt Lissabon völlig zerstörte und 30.000 Menschen umkamen, da meinte Voltaire, der aufgeklärte berühmte französische Schriftsteller und Gelehrte, hier sei ein Beweis gegen einen Gott - denn wo war er, als dort die Katastrophe geschah?

„Wo war Gott?“ so stand es am Neujahrstag groß über der ersten Seite der Bild-Zeitung, und darunter Bilder von der Flutkatastrophe und Berichte von Menschen, deren Verwandte dort im Urlaub umgekommen sind. Wahrscheinlich geht uns das Unglück dort so nah, weil es Menschen unserer Umgebung mit betroffen hat - anders als die großen Erdbeben in Japan und im Iran.

Denn - 160.000 Tote, daß ist schrecklich, aber die eigenen Kinder, die eigene Frau, enge Freunde verlieren, das trifft uns ganz direkt - da brechen Fragen auf, die uns niemand beantworten kann.

Eigentlich dürfte die Frage, wie Gott so etwas Schlimmes zulassen kann nur jemand stellen, der alles Gute und Schöne auch von Gott angenommen hat als Geschenk – doch kann man das keinem sagen, der vom Leid betroffen ist. Aber wir, die verschont sind, dürfen schon einmal fragen, ob das selbstverständlich ist!

Wir haben gesehen, die Jahreslosung handelt von einer Katastrophe, der Katastrophe am Kreuz. Hat die etwas mit uns zu tun?

Damals starb einer unschuldig am Kreuz, heute sind über 160.000, vielleicht sogar 200.000 Tote zu beklagen; und wenn wir mit den Augen Gottes sehen würden, dann würden wir die fast 50.000 Opfer von Morden und Gewalt, die seit dem Zeitpunkt der Flutwelle geschehen sind (alle 40 Sekunden geschieht ein Mord auf der Welt), die 90.000 Aidstoten in dieser Zeit, die vielen, vielen Krebstoten und auch die Unfallopfer vor uns sehen. Wo ist da Gott?

Bei Gott haben die 100.000 und die Millionen Opfer jedes einzelne ein eigenes Schicksal und ein eigenes Gesicht - so wie Jesus damals als der Eine starb. Als er schrie „Mein Gott mein Gott warum hast mich verlassen“, da war Gott ihm am Nächsten, denn da hat er unsere Schuld und unser Leiden auf sich genommen.

Das wird kaum jemand die Schmerzen lindern oder die Trauer auflösen, aber wenn wir nach Gott fragen, dann können wir das nicht verschweigen.

Auch wenn wir nichts von Gott spüren, auch wenn wir schreien und wütend werden, auch wenn wir mit Gott und unsern Schicksal hadern - er ist uns nahe. Wir brauchen das nicht zu begreifen, wir brauchen es nicht einmal zu glauben – „dereinst“ kann es uns geschenkt werden, daß wir Danke sagen - nicht nur für unser Glück sondern auch für das Leid, das wir überstanden haben.

Hätten damals Petrus und die anderen Jünger nicht erkannt und geglaubt, daß Jesus zu ihrer Erlösung gestorben war, dann wäre sein Tod das Ende gewesen.

Petrus hat zurückgefunden in den Glauben - und dieser ist der Grundstein geworden für allen Glauben an Jesus Christus als unseren Erlöser.

Das Gebet Jesu, daß der Glaube nicht aufhöre und daß wir uns bekehren, daß wir zurückfinden und uns gegenseitig stärken und stützen – dieses Gebet gilt auch uns, den Glaubenerben der Apostel.

Dr. Hans Frisch

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