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Weltraumsonde Rosetta

gesendet am 9. Februar 2014 von Dr. Hans Frisch
 

 

Flug Otto Lilienthals vom Fliegeberg Lichterfelde am 29.06.1895
Flug Otto Lilienthals vom Fliegeberg Lichterfelde am 29.06.1895

In Berlin wohnten wir bei einem alten Maurermeister, der hatte in seiner Kindheit Otto Lilienthal in Steglitz geholfen, wenn er bei seinen Flugversuchen im Teich gelandet (oder besser „gewassert“) war. Das war am Ende des 19. Jahrhunderts. – In der Mitte des 20. Jahrhunderts erlebte er, wie russische Miggs die Schallmauer durchbrachen.

Auch, dass Sputnik die Erde umrundet, hat er noch erfahren. Die Mondlandung hätte ihn sicher begeistert – doch er lebte nicht mehr - und hätte auch keinen Fernseher gehabt.
Inzwischen rollen schon Roboter über den Mars und senden Bilder und Labordaten von Bodenproben zur Erde.

Unglaublich viele Informationen und Bilder haben Satelliten und Raumsonden bisher geliefert - bis über die Grenze des Sonnensystems hinaus. Doch jetzt steht etwas Spektakuläres an.

Raumsonde Rosetta hat 7 Millarden Kilometer zurückgelegt

Raumsonde Rosetta
Raumsonde Rosetta

Zehn Jahre war die Raumsonde Rosetta unterwegs - dreimal wurde sie durch einen Vorbeiflug an der Erde und einmal durch den Mars beschleunigt - dann schlief sie zweieinhalb Jahre, denn die Geräte wurden abgeschaltet, um Strom zu sparen. Bei der großen Entfernung bekamen die Solarzellen nur noch wenig Sonnenlicht.

Nun hat am 20. Januar der Wecker geläutet, und Rosetta ist erwacht. Sie hat sich gemeldet, bereit für die eigentliche Mission: Einen Kometen einholen auf dem sonnennahen Abschnitt seiner Bahn, in eine Umlaufbahn einschwenken, einen Roboter mit einer Landefähre absetzen und die Daten seiner Messgeräte zur Erde senden - über eine Distanz von 800 Millionen km. Rosettas gesamte Reise ging über 7 Milliarden Kilometer – für so eine Strecke braucht die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne 46 Jahre.

Was für eine Entwicklung von den ersten Flugversuchen über 80 m bis zu einer Distanz von 800 Millionen Kilometern. Unser Wirt hatte den Anfang, und wir haben in der in den fünfziger Jahren die Halbzeit der Entwicklung miterlebt.

Wahrscheinlich werden die Kinder unserer Enkel auf unser Staunen so zurückschauen, wie wir auf das Staunen unseres alten Hauswirts über die Flugkünste Lilienthals. Doch sicher wird die Welt (die Menschenwelt) dann anders aussehen, auch anders als Science-Fiction fantasiert hat – doch der Mensch ist wohl noch weitestgehend der, zu dem er in Jahrtausende langer Entwicklung geworden ist.

Wir haben Bedenken, Sechzehnjährigen schon die Fahrerlaubnis zu geben. Der Umgang der Menschheit mit den gewaltigen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten, die sie erreicht hat, lässt Bedenken für die Zukunft durchaus berechtigt erscheinen - denn etwas unreif sind wir wohl noch.

Hätte Lilienthal die Fliegerangriffe auf Berlin, auf Dresden und auf Nürnberg vorausgesehen - er hätte wahrscheinlich Bedenken bekommen. (Einstein hatte Bedenken als er an der Entwicklung der Atombombe mitarbeitete, doch er machte mit bis zum Ende.) Da bin ich jetzt gespannt, wie es mit der Rosetta-Sonde weitergeht, welche wissenschaftlich-technischen Entwicklungen die nächsten Jahre bringen - und wo wir mit unseren Überlegungen landen.

Musik

Bahnen der Raumsonde Rosetta
Bahnen von Rosetta (schwarz), Erde (grün), Mars (rot), Jupiter (braun) und 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (blau). Die Zahlen sind im Text erwähnt. Quelle: wikipedia.de

Auf die nächsten Schritte der Rosetta-Mission müssen wir noch warten – August, November und Dezember sind die entscheidenden Termine. Für die wissenschaftlich-technische Entwicklung ist kaum ein Ende abzusehen, und eine zunehmende Beschleunigung dieser Entwicklung ist zu erwarten.

In der Zeit des kalten Krieges hatte es den Anschein, als hätten Steinzeitmenschen statt Faustkeilen Atomraketen, um den Feind zu vernichten. Der Lauf unserer jüngeren Geschichte berechtigt etwas zum Optimismus, was den Fortschritt der Menschheitsentwicklung angeht, doch der Pessimist findet noch genügend - eigentlich viel zu viele - Argumente für seine Bedenken.

Nun ist AREF kein Sender für die Menschheit. In einem begrenzten Empfangsbereich sind vielleicht 30.000 Hörer dabei, und an den meisten Geräten hört ein Einzelner für sich allein.

Wenn du ein Pessimist bist, lass dich vom Optimismus etwas anstecken. Wahrscheinlich kann die globale Informationsdichte die Entwicklung und Entfaltung der Vernunft des Menschen doch beschleunigen - und so wie Du merken viele, dass es Zeit ist, unsere Verantwortung, unsere sozialen und moralischen Maßstäbe, unseren Anteil an den Missständen und unsere Möglichkeiten zur Verbesserung ernstzunehmen.

Es gibt Bilder der Erde vom Mars aus gesehen: ein kleiner blauer Stern. Rosetta sieht uns auf einem winzigen, schwach leuchtenden Punkt. Vielleicht rückt diese Perspektive unsere Maßstäbe etwas zurecht – „Dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine“, so heißt es in einem Lied über Ewigkeit.
So klein wie die Erde erscheint aus so großer Entfernung, so klein erscheint sich der Einzelne angesichts der gesamten Menschheit, wenn er zur Besinnung kommt.

Doch als Mensch hat er Anteil an einem so weit ausgreifenden Experiment. Das ist auf der anderen Seite Grund zum Staunen und zum Stolz - auch zur Hoffnung. Ein so intelligentes Wesen müsste es eigentlich schaffen, das Miteinander auf diesem wunderbaren Planeten zu ordnen und zu gestalten. Wir können nur in unserem kleinen Umfeld daran mitarbeiten - und das sollten wir tun.

Doch, wenn wir auch unsere Versäumnisse, unsere Fehler, unsere Verschuldung hochrechnen auf die ganze Menschheit – denn die anderen sind auch nicht viel besser als wir – da kommt schon etwas zusammen. Und wenn dann noch die Schuld aneinander dazu kommt, die Schuld der Einzelnen, der gesellschaftlichen Gruppen und der Völker, dann kann einem angst werden. Auch das wird durch die globale Informationsdichte immer deutlicher sichtbar. So sind wir zwischen Hoffen und Bangen gefangen - angesichts dieser Schwierigkeiten erscheint die Herstellung, der Start und die Steuerung einer solchen Sonde doch relativ einfach - was die Bewunderung für die Leistung überhaupt nicht schmälert. Hoffen wir mit den direkt Beteiligten auf einen erfolgreichen Abschluss der Mission - selbst dann wird wohl die Diskussionen aufkommen: „Wozu der Aufwand?“

Musik

Welche Nutzen können wir aus der Rosetta-Mission ziehen?

Bei der Suche nach „Kosten für Rosetta Sonde“ taucht nur eine Angabe auf: 1 Milliarde. Das dürften die Kosten für die Herstellung sein - das ganze Projekt liegt sicher viel höher. Die Diskussion: „Wozu der Aufwand?“ wollen wir keinesfalls eröffnen – doch etwas darüber nachdenken, welchen Nutzen wir darinnen sehen können.

Zunächst ist es ein wichtiger Fortschritt in der Raumfahrt – die dadurch aber sicher nicht billiger wird.
Die Wissenschaft erwartet Antworten auf Fragen der frühen Geschichte des Kosmos und der Erde, die sie nirgends anders bekommen kann.
Durch die europäische, fast globale Zusammenarbeit bei dem Projekt sind Länder und Kontinente wieder etwas dichter vernetzt, was sich wahrscheinlich vielfältig auswirken wird.

Die Auswirkungen für uns als unbeteiligte Zuschauer sind schwieriger zu erkennen.
Da war am einen 20. Januar um 19:18 ein kleiner Peak in einer Monitorkurve auf einem Bildschirm in Darmstadt zu sehen - und die Nachricht flog um die Welt, fast wie ein entscheidendes Tor bei einer Fußball-WM oder die hundertstel Sekunden Vorsprung des Siegers im Hundertmeterlauf der Olympiade. Natürlich mit viel weniger Zuschauern, doch es kommt ja auch von viel weiter als aus London oder Brasilien.

Auf dem Mars könnten wir die Erde nur als hellen Stern am Abend - oder Morgenhimmel sehen - die Sonde ist doppelt so weit entfernt, da wären wir nur ein winziger Punkt. Das wird durch die sicher noch zu erwartenden zahlreichen Berichte von Rosetta in unser Bewusstsein kommen – und unsere Vorstellung von der „einen Menschheit“ vertiefen. Ich glaube, das hat eine viel größere Bedeutung als wir ahnen.
Zunehmend werden wir mit globalen Problemen konfrontiert werden, nicht nur beim Wetter, auch beim gesellschaftlichen Klima. Was da ein Menschheitsbewusstsein wachsen lässt und fördert ist eine sinnvolle und wichtige Investition.

An den Problemen und Konflikten der Menschheit ist jeder auf seine Art an seinem Platz beteiligt - an ihrer Lösung sollte auch jeder sich beteiligen. Beim planetaren Blick auf die kleine Erde leuchtet die Dringlichkeit ein, doch wird es im irdischen Maßstab schwierig. Denn, ganz eindeutig ist doch „der andere“ schuld - die Anderen, die Gesellschaft, die Bank- und die Wirtschaftsbosse, die Politiker.

Nehmen wir einmal an, Gott sieht aus unendlicher Entfernung - aber unmittelbar anwesend - dich und mich und alle, jetzt und in allen Zeiten. Er kennt die Ursachen und die oft furchtbaren Folgen unserer menschlichen (und auch der unmenschlichen) Entscheidungen und Taten, sieht Schuld und Vergeltung sich aufschaukeln zu zwei Weltkriegen in einem Jahrhundert und alle Verbrechen und Kriege durch Jahrtausende - er liebt den Täter wie ein Vater den Sohn, der auf Abwege gerät, und das Opfer, auch wenn es nicht unschuldig war.

Jedem Einzelnen will er sich offenbaren in seiner Liebe jedem will er helfen wirklich frei zu leben - frei von Schuld und frei zur Vergebung und Versöhnung. Das müsste er können, wenn er Gott ist. Und das müsste er tun, wenn er unser Gott, der Gott der Menschen sein will.

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die sich darauf einlassen, diese Befreiung und Erlösung erfahren“ - so lautet die Botschaft des Evangeliums - und eine bessere Botschaft für die Menschheit und für jeden Einzelnen kann ich mir nicht vorstellen. Leider ist Gott darauf angewiesen, dass wir wollen - doch er hat die Wette gewagt.

Was das mit Rosetta zu tun hat? Mit dieser Sonde greift der Mensch 800 Millionen km von der Erde aus und untersucht Materie, die seit viereinhalb Milliarden Jahren unverändert ist - also älter als Erde und Planeten. Von dort aus ist diese Erde mit ihrer Menschheit ein winziger Lichtpunkt.

In dieser Menschheit ist der Einzelne ein winziges Molekül, doch, nur aus solchen Einzelnen besteht sie, bestand sie und wird sie bestehen - auf Gedeih und Verderb.

Eine Botschaft, eine Befreiung, ein Erlösung die jeden Einzelnen erreichen und erfassen kann, die wäre eine Hoffnung für die ganze Menschheit. Eine solche Botschaft ist seit zwei Jahrtausenden in der Welt - und die Schau auf die Erde aus planetarer Perspektive könnte uns helfen, es auf den Punkt zu bringen.

Dr. Hans Frisch

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